Musik an sich


Reviews
Bach, J. S. (Kuijken)

Kantaten für das vollständige liturgische Jahr Vol. XIV: BWV 91, 57, 151, 122


Info
Musikrichtung: Barock Ensemble

VÖ: 25.09.2011

(Accent / Note 1 / SACD hybrid / 2010 / Best. Nr. ACC 25314)

Gesamtspielzeit: 74:56



INNIG

Neben den sechs berühmten Kantaten, die J. S. Bach unter dem Titel „Weihnachtsoratorium“ zusammengefasst hat, hat er noch weitere einzelne Kantaten komponiert, die zum Weihnachtsfestkreis gehören. Im Gegensatz zum dramatischen Weihnachtsoratorium, das der biblischen Erzählung folgt, nehmen sie meist einen allgemeinen, betrachtenden Bezug auf das Hochfest.

Auffällig ist, dass der trompentenstrahlende Jubel des Oratoriums einer eher gedämpften Freude und auch Nachdenklichkeit gewichen ist, wie z. B. in der Kantate BWV 91, Gelobet seist Du, Jesu Christ, wo zwei Hörner und eine Pauke den festlichen Anlass im kurzen Eingangschor maßvoll unterstreichen. Immerhin erklingt hier das Instrumentalensemble mit Streichern, Holz- und Blechbläsern. Die drei übrigen Kantaten auf dieser jüngsten Folge von Wieland Kuijkens „kleinem“ Kantatenzyklus kommen dagegen ganz ohne solche Akzente aus und beschränken sich auf einige zusätzliche obligate Instrumente vor allem bei den Arien.
Selig ist der Mann, der Anfechtung erduldet (BWV 57) und Süßer Trost, mein Jesus kömmt (BWV 151) verzichten sogar auf einen Eingangschor und konzentrieren sich mit ihren molldunklen Farben und den überwiegend kontemplativen Arien mehr auf die Not des menschlichen Leidens auf Erden. BWV 57 beispielsweise wurde für den 2. Weihnachtsfeiertag komponiert, an dem zugleich dem Martyrium des Hl. Stephanus gedacht wird. Die Nähe zu den großen Passionsoratorien, vor allem der Matthäuspassion, ist unüberhörbar – auch qualitativ bewegt sich die Musik auf dem Niveau dieses großen Werkes. Schließlich nimmt die Kantate Das neugeborene Kindelein (BWV 122) den sündigen und darum erlösungsbedürftigen Menschen in den Blick, wobei der Eingangschor dort ebenfalls recht knapp gehalten ist.

Entsprechend gibt das Programm den Interpreten die Gelegenheit, sich vor allem als hervorragende Solisten zu präsentieren. Insbesondere beim himmlischen langen ruhigen Duett in BWV 91 und der expansiven Sopran-Eröffnungsarie von BWV 151 demonstrieren Gerlinde Sämann und Petra Noskaiová die Kunst einer ergreifenden und entrückten, dabei ganz uneitlen Gestaltung. Dabei besticht dass rhetorisch überlegte, kammermusikalisch intime Spiel von La Petite Bande. In solchen Momenten kann man sich keine innigere Interpretation wünschen.
Etwas mehr Verve und innere Beteiligung würde man sich dagegen bei einem leidenschaftlichen Stück wie der Bassarie Ja, ja, ich kann die Feinde schlagen (BWV 57) wünschen. So schön und klar Jan Van der Crabben hier auch intoniert und artikuliert, es wirkt zu leicht und undramatisch - mehr Geste als echter Affekt (wobei eine Zurückhaltung bei "starken Affekten" bereits bei den vorangegangenen Produktionen immer wieder einmal zu bemerken ist). Bei der kontemplativen Eröffnungsarie der gleichen Kantate weiß der Sänger mehr zu überzeugen.



Georg Henkel



Besetzung

Gelinde Sämann: Sopran
Petra Noskaiová: Alt
Christoph Genz: Tenor
Jan Van der Crabben: Bass

La Petite Bande

Sigiswald Kuijken: Violine & Leitung


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