Mozart, W. A. (Jacobs)

Requiem


Info
Musikrichtung: Wiener Klassik

VÖ: 13.10.2017

(harmonia mundi/harmonia mundi / CD / 2017 / Best. Nr. HMM 902291)

Gesamtspielzeit: 46:01

Internet:

Freiburger Barockorchester



SÜSSMAYER 2.0

An Mozarts Fragment gebliebenem Requiem haben sich viele die Zähne ausgebissen: Das begann schon mit Joseph Eybler, den Mozarts Witwe Constanze eigentlich dazu ausersehen hatte, die Partitur zu vollenden. Nachdem Eybler, wohl nicht zuletzt aus Respekt vor der Größe der Aufgabe und dem damit nahezu unerfüllbaren Anspruch, aufgegeben hatte, war es schließlich der Salieri-Schüler Franz Xaver Süßmayer, der den Torso komplettierte und damit aufführbar machte. Er tat dies allerdings in großer Eile und mit bisweilen mehr als zweifelhaftem kompositorischen Geschick. Ungeachtet der somit bisweilen unbefriedigenden Lösung – zumal in den Teilen, für die es keinerlei schriftlich überlieferte Anhaltspunkte Mozarts gab (Sanctus, Benedictus, Agnus Dei) – ist seine Version heute der Aufführungsstandard. Dies jedenfalls in der schon 1971 von Franz Beyer überarbeiteten Fassung.

René Jacobs, nicht zuletzt aufgrund seiner Opern-Interpretationen mittlerweile ein ausgewiesener Mozart-Spezialist und stets origineller Kopf, lässt es aber dabei nicht bewenden. Er hat seiner Einspielung die vom französischen Komponisten und Arrangeur Pierre-Henri Durron 2016 erstellte Neubeabeitung zugrunde gelegt. Durron knüpft dabei an Süßmayer an. Der Hörer muss sich also nicht allzu sehr umstellen. Die gravierendsten Änderungen und Retuschen betreffen just das Sanctus und Benedictus. Jenseits dessen erschöpfen sich die Ideen und Ergänzungen weitgehend in Veränderungen an den instrumentalen Begleitfiguren bzw. der Instrumentation.

Ein qualitativer Quantensprung ist mit all dem nicht verbunden. Zwar wirkt das Sanctus ein wenig origineller, luftiger und organischer als im Süßmayer-Original. Es bleibt aber dennoch ein Fremdkörper im gesamten Werk. Zudem streut Durron hier, wie auch beim Benedictus, recht viel romantische Tonsprache ein, so dass die Musik eher an Beethoven als an Mozart denken lässt. Mag man dies noch als interessant gelten lassen, wirken Durrons Änderungen in den Schlusstakten der Sequenz Dies Irae (Auseinanderziehen der Tonfolge auf „requiem“) sowie der eingeschobene Einsatz des Solistenquartetts am Ende („quia pius es“) und das fahl verhauchende „Amen“ arg gewollt und manieriert.

Hierüber könnte man leicht hinwegsehen, wenn die Einspielung ansonsten das übliche Jacobs-Niveau hätte. Dies aber ist leider nicht der Fall. Schon im Eingangssatz fällt auf, dass Jacobs sowohl die Streicher als auch den Chor erstaunlich gleichförmig, wenig ausdrucksstark und teilweise fast läppisch agieren lässt. Vielleicht zielt dies darauf ab, den Kontrast zur dramatischen Sequenz zu schärfen, aber es geht doch an der existenziellen Bedeutung des Satzes vorbei. Im Übrigen wird die Kontrastwirkung dadurch gemindert, dass Jacobs die Tempi durchweg extrem schnell nimmt. Dabei wird beispielsweise das hochnervös und hektisch vorbeirauschende „Domine Jesu Christe“ der Musik und ihrem Gehalt nicht gerecht. Häufig vermisst man bei dieser Darbietung die notwendige Innigkeit und Ernsthaftigkeit. Das bißchen Theaterdonner vermag diese nicht zu ersetzen.

Da hilft es wenig, dass Chor und Orchester auf gewohnt hohem Niveau brillieren und auch die Solisten (mit Ausnahme einiger Schwachpunkte bei der Altistin) eine respektable Leistung zeigen.



Sven Kerkhoff



Trackliste
Requiem, K 626
Fassung Süßmayer, überarbeitet von Pierre-Henri Durron
Besetzung

Sophie Karthäuser: Sopran
Marie-Claude Chappuis: Alt
Maximilian Schmitt: Tenor
Johannes Weisser: Bass

RIA Kammerchor
Freiburger Barockorchester

René Jacobs: Ltg.


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