Musik an sich


Reviews
Erik Norlander

Music Machine


Info
Musikrichtung: Prog Rock

VÖ: 06.06.2003

(Transmission Records / Alive)

Internet:

www.eriknorlander.com



Vergesst "Deutschland sucht den Superstar"

Hier spielt sich der wahre Horror/die Zukunft ab. Wie die Musikbranche hierzulande ja immer wieder herunterleiert, laufen die Geschäfte von Jahr zu Jahr schlechter. Anstatt den Nachwuchs zu fördern, pumpt man das Geld lieber in billige, kurzlebige Popstars vom Fließband. Dies ist in Amerika nicht anders, deshalb beschließt Anfang des 21. Jahrhunderts ein Megakonzern, dessen Geschäfte schlecht laufen, einen eigenen Superstar zu erschaffen: Johnny America. Ja, genau, zu erschaffen, genauer: genetisch zu verändern. Für ein biogaphiegerechtes Heranwachsen wird auch gesorgt, und mit 18 geht es raus auf die Bretter, die die Welt bedeuten, und die riesige Vermarktungsmaschinerie läuft an – und das bestens. Da der Tod eines Künstlers die Verkäufe noch einmal ankurbelt, wird dieser natürlich auch schon eingeplant. So in etwa die grobe Zusammenfassung der Geschichte hinter dem Konzeptalbum. Klar, wenn man will, kann man es als reine Fiktion abtun, aber bei einigen Textzeilen bekommt man doch einen Kloß im Hals und stellt sich die Frage: ist das nicht längst so? Will uns Erik Norlander den Spiegel vorhalten? Ein Beispiel aus Music Machine Reprise: „Remastered CDs issued in threes“. Soviel zum textlichen Konzept – eigentlich schon ein Grund zum Kaufen. Ein weiterer grund zum Kaufen: Das opulent aufgemachte, 32-seitige Booklet ist ein wahrer Augenschmaus: Jeder Titel ist mit einem eigenem Hintergrund versehen, der das Miterleben der CD noch intensiver gestaltet.

Nun zum dritten Grund, der zum Kauf der CD drängt: Der Musik. Musikalisch deckt man den Bereich zwischen ProgRock und ProgMetal ab, hält sich aber meistens im rockenden Bereich auf, so dass auf jeden Fall alle Rockfans einmal in die CD hereinhören sollten. Mit einer Einschränkung – Erik Norlander ist Keyboarder, wer also gegen Tastenorgien allergisch ist, sollte die Finger von der CD lassen. Das Keyboard ist klar das treibende Element im Vordergrund. Vergleichen kann man Music Machine mit den Ayreon-Werken, aber einen oder zwei Gänge niedriger. Dieser Vergleich drängt sich nicht nur musikalisch auf; auch Erik Norlander hat verschiedene Gastmusiker mit an Bord, die er je nach Lied einsetzt;er selbst ist bei Ayreon gern gesehener Gast. Stellenweise haben die Stücke Längen, aber im Großen und Ganzen kann das Album überzeugen, man kann es - trotz allen Progs - problemlos auch mal einfach so nebenbei hören. Eine CD, die einfach Spaß macht.

Prologue: Project Blue Prince , das Eröffnungsinstrumental, gibt einen kurzen Überblick über die verschiedenen Stile, die auf dem Album vorkommen, und weißt schon kurz auf den Ohrwurmmitpfeifteil schlechthin hin. Music Machine ist ein guter, leicht stampfend beginnender Rocksong, der das Johnny America -Thema kurz aufgreift. Bei Heavy Metal Symphony liegt die Betonung mehr auf Symphony und nicht zu arg auf Heavy Metal. Ein langes Keyboardsolo leitet Tour Of The Sprawl ein, eines der Stücke, bei denen mir Gesang und Gesangsmelodie am besten gefallen. Andromeda beginnt richtig groovig, verlangsamt sich, lässt für kurze Zeit sphärische Klänge erschallen. Einlullender Mitsingrefrain, trotzdem balladesk-verspielt. In Letter From Space trägt einem das Keyboard genau in jenigen, Lost Highway beginnt wie der schmalzigste Schmachtfetzen, den man sich nur vorstellen kann, und kommt auch nicht weit über das Anfangsstadium heraus, da rettet auch Gitarreneinsatz nichts mehr. Der absolute Tiefpunkt der ersten CD. , ein kurzes, langsames Stück geht nahtlos in Project Blue Prince Reprise über, ein gelungener Abschluss von CD 1; ungeheuer positiv und verspielt wird man zum CD-Wechsel gezwungen; Fanfare And Interlude und Beware The Vampires bilden den Auftakt des Niedergangs. Beware The Vampires zeigt sich von einer deutlich rockenden Seite, der Refrain ist nicht besonders anspruchsvoll arrangiert, geht aber sofort ins Blut... The Fire Of Change kann man problemlos als sehr guten PopRock-Song ansehen, der besonders durch den Gesang Akzente setzt. Der härteste Song auf Music Machine, The Fall Of The Idol ist in der Region alter Power/Speed Metal anzusiedeln, hat aber einen sehr ruhigen Mittelteil. Eine äußerst gelungene Nummer, die vollkommen für den Totalausfall auf CD 2 entschädigt: Metamorphosis, ein Schlagzeug-Keyboard-Solo, das selbst um zwei Drittel gekürzt nicht besser wäre. Das Schlagzeug langweilt, wirkt als reiner Rhythmuslieferant – eigentlich sein Hauptzweck, ich weiß, aber wenn es dadurch als störend empfunden wird, kann etwas nicht stimmen. Fallen ist die Quotenkuschelnummer, umschifft aber jede Kitschklippe mit Bravour. Und dann kommt er, der beste Song der CD: Johnny America. Vom Aufbau stellenweise leicht an Savatage erinnernd, liefert Erik Norlander hier sein rockendes Meisterstück ab. Bei diesem Lied stimmt einfach alles, der Schluss setzt noch einmal so viel Energie frei, dass man noch Tage später mit einem dicken, glücklichen Grinsen im Gesicht herumläuft. Music Machine Reprise greift die mittlerweile bekannte Melodie auf, einige Melodien aus Johnny America werden auch gespielt. Einziges Manko: mit knapp unter zwei Minuten leider zu kurz, hier wurde Potential verspielt. Epilogue: Sky Full Of Stars bietet durch seine fliegenden Keyboardpassagen die Gelegenheit, die Gedanken um das soeben Gehörte kreisen zu lassen und leitet langsam das Ende der CD ein. Alles in allem eine gute CD, die man sich öfters anhören muss, damit man alle Nuancen ausloten und genießen kann.



Sascha Christ



Trackliste
CD 1
1 Prologue: Project Blue Prince 3:38
2 Music Machine 6:39
3 Turn Me On 5:49
4 Heavy Metal Symphony 6:31
5 Tour Of The Sprawl 8:40
6 Andromeda 6:02
7 Letter From Space 3:16
8 Lost Highway 5:12
9 Soma holiday 3:04
10 Return Of The Neurosaur 1:39
11 Project Blue Prince Reprise 1:12

Gesamtspielzeit: 51:42

CD 2
1 Fanfare And Interlude 3:04
2 Beware The Vampires 5:18
3 The Fire Of Change 7:53
4 The Fall Of The Idol 5:43
5 Metamorphosis 3:14
6 One Of The Machines 5:17
7 Fallen 5:13
8 Johnny America 6:35
9 Music Machine Reprise 1:53
10 Epilogue: Sky Full Of Stars 10:14

Gesamtspielzeit: 54:24
Besetzung

Erik Norlander: Keyboards
Kelly Keeling: Vocals
Scott Kail: Vocals
Mark Boals: Vocals
Robert Soeterboek: Vocals
Donald Roeser: Vocals; Guitar
Peer Verschuren: Guitars
Neil Citron: Guitars
Vinny Appice: Drums
Gregg Bissonette: Drums
Virgil Donati: Drums
Tony Franklin: Fretless Bass
Don Schiff: NS/Stick


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