Musik an sich


 
Inhalt
News
Reviews
Leserbriefe
Links
Impressum
 
Musik an sich
 
Georg Friedrich Händel: Apollo e Dafne / The Alchemist
(Naxos)
Barock

 

Schon immer war das Label "Naxos" nicht nur für preisgünstige, sondern auch für Einspielungen abseits des bekannten Repertoires bekannt. Dieses Attribut trifft jedenfalls auf den zweiten Teil der vorliegenden CD zu, der eigentlich auch gar kein "echter" Händel ist. Doch dazu später mehr.

Den Schwerpunkt der Aufnahme bildet hingegen die bekanntere, rund 45 Minuten lange Kantate "Apollo e Dafne". Sie stammt aus Händels Zeit in Italien und entstand 1709/10. Der Komponist hatte da bereits den Großteil seiner Lehrjahre hinter sich, an deren Ende er den italienischen Stil meisterhaft beherrschen sollte. Es schimmert hier überdies schon ein erstaunliches dramatisches Geschick durch, obwohl die Handlung dafür nicht unbedingt Anlass bietet. Sie trägt dem Zeitgeschmack durch die Wahl eines pastoralen, mythologischen Sujets Rechnung: Gott Apollo glaubt sich nach seinen jüngsten Erfolgen unbesiegbar, erliegt aber alsbald dem Charme der schönen Nymphe Dafne. Diese jedoch lässt sein engagiertes Werben kalt, sie zieht ihren Frieden (und ihre Ehre) der Zweisamkeit vor und entzieht sich dem Drängen Apollos schließlich dadurch, dass sie sich in einen Lorbeerbaum verwandelt.

Kaum weiß man, wem unser Mitleid eher gelten soll: Apollo, der verspricht, diesen Baum mit den Tränen seiner Trauer zu begießen und mit seinen Zweigen sowohl das eigne, wie auch fremde Häupter zu schmücken (sich aber zweifellos bald neuen Liebesabenteuern zuwenden dürfte) oder jener Nymphe, die es als derart frigides botanisches Objekt (Keine falschen Schlüsse ziehen, wie erinnern uns an die Blüten und Bienchen... Anm.d.Red.) schwer haben dürfte, nochmal eine solch überschwengliche Zuneigung zu erfahren.

Das Hin und Her erstreckt sich über 8 Arien, 2 Duette und die zugehörigen Rezitative. Ein großes Lob verdient zunächst das Orchester. Besonders die Bläser (2 Oboen, Flöte und Fagott) bestechen durch Intonationssicherheit und einen angenehmen, warmen Ton. Aber auch ansonsten hat der als Leiter der Hannover Band in der historischen Aufführungspraxis erfahrene Roy Goodman sein Ensemble ausgezeichnet im Griff und der stete Wechsel von lyrischer und dramatischer Stimmung gelingt ohne weiteres.

Als Entdeckung darf die ukrainische Sopranistin Olga Pasichnyk gelten. Strahlend und glockenrein bis in die Höhen, überzeugend auch in den (sparsam eingesetzten) Verzierungen - kein Wunder, wenn Apollo sich da Hals über Kopf verliebt! Dabei nimmt man ihr zugleich ohne weiteres die in der Rolle verkörperte Unnahbarkeit ab. Der weiteren Entwicklung dieser vielversprechenden Künstlerin kann man wirklich nur gespannt entgegensehen.

Ihr Gegenpart Robert Pomakov (Bass) ist hingegen erstaunlicherweise gerade wegen seiner hörbaren Defizite eine gelungene Besetzung. Die hohen Töne und Koloraturen sind seine Sache nicht, wohl aber ein gewisses polterndes Pathos. Das verfehlt seine Wirkung nicht, fügt es sich doch ausgezeichnet in das Bild der Unbeholfenheit des vermeintlich unbesiegbaren Gottes, der den Irrungen der Liebe im wahrsten Wortsinne impotent, also machtlos, gegenüber steht. Das ist nicht durchgehend schön anzuhören, andererseits auch nicht unangenehm. Leider dürfte ihm allerdings nicht jede Rolle so gnädig entgegenkommen.

Da Naxos uns eine nur halbgefüllte CD wohl nicht zumuten wollte, gibt es als Zugabe die Suite "The Alchemist", ein Beispiel früher Produktpiraterie. Ein unbekannter Arrangeur bediente sich hier hemmungslos jener Instrumentalsätze, die Händel für seine Oper "Rodrigo" in Italien erdacht hatte, um sie ungefragt zur Auflockerung einer Schauspielaufführung in London zu verwenden. Nur eines der Stücke stammt nicht von Händel selbst. Immerhin bekam England auf diese Weise erstmals eine musikalische Kostprobe vom Können jenes Komponisten, dem es später so große Erfolge bescherte - wenn auch noch ohne eine Ahnung vom Namen des wirklichen Urhebers.

Das European Union Baroque Orchestra musiziert dabei durchweg ordentlich, wenn auch scheinbar etwas uninspiriert. Goodman tritt zumeist das Gaspedal durch, doch hätte es die Sache vergnüglicher gemacht, wenn das Augenmerk statt dessen auf die Schärfung der Kontraste gerichtet worden wäre. So rauscht einfach alles irgendwie vorbei, ohne wirklich Eindruck zu hinterlassen. Nun ja, dass Dreingaben und kleine Geschenke nicht immer sonderlich werthaltig sind, weiß der aufgeklärte Verbraucher nach dem Fall des Rabattgesetzes ja zur Genüge.

Insgesamt also eine CD, die ihren Naxos-Standardpreis von rund 10 DM ohne weiteres wert, aber sicher kein Muss für die Sammlung ist.

Repertoire: 3 Punkte
Klang: 4 Punkte
Interpretation: 4 Punkte
Edition: 3 Punkte

Gesamt: 14 Punkte

Sven Kerkhoff
 

Inhalt | Impressum | Links | News | Reviews | Leserbriefe
zur Homepage | eMail Abo bestellen | Download aktuelle Ausgabe