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Diverse barocke Komponisten

Lamenti


Info
Musikrichtung: Barock / Oper

VÖ: 17.10.2008

(Virgin Classics / SonyBMG / CD, DDD, 2008, Best.nr. 50999 519044 2 5)

Gesamtspielzeit: 64:20

Internet:

Virgin Classics



GUT GELITTEN

Auf der Opernbühne leiden sie alle: Nymphen, Königinnen, Könige und Helden, seien es solche der antiken Mythologie oder solche der Historie. Und in der Barockoper leiden sie bis weit ins 17. Jahrhundert hinein alle nach dem gleichen Vorbild, nämlich Monteverdis genialem Lamento der Arianna, mit welchem diese Form des süßen, bewegten und melodiösen Schmerzes 1608 ihren Siegeszug antrat und die Opernzuschauer einst reihenweise in Ohnmacht fallen ließ.
Nun verkraftet auch der moderne Hörer soviel Schmelz und Schmerz an sich nur wohldosiert. Eine Produktion mit insgesamt elf barocken Lamenti ist deshalb nicht ohne Risiko. Hier aber ist für Langeweile und Eintönigkeit keine Zeit, denn Virgin Classics hat ein Staraufgebot für diese CD gewinnen können, das so verschwenderisch erscheint, wie man es nur aus den guten alten Zeiten der Schallplatte kennt: Internationale Spitzenkräfte wie Natalie Dessay, Véronique Gens, Patrizia Ciofi, Rolando Villazón u.a. jeweils für nur ein oder zwei Nummern einzusetzen, das sucht heute schon seinesgleichen.

Aber: Der Aufwand hat sich gelohnt. Jeder dieser Stars fasst die Kunst des Lamento durchaus unterschiedlich auf. So kann der Hörer die schwierige Wahl treffen, wer denn nun am schönsten leidet. Für mich ist dies Patrizia Ciofi, die eine angenehme Mischung aus Emphase und Kunstfertigkeit zu bieten hat, dabei ihre Partie mit vielen Schattierungen und Stimmungsumschwüngen zu variieren weiß. Interessanterweise gelingt es auch dem eher der Oper des 19. Jahrhunderts verbundenen Rolando Villazón mit seiner eigenwilligen Interpretation der Lamenti von Cavalli und Monteverdi, das Herz des Hörers zu rühren, obgleich Ton und stimmliche Geste eigentlich zu groß geraten scheinen und bei Monteverdis Komposition die Akzentuierung nicht immer dem Ausdrucksgehalt entsprechend vorgenommen wird.
Ein bißchen zu viel des Guten im Sinne eines manirierten Overacting bietet Christopher Purves auf, dem man deshalb die Leiden nicht abnimmt, sondern sie sogleich als Theaterdonner einordnet. Auch Natalie Dessay ist von Stimmfarbe- und -volumen her vielleicht nicht unbedingt die Idealbesetzung für Monteverdis Nymphe.

Doch insoweit mag man sich lange streiten. Ihr Handwerk verstehen alle elf Sängerinnen und Sänger ohne Zweifel und ihrem Wettstreit lauscht man gerne mehr als einmal. Emmanuelle Haim untermalt das Sängerfest mit Hilfe ihres Le Concert d´Astrée angenehm kraftvoll und körperlich.



Sven Kerkhoff



Trackliste
1 Cavalli - Lasso in vivo 03:50
2 Monteverdi - Lamento della Ninfa 05:15
3 Strozzi - L´Eraclito amoroso 05:59
4 Monteverdi - Lamento d´Arianna 07:12
5 Landi - Superbe colli 05:46
6 Monteverdi - Addio Roma 04:09
7 Cavalli - Dormi, cara Didone 06:52
8 Carissimi - Lamento di Maria Stuarda 09:13
9 Cesti - Dure noie 05:39
10 Cavalli - Tremulo spirito 08:06
11 Monteverdi - Tu se´ morta 02:19
Besetzung

Sopran: Patrizia Ciofi (8,10), Natalie Dessay (2), Véronique Gens (4)
Mezzosopran: Joyce DiDonato (6)
Alt: Marie-Nicole Lemieux (10)
Countertenor: Philippe Jaroussky (3)
Tenor: Topi Lehtipuu (2,7), Rolando Villazón (1,11), Simon Wall (2)
Bassbariton: Laurent Naouri (09), Christopher Purves (2,5)

Le Concert d´Astrée

Ltg. Emmanuelle Haim


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