Musik an sich


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HOELDERLIN live im Berliner Knaack




Info
Künstler: Hoelderlin

Zeit: 08.10.2007

Ort: Knaack, Berlin

Besucher: ca. 40

Veranstalter: Trinity

Fotograf: Norbert von Frasnecky

Internet:
http://www.hoelderlin.com

„Seit 1970 träumen und machen wir zusammen Musik,“ heißt es im Booklet der Hoelderlin Debüt-CD Hoelderlins Traum. Seitdem haben Hoelderlin sich verändert, sind eine der erfolgreichsten Krautrockbands geworden, haben neue Wege gesucht, sich aufgelöst, lange Zeit nicht mehr existiert, sich reformiert, eine neue Scheibe namens 8 auf den Markt gebracht und sind bereits wieder dabei neue Songs zu schreiben.
Darüber sind 37 Jahre vergangen. Im etwa ein Besucher pro Jahr dieser Zeit hatte sich am 8. Oktober im Berliner Knaack eingefunden, um die neuen Hoelderlin, die zu 50 Prozent aus alt gedienten Recken bestehen, zu begutachten. Beinahe hätte das Konzert gar nicht stattgefunden. Der örtlichen Konzertagentur Trinity waren fünf(!) im Vorverkauf an den Mann gebrachte Tickets verständlicher Weise etwas dünn.
Das mit knapp 40 Personen recht überschaubare Publikum schreckte die Band nicht. Mit spürbarem Engagement präsentierte das Quartett ein Programm, das sich aus (acht) Stücken des aktuellen Albums und (vier) Krautrock-Klassikern zusammensetzte. Die „moderneren“ Scheiben New Faces und Fata Morgana und das Debüt Hoelderlins Traum blieben ausgespart. Dafür gab es ein Beatles-Cover als Zugabe.


Unflexiblen Alt-Fans wurde erst einmal deutlich gemacht, dass Hoelderlin 2007 nicht bereit sind sich einfach nur zu kopieren. „Angel“ stellte die beiden Neuen in den Mittelpunkt – vor allem die neue Frontfrau Ann-Yi Eötvös. Zur Violine trägt sie ein elegantes rotes Abendkleid und zieht mit dem Bogen lange, fast stehende Töne aus ihrem Instrument, die Andreas Hirschmann mit seinem Tasten-Instrumentarium stimmungsvoll begleitet. Das Wort „Trance“, das im Promotext erschien, schien bestätigt – ohne dass das unbedingt negative Konotationen enthielt.
Im folgenden, ebenfalls neuen, „Nice to be real” setzen sich die “alten Herren” an Drums und Bass stärker in Szene. Ann-Yis Gesang geht etwas unter. Aber das liegt möglicherweise an der Abmischung. Denn dieses Schicksal erleidet Alt-Recke Hans Bäär im Laufe des Konzertes in ähnlicher Weise. Wenn Ann-Yi mit der Stimme durch kommt, erinnert sie ein wenig an Kate Bush.

Die Geduld der Fans wird dann nicht länger auf die Probe gestellt. Der Doppelschlag „Streaming“ und „Rare Birds“ lässt alte Zeiten aufleben. Hans Bäär wechselt zeitweilig vom Bass an die Zwölfsaitige, um den Verlust von Gitarrist Dick Schilling zu kompensieren, der die Band im Juni verlassen hat.
Die Band verdient sich damit 100-prozentige Aufmerksamkeit. Okay, bei dem teilweise in die Jahre gekommenen Publikum gibt es keine expressiven Beweise ihrer Begeisterung. Zwar steht man im Knaack überwiegend, aber ansonsten herrscht hier die zivilisierte Distanz eines Klassikkonzertes vor. Man genießt mit Verstand und Stil. Aber die sonst häufig zu erblickenden Bar-Hocker oder die im Hintergrund Gespräche führenden Typen, bei denen man sich fragt, warum sie den Eintritt bezahlt haben, gab es hier nicht. Wer im Knaack ist, der ist an diesem Abend (zu Recht) ganz Ohr.

Line Up
Michael Bruchmann (Schlagzeug)
Hans Bäär (Bass, Gitarre, Gesang)
Andreas Hirschmann (Keyboard, Gesang)
Ann-Yi Eötvös (Gesang, Violine)
Dann gibt Hans Bäär eine Einschätzung der Hoelderlin-Musik, die ich nicht ganz teilen kann. „Wenn Ihr findet, dass das alles ja ganz schön melancholisch klingt, dann habt Ihr das nächste Stück noch nicht gehört.“ kündigt er „Come to me" an, ein weiteres Stück vom neuen Album 8. Melancholisch habe ich Hoelderlin weder an diesem Abend, noch in der Vergangenheit empfunden. Und das Drum-lose „Come to me" empfinde ich als etwas nichts sagend und langweilig. Aber ist das Melancholie?


Playlist
Angel
Nice to be real
Streaming
Rare Bird
On the Bridge
Come to me
Caleidoscope
Sun Rays
Forget me now
Schwebebahn
You

Rivers (Akustik-Duo)
Blue Jay Way
Wie soll eine Band, deren vielleicht bestes Stück „Schwebenbahn“ heißt, auch melancholisch sein? Melancholie zieht doch eher runter. Wer soll da schweben? Und nicht zuletzt bei der „Schwebenbahn“ darf Andreas Hirschmann alle Register ziehen. Nach einem weiteren Stück des neuen Albums verlassen Hoelderlin die Bühne. Zurück kommen nur Ann-Yi und Hans Bäär, der die Sängerin auf der 12-Saitigen durch „Rivers“ begeleitet. Ann-Y schafft dem Publikum zugewandt ganz vorne auf der Bühne sitzend eine sehr intime Atmosphäre. Sehr sympathisch, aber die Frage, ob ihre Stimme auf Dauer stark genug ist diese Band an der Front zu vertreten, wird eher noch verstärkt.
Zum Abschied gibt es - in voller Besetzung – ein Stück aus der Magical Mystery Tour. Ganz nett. Aber ich hätte lieber noch eins der vielen nicht gespielten Hoelderlin-Stücke gehört: „Häktik Intergaläkitk“, „Phasing“ oder irgendetwas von der New Faces-CD.

Michael, Hans & Co – schön, dass ihr wieder da seid!


Norbert von Fransecky



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