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Bellini, V. (Pidò)

La Sonnambula


Info
Musikrichtung: Oper / Belcanto

VÖ: 21.09.2007

Virgin Classics / EMI (2 CD, DDD (AD: 2006) / Best.nr. 00946 395138 2 6)

Gesamtspielzeit: 130:00

Internet:

Virgin Classics




GROSSE VORBILDER

Wer sich an der kruden Geschichte eines schlafwandelnden Mädchens in einem schweizerischen Bergdorf nicht stört, kann mit Bellinis (1801-1835) "La sonnambula" einen Höhepunkt der Belcanto-Oper genießen. Schier unendlich verströmen sich die melodischen Bögen und Koloraturen. In dieser Einspielung sorgt zudem das energische Dirigat von Evelino Pidò dafür, dass dennoch nicht alles zu einem romantischen, undramatischen Einheitsbrei verschwimmt. Dem wirkt zusätzlich auch das sehr transparente Klangbild entgegen.

Dieses Werk ist vor allem ein echtes Primadonnenstück. Die Rolle der Amina blieb in der Operngeschichte dann auch den ganz Großen des Fachs vorbehalten: In ihr brillierten u.a. die Malibran, Maria Callas und Joan Sutherland. In unserer Zeit vermochte in der Partie Edita Gruberova zu überzeugen. Angesichts solcher Rollenvorbilder gehört neben sängerischem Talent also durchaus Mut dazu, sich an die Amina zu wagen. Natalie Dessay hat beides - Talent und Mut. Berückend schön gelingen ihr vor allem die dynamischen Abstufungen, mit denen sie die Figur aus dem reinen Koloraturfach herausholt und die Rolle facetten- und abwechslunsgreich zu gestalten versteht. Zudem zeigt sie sich bis in die schwindelerregenden Höhen der Partie vollkommen intonationssicher. Allerdings, und das lässt sie gegenüber der Reihe der erwähnten Vorbilder zurücktreten, fehlt ihr in den Koloraturen der notwendige Schmelz. Hier wird ihre Stimme oft metallisch, was bei dem ihr zu Gebote stehenden Stimmvolumen dazu führt, dass Amina - eigentlich eine romantische, leicht verwirrt wirkende Frauenfigur, die nicht ganz von dieser Welt ist - einen ihr nicht angemessenen Zug ins Energische, Kraftvolle bekommt. Diese Amina ist daher eher eine der Jetzt-Zeit, nicht aber eine solche der Belcanto-Ära.

Aminas Geliebten Elvino gibt Francesco Meli mit angenehm warmer Tenorstimme und ohne zu forcieren. Mit Jael Azzaretti und Sara Mingardo sind zudem die Rollen der Teresa und Lisa mehr als adäquat besetzt.

Herausgekommen ist insgesamt eine dramatisch zugekräftige, modern aufgefasste Version von La sonnambula, die jeden Opernfreund fesseln wird, aber nicht im Sinne eines non plus ultra überzeugen kann.



Sven Kerkhoff



Besetzung

Amina: Natalie Dessay
Elvino: Francesco Meli
Il conte Rodolfo: Carlo Colombara
Teresa: Sara Mingardo
Lisa: Jael Azzaretti
Alessio: Paul Gay
Un notaro: Gordon Gietz

Chor und Orchester der Opéra de Lyon

Ltg. Evelino Pidò



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