Till Brönner

Italia

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Mittlerweile scheint es wohl so, dass sich an Till Brönner die "Geister scheiden". Der 1971 geborene Jazztrompeter/Flügelhornist ist nicht unbedingt mehr im einst angestammten Bereich des Jazz unterwegs, ich erinnere mich an das erste Album aus 1993, "Generations Of Jazz", aber auch 2006 konnte ich noch eine schöne Jazzinterpretation des Klassikers "Bumpin'" hören, doch nach und nach zogen auch andere Elemente und Genres Einzug in seine Musik.
So stellte ich zuletzt im Jahre 2016 das Album The Good Life vor, eingespielt mit einer All-Star-Band. So hatte ich die Musik als "Jazz um Mitternacht" betitelt und gleichzeitig angemerkt, dass Brönner mit jenem Album möglicherweise polarisieren werde, für die Einen Entspannung, für die Anderen gähnende Langeweile.
Egal, hochwertig und von sehr guter Qualität ist die Musik des Albums unbestritten, und so verhält es sich auch mit dem aktuellen Album Italia. "Music for peaceful moments", so der Sticker auf "The Good Life", und auf Italia verkündet der Sticker: "Manche Alben entstehen aus einem Gefühl. Dieses hier aus purer LIEBE!"
Beim Durchlesen der Angaben zu den vierzehn Songs wird man bekannte Namen der Komponisten erblicken, wie Paolo Conte, Lucio Battisti oder Ennio Morricone, neben anderen italienischen Künstlern. Nur "Cosa Vuoi" stammt von Brönner selbst. (Music & Lyrics) "Lyrics", ja, genau, der Protagonist singt auch hier wieder, und zwar auf den Tracks 2, 9 und 13. Ansonsten, und das bitte ich der Tracklist zu entnehmen, gibt es bei einigen Songs Gastsänger*innen, die die italienische Stimmung verstärken. Allerdings treibt es die Stimmung auch nach Südamerika, denn "Parole Parole" , gesungen von Chiara Civello, schwingt elegant in einer lasziv-brasilianischen Umgebung. Das ist einer meiner liebsten Songs des Albums, hier werden Eleganz, Harmonie und Emotionen geschickt zusammengefügt durch den Gesang, das Bläserarrangement, und mit dem elastischen Bass-Spiel von Christian Von Kaphengst. Dann, bei Minute 3:42, erhebt sich Brönner zu einem Solo mit dem Flügelhorn und es swingt, leider bald ausgeblendet. Das durfte einfach nicht geschehen in diesem Moment, klarer "Schönheitsfehler"!!!
Wie ich bereits früher bemerkte, bin ich kein Freund der Gesangsbeiträge des Musikers, weil sie nicht überzeugend sind, sollte der "Schuster doch bei seinen Leisten bleiben"! Nichtsdestotrotz kommt "Cosa Vuoi" ganz locker und entspannt, sicher kein Höhepunkt der Scheibe, aber....
Dafür fallen mir jedoch andere Songs eher positiv auf. Die Einleitung "Estate" passt in die "Rubrik Jazz um Mitternacht" perfekt, sehr geschmeidig und elegant. "Amarsi Un Po'" ist ein echt starker Song im Fusion-Format", recht cool, der zurückgenommene Einsatz des Flügelhorns, der prägnante Basslauf und die federnde Unterstützung durch den Drummer Teppo Makynen.
"Il Trucido e lo Sbirro" aus dem Film "Dirty Gang" kommt als Interpretion von Filmmusik recht glaubhaft zur Geltung, und auch "La Donna Invisible" von Morricone strahlt eine angenehme Atmosphäre aus, auch hier wieder bestimmt von einem Latin-Feeling. Der Version des Klassikers "Quando, Quando, Quando" kann ich in dieser Interpretation jedoch nicht viel abgewinnen, man hat ihn ganz anders im Gedächtnis, und er dürfte auf Italia gern fehlen. Als schade empfinde ich auch unter all den Songs, dass ausgerechnet für "In Alto Mare" Programming benutzt wurde, leider fällt es stark auf und raubt dem Song ein wenig von seinem Glanz.
Dafür kann ich als positiv den Anstrich von dezentem Funk bei "L'Unica Chance" betonen, ein Hauch Afrika und Karibik schwingt mit und das Trompetensolo ist über dem perkussiven Rhythmus gut platziert und signalisiert eine Zeit, als solche Songs im Funk-Format in den Siebzigern, vorwiegend auf dem Label CTI, vorgelegt wurden.
Ja, und bald ist es vorbei, Zeit, Abschied zu nehmen, ganz zart und feinfühlig mit "Arrividerci" von Umberto Bindi. Mit einem melancholischen Anstrich präsentieren Brönner und Pianist Lussu meinen zweiten Lieblingstitel des Albums. Vielleicht steht dieser schöne Song auch in Verbindung mit der Autobiografie des Musikers, verbrachte er doch seine Kindheit in Rom, wie er selbst ausführte, "eine Phase in seinem Leben, die ihn sehr geprägt habe".
Aber - ich hätte gern wieder einmal eine reine Jazz-Platte des Protagonisten gehört...., und ich denke, er sollte über entsprechende Kontakte verfügen, um sich grossartige Begleiter*innen zur Seite zu stellen....


Wolfgang Giese


| Trackliste |
1 Estate
2 Viva la felicità
3 Amarsi un po'
4 Via Con Me, feat. Mario Biondi
5 Il Trucido e lo Sbirro
6 La Donna Invisibile
7 Quando, Quando, Quando, feat. Giovanni Zarella
8 Parole Parole, feat. Chiara Civello
9 Cosa Vuoi
10 Travolti di un Insolito destino nell' azzurro Mare d'Agosto
11 In Alto Mare, feat. Mandy Capristo
12 L'Unica Chance, feat. Sera Kalo
13 L'Appuntamento
14 Arrivederci
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| Besetzung |
 Till Brönner (flugelhorn, vocals, brass, background vocals, synths, trumpet)
Pietro Lussu (piano, electric piano)
Bruno Müller (guitar)
Armeen Saleem (double bass)
Teppo Makynen (drums)
Gabriel Prado (percussion, background vocals)
Roberto DeGioia (piano, synths, keyboards, electric piano, background vocals, electric bass, mellotron)
Christian Van Kaphengst (double bass)
Katrin Mickiewicz (background vocals)
Magnus Lindgren (reeds & woodwinds, flutes, tenor sax)
Nicola Conte (guitar)
Arne Schumann (programming)
Alberto Parmegiani (guitar)

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