HammerFall

Dominion


Info
Musikrichtung: Metal

VÖ: 16.08.2019

(Napalm)

Gesamtspielzeit: 50:36

Internet:

http://www.hammerfall.net
http://www.napalmrecords.com


Kein Labelwechsel diesmal und auch kein Personalwechsel – HammerFall scheinen gegenüber den für ihre Verhältnisse umfangreichen Änderungen zwischen (r)Evolution (2014) und Built To Last (2016) wieder in die gewohnt stabilen Gleise zurückgefunden zu haben. Aber ein genauerer Blick auf letzteren Aspekt lohnt sich: Drum-Neuzugang David Wallin hatte die Band kurz nach den Aufnahmen zum Albumvorgänger verlassen, aber das lag in familiären Angelegenheiten begründet und nicht etwa in innerbandlichem Zwist, wie es ihn mit seinem Vorgänger Anders Johansson gegeben hatte. Wallins Ersatz Johan Koleberg verließ für seinen HammerFall-Einstieg extra seine Stammband Therion, aber seine Zeit bei den Traditionsmetallern belief sich nicht mal auf ein Jahr, dann wurde auch er ersetzt – und zwar durch seinen Vorgänger Wallin. Keine Ahnung, wie das konkret gelaufen ist und ob er vielleicht von vornherein nur als Aushilfe engagiert worden war; eifrige Verfolger des metallischen Gossip können vielleicht mehr dazu sagen.
Jedenfalls ist auf Dominion nun wieder die gleiche Mannschaft vereint, die auch schon Built To Last eingespielt und es fertiggebracht hatte, dieser Scheibe wieder etwas mehr von der Frische zu injizieren, die das legendäre Debütalbum Glory To The Brave zwei Dekaden vorher zum lautstarken Weckruf für ein ganzes Genre werden ließ und seither nicht nur beim Rezensenten enorm hoch im Kurs steht – besagte Frische war im Laufe der Karriere weitgehend verlorengegangen und hatte verschiedenen Formen der Routine und der Versuche, dieser zu begegnen, Platz gemacht. „Never Forgive, Never Forget“, der Opener von Dominion, läßt nun vermuten, dass der Frischeaspekt auch auf dem Albumneuling zumindest in gewisser Weise konserviert werden konnte: Ein verträumtes Gitarrenintro erinnert in bestem Sinne an die Einleitung zu VIPs Maasta Olet Tullut-Meisterwerk (ohne dass zwingend davon auszugehen ist, dass die HammerFall-Kreativköpfe Oscar Dronjak und Joacim Cans diese Scheibe kennen), dann legt Wallin in begeisternd-lockerer Weise am Schlagzeug los, und auch den Riffwechsel aus dem Intro in die erste Strophe hat man nach ein paar Durchläufen verstanden. Cans‘ Gesang weiß in der Strophe gleichfalls zu überzeugen – aber dann kommt der Refrain: Wer auch immer die Idee hatte, einen kämpferischen Durchhaltesong beschriebenen mitreißenden Charakters mit einem derart kraftlos-langweiligen Refrain zu versehen, muß sich allermindestens einen Sinn für schrägen Humor bescheinigen lassen, und der ist bei HammerFall eigentlich grundlegend fehl am Platze. Da reißt das hochklassige Solo auch nichts mehr heraus: Der Opener entpuppt sich als prall gefüllter Luftballon, den doch ein Nadelstich zum Platzen bringt.
Und unglücklicherweise bleibt „Never Forgive, Never Forget“ auch die einzige Nummer des Albums, in der die alten Speed-Wurzeln so deutlich freigelegt werden – auf dem Vorgänger war die Zahl noch deutlich größer. Zudem werfen etliche der neuen Songs akute Fragen auf. „One Against The World“ etwa stellt eine große schleppende Doublebass-Metalhymne dar, der ein ähnlich großes flottes und locker-flockiges Hauptsolo eingepflanzt wurde – nur passen diese beiden Teile überhaupt nicht zueinander, und der Versuch, im Songfinale Komponenten aus beiden Teilen zu verbinden, wirkt bemüht und geht somit schief. Da ist’s besser, HammerFall konzentrieren sich auf das, was sie richtig gut können: „(We Make) Sweden Rock“, als Hommage an die härtere Musiktradition des eigenen Landes gedacht, aber durchaus auch in Richtung des gleichnamigen Festivals querschaltbar, wurde programmgemäß zu einer geradlinig strukturierten Mitsingnummer, in der die Verharrung vor dem zweiten Refrain nach dem vierten Durchlauf (oder vermutlich auch dem vierten Bier, was der abstinenzlerische Rezensent allerdings nicht getestet hat) nicht mehr stört und das im halben Tempo durchstampfende Solo umfangreiche Möglichkeiten bietet, das Publikum für Ohoho-Chöre einzuspannen. Futter für alle, denen die noch geradlinigere Accept-Midtempokante stärker zusagt, bietet der Titeltrack, während die Ballade „Second To One“ manchen Hörer erstaunt Built To Last wieder hervorkramen lassen wird: Richtig, da stand als letzte Nummer eine namens „Second To None“, für HammerFall-Verhältnisse etwas ungewöhnlich strukturiert und in ihrem Kontext geradezu progressiv, mit Spinett-Solo etwas in Richtung Rising Force schielend. Der Rezensent hat sie allerdings nicht mehr en detail im Ohr und muß also erstmal wieder reinhören, um festzustellen, ob sich hier irgendwelche Themenweiterentwicklungen ergeben oder der neue Titel eher zufällig zustandegekommen sein dürfte. (Kunstpause.) Ergebnis: Keine allzu deutlichen Parallelen – der Fakt, dass „Second To One“ in den Strophen eine Verwandtschaft zum Glory To The Brave-Titeltrack antäuscht, wiegt schwerer.
Addiert man noch das im treibenden Midtempo agierende, mächtige Chor-Schlagworte einwerfende, aber ansonsten eher unauffällige „Testify“, hat man die A-Seite der LP- oder Kassetten-Fassung (letztgenannte scheint es nicht eigenständig zu geben, sondern nur im Rahmen eines auf 1000 Exemplare limitierten Boxsets, das außer der Digipack-CD und der Kassette noch eine Single mit zwei Albumtracks enthält) komplett durch und ist zugleich ein wenig enttäuscht vom bisher für HammerFall-Verhältnisse eher durchschnittlichen Gebotenen und gespannt auf die B-Seite, ob diese noch etwas herausreißen kann. Sechs Songs später ist man klüger: Die Antwort auf die letzte Frage lautet Nein, wenngleich man festhalten muß, dass das Scheitern auf durchaus hohem Niveau stattfindet. Schon „Scars Of A Generation“ an Position 7 agiert mit angezogener Handbremse – Wallin will losrennen, das spürt man, aber er darf das nur im Refrain, während die Strophen so viel Energie anstauen, dass diese nicht mehr abgebaut werden kann. Da holen die wunderbar leichtfüßigen, teils hochmelodischen Soloparts keine Kastanien mehr aus dem Feuer. Die Accept-Schlagseite bedarf Oscar Dronjaks kreativer Beteiligung nicht zwingend, beweist „Dead By Dawn“ – der einzige Song der Scheibe, an dem der letzte verbliebene Bandgründer nicht mitgeschrieben hat, stammt aus der Feder von Cans und Zweitgitarrist Pontus Norgren, stampft gekonnt, aber nicht weiter aufregend durch die Botanik und befleißigt sich wie noch etliche weitere Songs der Scheibe einer mit religiösen bzw. antireligiösen Bildern gespickten Lyrik, die man von HammerFall in dieser Form noch nicht gewohnt war und die ihren Widerhall in einer an pseudobösen Klischees kaum übertreffbaren optischen Gestaltung findet, die diesmal nicht von Haus-und-Hof-Zeichner Andreas Marschall stammt, sondern coverseitig und damit die Gesamtrichtung vorgebend von einem Menschen namens Samwise Didier, der auch bei den Chorgesängen mitgewirkt hat, was er auch schon auf dem Vorgängeralbum getan hatte. Das kurze Gitarrenintro zu „Bloodline“ hat mit „Battleworn“ kurioserweise einen eigenen Titel samt eigenständiger Trackprogrammierung bekommen, während „Bloodline“ selbst mit Geschwindigkeit ganz knapp unter der Speedgrenze und eher geradliniger Verarbeitung einer guten Grundidee zu den stärksten Nummern der Scheibe zählt, selbst wenn man auch hier über den Midtempo-Galoppteil beim ersten Durchlauf noch stolpert, bis man ihn als storyimmanent begriffen hat. „Chain Of Command“ entwickelt eine interessante Leadgitarrenlinie, dürfte live gut funktionieren und führt Cans an die aktuellen Spitzenhöhen seiner Tessitur, ist aber im Gesamtschaffen der Schweden nur irgendwo zweitklassig, was bei ihren bekannten Qualitäten freilich trotzdem bedeutet, dass 99% aller anderen Bands die Nummer mit Kußhand übernommen hätte, da sie in ihrem Repertoire ein Highlight darstellen würde. Das Abschlußepos „And Yet I Smile“ hingegen hinterläßt den Eindruck, als sei es viel größer gedacht gewesen, aber die Band (oder Produzent James Michael) habe letztlich Angst vor der eigenen Courage bekommen und den Song auf fünfeinhalb Minuten eingedampft, die gerade reichen, um zu ahnen, dass das mal richtig groß angelegt gewesen sein könnte. Dass das Hauptthema ganz leicht angefolkt wirkt und ein wenig in Richtung Mithotyn/Falconer schielt, ohne freilich deren Folkfaktor zu erreichen, mag durchaus kein Zufall sein. Für die Stellung dieser mit ein paar Konservenstreichern wirkungsvoll aufgehübschten Nummer im HammerFall-Gesamtschaffenskontext gilt letztlich das Gleiche wie für Dominion als Ganzes: Gemessen an den Möglichkeiten dieser Band ist es ein gutes Album, mehr aber auch nicht – im gesamtmetallischen Kontext rangiert freilich auch dieses Werk wie nahezu das gesamte HammerFall-Schaffen in der Spitzengruppe. Wenn „Never Forgive, Never Forget“ jetzt noch einen richtigen begeisternden Refrain bekommen hätte *träum* ...



Roland Ludwig



Trackliste
1Never Forgive, Never Forget5:31
2 Dominion4:39
3 Testify4:29
4 One Against The World3:53
5 (We Make) Sweden Rock4:15
6 Second To One4:10
7 Scars Of A Generation4:41
8 Dead By Dawn3:59
9 Battleworn0:38
10 Bloodline4:46
11 Chain Of Command4:00
12 And Yet I Smile5:28
Besetzung

Joacim Cans (Voc)
Oscar Dronjak (Git)
Pontus Norgren (Git)
Fredrik Larsson (B)
David Wallin (Dr)



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