Stormwind

Burning Wheels


Info
Musikrichtung: Metal

VÖ: 22.06.2018

(Karthago Records / Soulfood)

Gesamtspielzeit: 52:56

Internet:

http://www.karthagorecords.de
http://www.puresteel-shop.com


Wir erinnern uns: Auf dem Karthago-Re-Release des einzigen regulären Stormwind-Albums Taken By Storm fanden sich fünf Bonustracks, darunter aber nicht die Aufnahmen der im September 1985, nur ein halbes Jahr nach dem Album, erschienenen Warbringer-EP. Wer diese Sammlungslücke schließen möchte und das originale Vinyl nicht besitzt, der hat nun hier die Gelegenheit, allerdings in ungeahntem Kontext. Wir erinnern uns abermals: Kurz nach dem Release von Warbringer unterbreiteten die mittlerweile ziemlich erfolgreich gewordenen Proberaumnachbarn Warlock Stormwind-Bandkopf Niko Arvanitis das Angebot, als Gitarrist bei ihnen einzusteigen – allerdings mußte er sich für eine der beiden Bands entscheiden. So verließ er schweren Herzens „seine“ Stormwind, die ohne ihn zwar noch in verschiedenen Konstellationen einige Demoaufnahmen tätigten, aber auf keinen grünen Zweig mehr kamen und letztlich ihre Aktivitäten einstellten. Noch bevor das Warlock-Angebot kam, war Arvanitis allerdings mit Stormwind nochmals im Studio gewesen. Zum einen entstand dort eine dritte Fassung von „She-Devil“ (zuvor gab es eine frühe Demofassung, und der Song landete als Neueinspielung dann auch auf Taken By Storm), die auf einem Sampler der Rockfabrik Ludwigsburg erscheinen sollte, der dann allerdings nie realisiert wurde. Zum anderen aber spielte die Band neun Songs in Rohfassungen für ihr zweites Album ein, das sie dann um den Jahreswechsel 1985/86 herum regulär aufzunehmen gedachten – dazu aber kam es aufgrund des Ausstiegs von Arvanitis und auch seines Gitarrenkompagnons Wolla Böhm, der zu Darxon wechselte, nicht mehr. So verschwanden die Aufnahmen in den Archiven, und erst im neuen Jahrtausend machte sich Arvanitis daran, die noch fehlenden Leadgitarrenparts einzuspielen und die Songs fertigzustellen. Aber auch in diesem Zustand verharrten die Songs noch anderthalb Jahrzehnte im Dunkel, bis sie im Zuge des Re-Releases des ersten Albums wieder ans Tageslicht geholt wurden und die Entscheidung fiel, sie nicht als Bonustracks aufs Debüt zu packen, sondern als eigenständiges zweites Album zu veröffentlichen, so wie das in den Achtzigern eigentlich mal geplant gewesen war.
Da die Songgrundlagen aber eigentlich nur zu Demozwecken gedacht waren, muß man ins Kalkül ziehen, dass nicht alles so ausgefeilt wurde, wie das bei einer „richtigen“ Aufnahme erfolgt wäre. Das merkt man besonders an Klaus Lemms Gesang, der beispielsweise im Titeltrack nicht so wirkt, als ob er schon genau auf den instrumentalen Unterbau zugeschnitten worden sei. Auch legt der Sänger nicht die Höhen vor, die er auf dem Debüt teilweise gepflegt hatte und wo er eine ähnliche Stimmfarbe aufwies wie Udo Dirkschneider – möglicherweise aber hat er sich auch bewußt aus diesen Lagen wegbewegt, um den dauernden Vergleichen mit dem damals noch bei Accept aktiven Dirkschneider zu entkommen: In den etwas tieferen, aber auch in den unkreischigeren höheren Lagen liegt deutlich mehr Abstand zwischen den beiden Stimmen. Instrumental fällt auf, dass Stormwind die rhythmische Komplexität geringfügig erhöht haben, so dass mit „Always Up“ gleich ein diesbezüglich recht abwechslungsreicher Song am Anfang steht und das geschickt zwischen Akustik- und Elektrikparts pendelnde „To Tame A Land“ (kein Iron-Maiden-Cover natürlich) diesbezüglich die Spitze markiert. Aber auch geradlinig galoppierende Nummern wie „Helpless“ oder das speedige „Angel Or Witch“ wissen zu überzeugen, wohingegen der eine oder andere Stampfer in dieser Form einen etwas zu unentschlossenen Eindruck hinterläßt, was aber bei einer „richtigen“ Aufnahme möglicherweise noch anders ausgesehen hätte. Das trifft übrigens auch auf „Stay Hard“ zu, von dem Arvanitis letztlich einige Ideen mit zu Warlock genommen hat, woraus dann der True As Steel-Titeltrack entstand – Analoges gilt für „We Will Rock“, aus dem bei Warlock „Fight For Rock“ entstand, wobei das Original aber im Direktvergleich gar nicht so schlecht abschneidet. Dass Arvanitis die Leadgitarren für die neun Songs erst viele Jahre später eingespielt hat, hört man in puncto Homogenität des Materials nicht heraus, aber er wird natürlich die gesteigerten Erfahrungen einfließen lassen haben. Was das Original auch noch nicht enthielt, waren Keyboards, Backingvocals, Soundeffekte etc. – die gibt es allerdings auch jetzt nicht, was metallische Puristen definitiv erfreuen wird. Das schließt freilich nicht aus, dass Arvanitis mal einen etwas eigentümlicheren Gitarrensound gewählt hat, was er z.B. in der abschließenden Ballade „Lost Years“ tat, ihr damit aber einen Touch in Richtung Black Sabbath der Dio-Ära verlieh, was einen abermaligen reizvollen Farbtupfer darstellt.
Die nächsten drei Songs sind dann die der Warbringer-EP von 1985, eingespielt nicht schon während der Albumsessions, sondern in einer gesonderten Sitzung im Juni (so sagen die Liner Notes im Booklet) oder Juli (so sagt es das Backcover der Original-EP, das hier im Booklet abgebildet ist) 1985, wobei eine frühere Fassung von „Warbringer“ aber auch schon während der Albumsessions aufs Band gebracht worden, dann indes nicht veröffentlicht worden war. Zusammen mit der Fassung vom ersten Demo gibt es von diesem Song also drei Versionen, davon zwei veröffentlichte, und auch „Iron Rock“ stand schon auf dem ersten Demo und kam nun auf der EP nochmal neu, zusammen mit dem bisher nicht konserviert gewesenen „Hot Love“ als Drittem im Bunde. Die Linie gleicht hier eher dem Album, allerdings läßt „Hot Love“ eine Anknüpfungsmöglichkeit in Richtung Haarsprayrock zu, wenngleich der psychotische Soloteil der Nummer nochmal einen ganz anderen Anstrich verleiht. „Iron Rock“ dagegen bietet puren speedigen Metal und „Warbringer“ trotz einiger Effekte ebenfalls recht kerniges Material, das durch Lemms Gesang besser in den Gesamtkontext des Bandschaffens paßt als die noch gasthalber von Joachim „Joe“ Jobski eingesungenen Demofassungen von 1983.
Die letzten beiden Tracks der vorliegenden CD heißen „Come To America“ und „Dark Stallion“ und enthalten den Vermerk „Bonus Tracks Unreleased Songs, Recorded May 2004“. In Arvanitis‘ Liner Notes kommen diese Songtitel nirgendwo vor, also handelt es sich möglicherweise um Nummern, die damals in den Achtzigern zum Liveprogramm gehörten, aber es nie auf Konserve schafften. Der grundsätzliche Stil widerspricht dieser Theorie nicht, aber es dürften nicht wie bei den ersten neun Nummern alte Aufnahmen sein, die Arvanitis jetzt nur komplettiert hat: Lemm bemüht sich, wie 20 Jahre zuvor zu singen, aber man hört unterschwellig durch, dass die Stimme jetzt eben doch 20 Jahre älter ist. Wer sonst noch an den Aufnahmen der beiden Nummern (ein Stampfer, einer an der Speedgrenze) mitgewirkt hat, darüber schweigt sich das sonst recht informative Booklet aus. Die Liner Notes von Arvanitis sind die gleichen wie in Taken By Storm, als weitere Komponente tritt hier aber noch ein Interview mit Ferdinand Köther hinzu, auf dessen Label Wishbone Records die Achtziger-Aufnahmen erschienen waren. Auch hier hat Robert Romagna 2018 behutsam remasternde Hand angelegt und ein gut hörbares Klangbild geschaffen, und nur das Coverartwork glänzt durch eine gewisse Einfallslosigkeit: Der metallene Greifvogel, der schon auf dem Debütcover eine Rolle spielte und auf der EP aufs Backcover verbannt worden war, fällt hier in blaugrünem Rauch verdampfend aufs Bandlogo nieder, er selbst ist blau, das Logo grün und der Albumtitel rot, alles vor schwarzem Hintergrund – das sieht nach einer Photoshop-Anfängerkursarbeit aus. Zum Glück macht das die Musik nicht schlechter – wer das Debüt mochte, wird trotz leichter Veränderungen auch mit diesem Material klarkommen. Nichtsdestotrotz bleiben auch nach dieser Veröffentlichung immer noch editorische Wünsche übrig: Neben der erwähnten Zweitfassung von „Warbringer“ aus den Albumsessions und der letzten Neueinspielung von „She-Devil“ sowie den auf Taken By Storm noch nicht veröffentlichten Teilen der 1983er Demoaufnahmen sowie den Demoaufnahmen vom Sommer 1984, den ersten im klassischen Line-up, wäre da noch das Flash-Demo von 1986, an dem immerhin drei Fünftel der klassischen Besetzung noch mitgewirkt haben, auch wenn es nicht mehr unter dem Bandnamen Stormwind, sondern gleichfalls als Flash erschien. Aber vielleicht ist da später mal noch was geplant, z.B. in der „Heavy Metal Demo Classics“-Serie des Karthago-Labels?



Roland Ludwig



Trackliste
1Always Up3:42
2 Angel Or Witch3:58
3 No Time For A Loser4:12
4 Stay Hard3:55
5 Burning Wheels3:11
6 To Tame A Land3:34
7 Helpless3:37
8 We Will Rock3:04
9 Lost Years4:51
10 Warbringer (85)4:13
11 Hot Love (85)4:38
12 Iron Rock (85)2:48
13 Come To America3:43
14 Dark Stallion3:21
Besetzung

Klaus Lemm (Voc)
Niko Arvanitis (Git)
Wolla Böhm (Git)
Rudy Kay (B)
Olly Kliem (Dr)





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