Musik an sich


Reviews
Konstantin Wecker

Wut und Zärtlichkeit


Info
Musikrichtung: Liedermacher

VÖ: 16.09.2011

(Sturm & Klang / Alive)

Gesamtspielzeit: 62:54

Internet:

http://www.wecker.de


Während viele Liedermacher aus den 70er und 80er Jahren wenig mehr als Mitleid erregende Schatten ihrer Selbst sind, überrascht Konstantin Wecker mit einer lebendigen und geistreichen Scheibe, die nicht nur passend zum Titel über Gefühl und Power im Überfluss verfügt, sondern sowohl musikalisch, wie von den Texten her ein sehr weites Spektrum abdeckt.

Poetische literarische Stücke stehen neben politischen Agitationsliedern, Comedy-Titeln und Couplets. Meditatives fast Instrumentales steht neben hart gerockte Krachern, die mit nahezu metallischer Attitüde daher kommen. Und immer dabei die streichelnde oder donnernde Stimme, die nichts, aber auch gar nichts von ihrer kraftstrotzenden Männlichkeit verloren hat. Chapeau!

Ein Kabarett-Highlight ist „Die Kanzlerin“, zu dem auch ein Video gezeichnet wurde. Allerdings wirkt die spöttische Liebeserklärung an unsere Staatslenkerin ohne die etwas ungelenk gezeichneten Comic-Bilder deutlich besser. Wie Wecker hier mit der Rhythmik spielt und die Spannung mit leicht verspäteten Einsätzen seigert, ist einfach grandios.
Ähnlich skurril komisch ist das Anti-Banker-Lied „Der Virus“, das sich vom Liedermacher-Song zum veritablen Rocker steigert. Der Schlusschor macht deutlich, dass diese Nummer auch auf großen Rock-Festivals ihren Mann stehen könnte.
Dazu passen die harten Streicher vom folgenden „Empört Euch“, die eher an Apocalyptica erinnern.
Diese Stücke könnten – ähnlich wie das kraftvolle „Absurdistan“ - auch instrumental gut bestehen, was bei Liedermacher-Titeln ja alles andere als selbstverständlich ist.

Liebeslieder, wie „Weil ich Dich liebe“ oder die abschließende Piano Ballade „Tropferl im Meer“ versorgen das Gefühl, das einem bei dem ebenfalls sehr ruhigen „Es geht zu Ende“, das einen im Heim „vergessenen“ alten Herrn beschreibt, schnell im Hals stecken bleibt.

Mittendrin steht der Titelsong Wut und Zärtlichkeit, der von typisch weckerscher Dynamik lebt.

International wird es mit dem teilweise italienisch gesungen „Buona Notte“, dem indianisch klingenden „(Entzündet vom) Weltenbrand“ oder der Empörung von „Empört Euch“, die am Ende in einem guten Dutzend verschiedener Sprachen artikuliert wird.

Zum Abschluss noch einige nahezu geniale Textproben
So formuliert Wecker in „Weil ich Dich liebe“ wunderbar: „Selbst wenn vor mir Venus dem Schaumbad entstiege, ich ließe sie schäumen, weil ich dich liebe.”

Völlig trocken kommt die Zeile „Armer Mann trifft reichem Mann. Beide seh’n sich lange an. Plötzlich sagt der Arme bleich, wär’ ich nicht arm, wärst Du nicht reich“. in „Es gibt nichts Gutes“, das im Refrain klagt: „Alles soll morgen besser sein. So lullt man uns mit Zukunft ein.“

In dieser Form darf Konstantin Wecker uns in Zukunft noch lange aus(!)lullen.



Norbert von Fransecky



Trackliste
1Wut und Zärtlichkeit 3:45
2 Absurdistan 3:43
3 Die Kanzlerin 3:53
4 Weil ich Dich liebe 4:12
5 Schwanengesang 4:01
6 Es gibt nichts Gutes 3:00
7 Damen von der Kö 3:35
8 (Entzündet vom) Weltenbrand 3:43
9 Der Virus 3:§6
10 Empört Euch 6:50
11 Buona Notte 4:45
12 Es geht zu Ende 3:54
13 SoScheeSchoA 6:28
14 Tropferl im Meer 7:37

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