Musik an sich


Reviews
Jean-Michel Jarre

Electronica 1, The Time Machine


Info
Musikrichtung: Dance/Electronic

VÖ: 16.10.2015

(Sony Music)

Gesamtspielzeit: 68:27

Internet:

http://jeanmicheljarre.com/
http://networking-media.de/
http://www.sonymusic.de/


Der am 24. August 1948 in Lyon geborene Musiker, Komponist und Produzent spielte in den sechziger Jahren elektrische Gitarre und widmete sich unter anderem der Musik von The Spotnicks und The Shadows, also bereits seinerzeit der Instrumentalmusik.
Später begann er zu komponieren und wandte sich hierbei weitestgehend der Film- und Werbemusik zu, und nebenbei fiel das erste Soloalbum ab, das war 1972 die LP “Deserted Palace“.
Aber vier weitere Jahre sollte es dauern, als mit dem Album “Oxygène“ der Durchbruch kam, und er zementierte diesen Erfolg 1978 noch mit “Equinoxe“.

Seit 2012 arbeitet der Künstler an einem Projekt mit verschiedenen Musikern, und dieses erblickte nun das Licht der Welt unter dem Titel Electronica 1 – The Time Machine.
Der zweite Teil soll übrigens im nächsten Jahr erscheinen.
Nachdem 1984 erstmals Gastmusiker auf dem Album “Zoolook“ beteiligt waren, versucht man wohl auch hier, etwas mehr Lebendigkeit und Abwechslung durch Beteiligung vieler Gäste zu schaffen.
Und diese stammen noch nicht einmal ausschließlich aus dem Bereich elektronischer Musik, sondern mit Pete Townsend aus dem Rock- und Lang Lang aus dem Klassik-Lager gibt es insofern zwei unerwartete Gäste.


Nun ist Jarre mittlerweile bekannt für seine spezielle Art der elektronischen Musik und man sollte diesen überbordenden synthetischen Klängen voller Bombast auch zugeneigt sein. Nun kommt auf der neuen Platte auch noch der Aspekt des Tanzbaren dazu.
Ganz anders als der innovative Klangtüftler Klaus Schulze, der Ideen aus Improvisation ableitet und somit spontane Lebendigkeit erzeugt, muss man bei Jarre davon ausgehen, künstlich klingende und vorgefertigte Sounds zu hören, die sich schnell erschöpfen können in ihrer oberflächlichen Faszination.
Somit scheint der Künstler, angesichts der Beteiligung der meisten Gäste, eine neue Generation von Hörern ansprechen zu wollen, zum Beispiel aufkommende Stars des Dancefloors wie Gesaffelstein.

Leider entsteht mir der Eindruck eines zusammengewürfelten Haufens verschiedener Elemente, was für mich die Atmosphäre eines Samplers entstehen lässt, es ist einfach zu viel der Abwechslung, obwohl dahinter sicher eine Absicht des Musikers gesteckt haben wird.
New Age, Dancefloor, Techno-Pop, Electro-House und was noch immer, wohin soll die Reise gehen, Monsieur Jarre?
Der Musiker besaß für mich nie das Kaliber wie die hier auch mitwirkenden Tangerine Dream, ihn gleichwohl als zweite Wahl zu bezeichnen, wird seinem Gesamtwerk und seiner Stellung als Mitwegbereiter elektronischer Musik sicher auch nicht gerecht, doch da, was er mit dieser neuen Produktion bietet, ist nicht erstklassig. Langeweiler wie “Close Your Eyes“ schmälern das (mein) Hörvergnügen, aber “Automatic“ mit Vince Clarke ist für mich einer der besten Ereignisse der Platte, hier treffen sich Vergangenheit und Zukunft auf vereinende Weise und mag Fans des Künstler vielleicht noch am ehesten anmachen, und auch “Stardust“ mit Armin van Buuren erscheint mir in dieser Hinsicht wohl auch noch positiv erwähnenswert.

Was in aller Welt Pete Townshend hierher verschlagen hat, erscheint mir suspekt, wirkt er in diesem Umfeld für mich völlig fehl am Platze. Sein Gesangsbeitrag ist austauschbar und nicht charakteristisch und hätte von irgendeinem anderen Sänger auch gesungen werden können.
Skurril, wie nicht anders zu erwarten, und ganz auf sie zurechtgeschnitten ist der zwölfte Track mit Laurie Anderson. Ebenso ungewöhnlich und völlig aus dem Rahmen fallend ist der letzte Song, unterstützt vom Pianisten Lang Lang. Zwei verschiedene Elemente scheinen nebeneinander zu spielen, ohne dass wirklich eine Einheit entsteht. Sicher ein Experiment mit gutem Ansatz, doch findet sich kein roter Faden, vielmehr erscheint mir dieser Track wie ohne Anfang und Ende. Erst bei etwa vier Minuten nimmt er Fahrt auf, doch solche Musik hat ein gewisser Robert Miles dann doch beeindruckender vorgelegt.



Wolfgang Giese



Trackliste
1 The Time Machine (with Boys Noize) 3:54
2 Glory (with M83) 4:12
3 Close Your Eyes (with Air) 6:15
4 Automatic. Pt. 1 (with Vince Clarke) 3:06
5 Automatic. Pt. 2 (with Vince Clarke) 3:03
6 If..! (with Little Boots) 3:13
7 Immortals (with Fuck Buttons) 4:24
8 Suns Have Gone (with Moby) 5:55
9 Conquistador (with Gesaffelstein) 3:09
10 Travelator (Part 2) (with Pete Townshend) 3:10
11 Zero Gravity (with Tangerine Dream) 7:12
12 Rely on Me (with Laurie Anderson) 2:54
13 Stardust (with Armin van Buuren) 4:37
14 Watching You (with 3D of Massive Attack) 4:09
15 A Question of Blood (with John Carpenter) 2:58
16 The Train & The River (with Lang Lang) 7:13
Besetzung

Jean-Michel Jarre (keyboards, electronics)
plus Gäste


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