Destiny’s End

Breathe Deep The Dark

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Horacio Colmenares, Gitarrist und Bandkopf von New Eden, scheint zumindest in früheren Zeiten ein etwas schwieriger Zeitgenosse gewesen zu sein. Diesen Eindruck konnte man in den Neunzigern in diversen Interviews mit ehemaligen Bandmitgliedern gewinnen, und dass ihm 1997 noch vor den Aufnahmen zum Debütalbum Through The Make Believe drei Fünftel der Band abhanden kamen, paßt diesbezüglich auch ins Bild. Dieses Trio, nämlich Gitarrist Dan DeLucie, Bassist Nardo Andi und Drummer Brian Craig, gründete daraufhin Destiny’s End, holte Perry Grayson als zweiten Gitarristen an Bord und schaffte es zudem, James Rivera für das Gesangsmikrofon zu verpflichten, der gerade mal wieder hatte einsehen müssen, dass Helstar nicht wiederzubeleben waren, und der kurioserweise ein Jahr später für New Eden ein Demo einsang, aber offenkundig auch schnell merkte, dass es schwierig ist, mit Colmenares zu arbeiten. So blieb er letztlich bei Destiny’s End und sang auf beiden Alben, die diese Formation herausbrachte.
Deren erstes erschien 1998 bei Metal Blade, trug den Titel Breathe Deep The Dark und reihte sich stilistisch eigentlich prima in die im Vorjahr von HammerFall losgetretene neue Traditionsmetalwelle ein, wenngleich nur im Grundsatz, dass hier eben traditionsmetallisch orientierte, das Wort „Melodie“ buchstabieren könnende Instrumentalisten und ein hoher bis sehr hoher, ebenfalls melodiehaltefähiger Sänger beisammen waren. Ansonsten hörte man Destiny’s End ihre US-Herkunft deutlich an, spielten sie doch leichtfüßigen, wendungsreichen und mit ein paar progressiven Anleihen ausgestalteten Metal, wie man ihn seit den 80ern mit dem Terminus US-Metal zu titulieren pflegte. Auch das Stilmittel, die Gesangslinien scheinbar etwas unabhängig vom instrumentalen Unterbau zu positionieren, so dass sich nicht immer auf den ersten Höreindruck hin ein Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen Gesang und Instrumentalisten einstellt, findet sich wie bei diversen anderen US-Metal-Bands auch bei Destiny’s End, die zudem hier und da durchaus avantgardistisch anmutende Harmonien einsetzen, wie man in „Idle City“ schön nachvollziehen kann, das in diesem Punkt ein wenig an Fates Warning zu No Exit-Zeiten erinnert. Aber auch speedige Melodiemonster finden sich, die den Eindruck einer beschleunigten Variante von Iron Maiden hinterlassen und wie man sie zur gleichen Zeit beispielsweise von Steel Prophet zu hören bekam. Gleich der Opener „Rebirth“ etwa fällt in diese Kategorie, wobei die Melodik Steel Prophets im Direktvergleich noch etwas europäischer wirkte, während wir von Destiny’s End stärker die erwähnte abstraktere amerikanische Variante zu hören bekommen. Mit dem folgenden, temposeitig sehr abwechslungsreichen Titeltrack macht das Quintett sozusagen gleich in den ersten beiden Tracks die beiden grundsätzlichen Eckpfeiler seines Stils klar, und dabei bleibt es dann auch die gesamten knapp 50 Minuten. Einzig „Unsolved World“ fällt mit seiner ziemlich geradlinigen Anlage noch ein wenig aus dem Rahmen, wobei das nicht daran liegt, dass es sich hier um die Umarbeitung eines hauptsächlich von Bassist Nardo erdachten New-Eden-Demotracks handelt, der dort noch „Cold New World“ hieß – schließlich gehörten auch New Eden durchaus zu den nicht eben nur stumpf geradeaus vor sich hin klöppelnden Metalcombos, und das, was man auf Alben wie Obscure Master Plan oder eben Through The Make Believe hören kann, liegt stilistisch gar nicht so weit vom Gros des Materials auf Breathe Deep The Dark entfernt. Witzigerweise sind auch „Sinister Deity“ (früher „The Hunger“) und „Under Destruction’s Thumb“ alte New-Eden-Songs, die das abtrünnige Trio sozusagen mitgenommen hat, und so verwundert die grundsätzliche Ähnlichkeit nicht. „The Obscure“ hingegen hat trotz seines Titels keine New-Eden-Vergangenheit, sondern wurde von Grayson aus der „Konkursmasse“ seines vorherigen Projektes Stormhaven, das nie einen Gig spielte und auch nie etwas auch nur halbwegs Offizielles aufnahm, zu Destiny’s End transferiert, wobei es sich problemlos ins große Stilfenster einfügt. Auch bei „Clutching At Straws“ handelt es sich um eine Eigenkomposition, in dem Falle von Dan DeLucie, und nicht um eine Marillion-Coverversion (was auch gar nicht ginge, weil das so benannte letzte Marillion-Studiowerk mit Fish am Mikrofon keinen Titeltrack besaß), obwohl man es durchaus für eine metallisierte solche halten könnte. In den Liner Notes des Re-Releases bekennt Grayson, dass er mit dem Sound dieser Nummer in den Doppellead-Passagen nicht glücklich ist – diese Passagen muten in der Tat ein wenig dünn an, aber die damit einhergehende Luftigkeit verleiht ihnen wiederum einen ganz speziellen Touch. Auch ansonsten geht Grayson in seinen Begleittexten zwar sehr informativ zu Werke, aber auch sehr emotional, und so bekennt er offen, dass er „Unsolved World“ als nicht so richtig auf die Platte passend, da ihren Standard nicht halten könnend, ansieht. Ob Jolly Roger bewußt ihn um die Liner Notes gebeten haben, da er als einziger keine New-Eden-Vergangenheit hat und daher bei den internen Konflikten außen vor und neutral bleiben konnte, kann ohne Hintergrundwissen nicht entschieden werden, zumal er dann auf der zweiten Destiny’s-End-CD Transition gar nicht mehr dabei war. Dass Horacio Colmenares in den ellenlangen Thankslisten nirgends vorkommt, wird jedenfalls kein Zufall sein, auch wenn man als Fan dieses Stils eigentlich für den Bruch bei New Eden dankbar sein müßte, da mit diesem gleich zwei Bands entstanden sind, die interessante Tonzeugnisse in diesem Stil veröffentlicht haben.
Jedenfalls kann man Breathe Deep The Dark, wenn man auf klassischen US-Metal steht, ohne Bedenken seiner Sammlung zuschanzen und sollte sich weder vom Albumtitel noch vom düsteren Cover, die beide eher eine Gothic-Metal-Scheibe nahegelegt hätten, abschrecken lassen. Einzig „Where Do We Go?“ rauscht etwas durch, wohingegen zumindest der Rezensent im Gegensatz zu Grayson mit „Unsolved World“ durchaus etwas anfangen kann. Mit dem bereits erwähnten „The Obscure“ schloß ein geschickt zwischen powernden Tempopassagen und düsteren Halbakustikelementen pendelndes Epos die Originalpressung ab, der Re-Release enthält mit „Thief Of Life“ noch einen Bonustrack, der original als Bonus für einen Japan-Release gedacht war, welcher dann aber nie erschien, so dass Breathe Deep The Dark im Land der aufgehenden Sonne nur als Import erhältlich war. Hier überraschen im Refrain die extrem raumgreifenden tiefen Saiteninstrumente, was man sonst in dieser Form auf der ganzen Scheibe nicht hört, während die Grundanlage des Songs problemlos zum Rest des Albums paßt und dieses sinnvoll ergänzt, zumal die Nummer zwar weiland oft live gespielt, aber auch nie anderweitig veröffentlicht wurde und nun endlich das Licht der Welt erblickt. Ob man nur wegen ihr das Album nochmal kaufen muß, wenn man das Original schon besitzt, muß wie immer jeder mit seinem Geldbeutel ausmachen. Auf dem ebenfalls erhältlichen LP-Re-Release ist der Bonustrack auch vorhanden – wer also LPs sammelt, kann gleich das volle Programm abfassen, denn 1998 war das Album nur auf CD (und interessanterweise auch noch als MC) erschienen. Als US-Metal-Anhänger macht man mit Breathe Deep The Dark jedenfalls nichts falsch, als New-Eden-Anhänger sowieso nicht (es sei denn, man lehnt aus Prinzip alle Projekte von Ex-Colmenares-Mitstreitern ab) und als Helstar-Anhänger auch nicht, wenn man akzeptieren kann, dass Rivera hier nicht durchgängig sehr hoch singt. Das Booklet verdeutlicht noch in einer weiteren Komponente, dass hier Anhänger der alten Schule am Werk sind: Nicht nur, dass Grayson in seinen Liner Notes oft erwähnt, wer welchen Part spielt – auch in den Lyrics finden sich Einschübe mit Infos, welcher der Gitarristen an welcher Stelle soliert. Auch die Lyrics werden jeweils einzelnen Autoren zugewiesen, und Grayson widmet seine jeweils auch noch bestimmten seiner Inspirationsquellen. Platz für die Lyrics des Bonustracks war letztlich aber keiner mehr ...


Roland Ludwig


| Trackliste |
| 1 | Rebirth | 3:56 |
| 2 | Breathe Deep The Dark | 6:00 |
| 3 | To Be Immortal | 3:28 |
| 4 | Idle City | 1:56 |
| 5 | The Fortress Unvanquishable | 3:28 |
| 6 | Sinister Deity | 3:50 |
| 7 | Unsolved World | 4:55 |
| 8 | Under Destruction’s Thumb | 4:24 |
| 9 | Clutching At Straws | 4:34 |
| 10 | Where Do We Go? | 3:25 |
| 11 | The Obscure | 5:18 |
| 12 | Thief Of Life | 3:44 |
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| Besetzung |
 James Rivera (Voc)
Dan DeLucie (Git)
Perry Grayson (Git)
Nardo Andi (B)
Brian Craig (Dr)

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