Musik an sich


Reviews
Tanya Tagaq

Retribution


Info
Musikrichtung: Ambient, Experimental, Independent

VÖ: 21.10.2016

(Six Shooter Records)

Gesamtspielzeit: 47:28

Internet:

http://www.tanyatagaq.com/
http://sixshooterrecords.com/
http://oktoberpromotion.com/


Tanya Tagaq wurde am 5.Mai 1975 geboren und stammt aus Kanada, Cambridge Bay (Iqaluktuutiaq), Nunavut, Canada, an der Südküste von Victoria Island.
Im Alter von fünfzehn wechselte sie zur High School und begann dort das “Throat Singing“ zu üben, also diesen Kehlgesang. Speziell widmete sie sich dabei dem Inuit Throat Singing, ein Gesang, der traditionellerweise eigentlich von zwei Frauen gestaltet wird. (Katajjaq – der Kehlgesang der Inuit)
Im Laufe ihrer Entwicklung traf sie auf Künstler wie Björk, das Kronos Quartett und die Schotten Shooglenifty. 2005 erschien eine erste Platte, das war “Sinaa“, und heimste bald etliche Preise ein.
Mit Retribution haben wir nun das fünfte Album vorliegen.

Offensichtlich ist die kleine Tochter(?), Inuuja, schon auf dem ersten Song dabei, um vielleicht schon für die Nachfolge eingestimmt zu werden? Nun, diese zarten Töne sind dann auch bald passé, wenn der zweite Song rumpelnd Fahrt aufnimmt. Viele Stimmen gibt es zu vernehmen, gehören sie alle Tanya? Da wird geflüstert, geschrien, und überhaupt atmet das ganze Album eine Menge aggressiv wirkender Momente.
Auf “Nacreous“ hört man dann endlich die richtig bösartig klingen Kehllaute, das klingt wie ein Märchen und wir bekommen alle Angst vor der bösen Hexe. Ja, sehr geheimnisvoll ist die Musik und scheint mich tatsächlich in einen dichten Märchenwald voller unheimlicher Wesen zu führen. “Von Einem, der auszog, das Fürchten zu lernen“ von den Gebrüdern Grimm, hierzu ist der perfekte Soundtrack!

Ja, diese Musik ist nichts für Partys und entspannende Ruhezeiten. Hier wird man förmlich angesprungen von dieser mitunter bedrückenden Atmosphäre. Wie ich las, soll sich das komplette Album einem Thema widmen – Vergewaltigung. Aber nicht nur das, was man im Allgemeinen darunter versteht, den Missbrauch von Frauen, sondern Vergewaltigung an der Natur, des Planeten Erde, von Rechten, von Kindern. Und somit scheint diese Musik wie ein Aufschrei gegen Unrecht zu sein. Denn selbst liebgewonnene musikalische Strukturen werden vergewaltigt. Und das zeigt auf, wie ernst es der Künstlerin offensichtlich mit ihrem Anliegen ist. Wahrscheinlich ist es auch als Statement für die Inuit aufzufassen, leben diese doch auch oft alleingelassen, inmitten einer immer mehr zerstörten Natur mit Folge der Wegnahme des Lebensraumes.
Einen einzigen Fremdtitel hat sie gewählt, das ist der Song von Nirvana – “Rape Me“, hier in einer wirklich eindringlich wirkenden Version. Und überhaupt ist diese Musik dramatisch, hart und unerbittlich, dabei ungemein faszinierend! Und dabei ist die Instrumentierung sehr spartanisch angelegt, und doch so intensiv im Ausdruck! Vom musikalischen Gesichtspunkt fiel mir noch eines auf, und zwar empfehle ich dringend eine Zusammenarbeit mit Scott Walker. Ich denke, die Beiden könnten sich treffen und vorzüglich ergänzen.



Wolfgang Giese



Trackliste
1 Ajaaja (2:55)
2 Retribution (7:57)
3 Nacreous (4:01)
4 Aorta (3:37)
5 Centre (3:51)
6 Summoning (8:57)
7 Cold Wind (6:35)
8 Sivulivinivut (1:49)
9 Sulfur (3:00)
10 Rape Me [Kurt Cobain] (4:46)
(All tracks written by Tanya Tagaq, except where noted)
Besetzung

Soweit bekannt:
Tanya Tagaq (vocals)
Raddick Tulush (vocals)
Shad (rap #5)
Ruben Komangapik (vocals),
Inuuja (vocals -#1)
Jean Martin (drums)



 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>