Homoki und Schoots rocken Jesus Christ zum Superstar![]()
Der äußere Rahmen der Inszenierung Eine Oper, die nur wenig mehr als 50 Jahre alt ist, stellt im Repertoire der Opernhäuser der Welt eine Ausnahme dar. Die von Tim Rice (Text) und Andrew Lloyd Webber (Musik) erschaffene Rock-Oper Jesus Christ Superstar ist eine solche Ausnahme und sie wird unter der Leitung von Andreas Homoki (Inszenierung) und Koen Schoots (musikalische Leitung) an der Komischen Oper Berlin im Herbst 2025 in Szene gesetzt. Dabei müssen die beiden sich mit zwei Vorlagen auseinandersetzen. 1970 erschien die Rock-Oper als Doppel-LP, mit Murray Head (Judas), Deep Purple-Sänger Ian Gillan (Jesus) und Yvonne Elliman (Maria Magdalena) in den Hauptrollen. Die LP war die Vorlage für die szenische Umsetzung, die ein Jahr später am Broadway Premiere hatte. 1973 erschien dann der Film Jesus Christ Superstar. Seit Monaten wird das Stammhaus der Komischen Oper renoviert, umgebaut und modernisiert, so dass sie nun schon in der dritten Saison auf andere Spielstätten ausweichen muss. Aber so etwas kann auch eine Chance sein. Neben der aktuellen Hauptspielstätte, dem Schillertheater in Charlottenburg, wurde die Saison in diesem Jahr bereits zum dritten Mal im Hangar 4 des Flughafen Tempelhof eröffnet. Nach Das Floss der Medusa (2023) und Händels Messias (2024) ist 2025 die Rock-Oper Jesus Christ Superstar am Start. Die Location wirkt erst mal wie eine mittlerweile übliche Rock-Arena. Von der Bühne aus führt ein breiter Steg zu einem runden Podest in der Mitte der Halle. Um den Steg und das Rondell herum ist Platz für das Publikum im Innenraum. Dazu kommen die Sitzplätze auf den Tribünen an drei Seiten der Halle.
Im Hangar 4 gibt es zwei deutliche Unterschiede zu anderen Rockbühnen. Zum einen befindet sich die Band deutlich über dem Bühnenniveau. Eine breite Treppe führt von ihr zum dem Steg hinunter, der dann zu dem Rondell in der Mitte führt. Zum anderen ist der Innenraum für das zahlende Publikum tabu. Er ist den „350 Superstars“ vorbehalten, die Teil der Inszenierung sind. Die „Superstars“ sind auch so ziemlich die einzigen „Requisiten“, die Homoki nutzt. Das entspricht der Film-Version. Hier der nackte Steg, das Rondell und die Treppe zur Band; dort Wüste, ein paar Ruinen und ein Baugerüst, auf dem die Priester auftreten. Eine weitere Parallele: In der Schlussphase, in der nach dem Tod von Jesus ruhige Instrumentalmusik erklingt, sieht man im Film Darsteller, die ihre Kostüme ausziehen, ihre Sachen zusammenpacken und sie in die Busse laden, mit denen sie zum Drehort gekommen waren. Im Hangar 4 legten u.a. die Priester ihre Masken ab und Pilatus befreite sich von seinem goldenen Zylinder. Auf provokative Innovationen, die die Kulturszene bei Neu-Inszenierungen oft prägen, verzichten Homoki und Schoots weitgehend. Sie fahren sie eher zurück. Moderne Waffentechnik, wie die Maschinengewehre und Panzer, die im Film auftauchen, gibt es im Hangar 4 nicht.
Die Jesus Christ Superstar-Fans konnten sich auch im Blick auf die Musik entspannt zurücklehnen und eine Rockoper genießen, die sich in Text und Musik fast sklavisch an die Vorgabe der LP hält. Von den beiden Stücken, die im Film aber nicht in der ursprünglichen Oper enthalten sind, wurde „Could we start again please?“ mit in die Inszenierung übernommen. Die Aufführung am 28. September 2025 Was bei vielen Rock-Album einfach nur Ouvertüre heißt, ist bei Jesus Christ Superstar auch eine. Während die wichtigsten musikalischen Themen der Oper instrumental angerissen werden stürmen die „350 Superstars“ begleitet von einer wilden Lightshow in den Innenraum und umrunden ausgelassen tanzend die Bühne. Dort bleiben sie auch fast die ganze Zeit – und verhalten sich zum Teil wie ein echtes Rockpublikum; u.a. in den Szenen, in denen sie Jesus zu Beginn mit einem „Hosianna“ hochleben lassen, oder ihn zum Ende mit einem „Crucify“ dem Henker ausliefern. In ruhigeren Momenten sitzen oder liegen sie auf dem Boden. Gelegentlich kommen Akteure von der Bühne herunter. Dann dient ihnen die Menge oder einzelne „Superstars“ als Partner. Der Beginn der eigentlichen Handlung ist deutlich an den Film angelehnt. Dort tritt Judas auf einem Bergrücken oberhalb der jubilierenden Jünger auf. Hier beginnt sein Auftritt am oberen Ende der Treppe, die von der Band zur Bühne führt. Sasha di Capri schleudert Jesus seine Kritik an dessen Auftreten, das er für brandgefährlich hält, aggressiv entgegen. Dabei entgeht er der Gefahr zu überziehen gelegentlich nicht ganz. Das wird sich im Laufe des Abends wiederholen. Schoots und Homoki inszenieren die Rock-Oper wie ein inszeniertes Rock-Konzert. Und der typische Verlauf eines Rock-Konzertes, das erst einmal distanziert beginnt, bis die Band auf Betriebstemperatur gekommen ist, um das Konzert dann gemeinsam mit dem Publikum zu performen, findet sich auch hier. Der Knoten platzt beim ersten Auftritt der Priester. Auch die weiteren Priester-Szenen gehörten zu den Höhepunkten des Abends. Michael Negro (Hannas) und Daniel Dodd-Ellis (Kaiphas) singen ihre Rollen nicht nur. Sie leben sie. Der schmeichlerisch devote Hannas schürt den Hass auf Jesus unterwürfig, während Kaiphas kühl abwiegend entscheidet, dass nur der Tod Jesu eine „permanent Solution“ ist. Ab diesem Moment folgt man der Handlung nicht mehr distanziert beobachtend, sondern wie in einem spannenden Film oder eben einem Rock-Konzert atmosphärisch gefangen.
Für die Oper wurden Rock-Stimmen und keine klassischen OpernsängerInnen gecastet. Nicht zuletzt das dürfte den oben genannten Effekt ermöglicht haben. Einzige kleine Ausnahme war Alexander Franzen (Herodes). Das aber hatte einen besonderen Hintergrund. Der etatmäßige Herodes war am Vorabend bei der Rückfahrt vom Auftritt mit dem Fahrrad verunglückt. Franzen wurde kurzfristig aus München eingeflogen, um einzuspringen. An einigen Stellen hat Homoki in seiner Inszenierung leichte Verschiebungen vorgenommen. So wirken die in schwarz gekleideten Priester und Priesterinnen(!) in ihrer Mischung zwischen Leder- und Reizwäsche etwas mehr wie Fetisch-Addicts. Der Tuntenball um Herodes herum wird dagegen zu einer Art Pippi Langstrumpf Kindergeburtstag. Die deutlichste Veränderung geschieht bei der Darstellung des Jesus. Ich war immer schon geneigt den Titel der Oper in Judas Ischariot Superstar abzuwandeln. In der Rice/Webber-Inszenierung tritt Judas in seinen Motiven, seinen Zielen und seinem Handeln gut nachvollziehbar und klar heraus, während Jesus unsicher, von den Ereignissen getrieben und leicht verwirrt erscheint – ein Opfer, das zwischen den Intrigen der Priester, den Ansprüchen seines (enttäuschten) Anhangs und den Plänen Gottes zerrieben wird.
Ganz anders agiert John Arthur Greene in der Rolle des Jesus. Er ist souverän, klar und bestimmt. Er scheint zu wissen, was er will, was er soll und dass er hier die entscheidenden Nummer. Auch stimmlich überragt er alles. Schön wäre es gewesen, hätte man dem Rock-Konzert-Charakter der Oper noch etwas mehr Raum gegeben. An mehreren Punkte hätte ich mir gewünscht, dass man die Band für einen Moment von der Leine gelassen, die Spots auf die gerichtet hätte, um sie richtig abrocken zu lassen. Ob das Publikum das honoriert hätte, ist ein Frage zu sich. Bei den Zugaben tanzten die Ensemblemitglieder die Gänge zwischen den Publikumsblöcken empor und versuchten das Publikum zum mitmachen zu animieren. Das aber hatte zu 90 Prozent offensichtlich Blei in der Hose. Bei dem Aufwand der Inszenierung ist es wohl unwahrscheinlich, dass Jesus Christ Superstar in absehbarer Zeit wieder auf dem Programm der Komischen Oper stehen wird. Wünschenswert wäre es! Norbert von Fransecky ![]() |
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