Musik an sich mit-bester-empfehlung.com - Webkatalog - TopNews - Linktausch - Onlinespiele - Mahjongg - Solitaire - Puzzle - Mahjong - Blumen - Singlebörsen


Artikel
Nach dem Clash ist vor dem Clash - Die fremde Welt des Reggae, Teil 1



Wer nicht dem engeren Kreis der Reggae Lunatics angehört und sich irgendwann einmal das Vergnügen gönnt Deutschlands führendes Reggae-Magazin „Riddim“ zu lesen, wird in eine fremde Welt versetzt, in der er selbst viele Worte, die in den Spalten erscheinen, kaum entschlüsseln kann: Soundclash, Massive, Riddim, Rewind, Big up und Soundsystem sind nur einige der häufigsten Beispiele. Es wird schnell deutlich: Die Reggae-Community hat sich ein eigenes kulturelles Um- und Ausdrucksfeld geschaffen, das wesentlich eigenständiger und ausgeprägter ist, als wie wir das von anderen Szenen, der HipHop- oder der Metal-Szene zum Beispiel, gewohnt sind. Selbst Fremdsprachenkenntnisse in Patois, dem auf Jamaika gesprochen Sprachmix auf der Basis eines sehr einfachen Englisch, sind fast unverzichtbar; lesen sich aber mit der Zeit an. Ein Patois-Glossar, das monatlich in der „Riddim“ erscheint, tut sein übriges.
In dieser und den nächsten beiden Ausgaben wollen wir uns am konkreten Beispiel mit dem Soundclash und einem „One-Riddim-Sampler“ befassen, um einen kleinen Einstieg in die Welt des Reggae zu ermöglichen.


Der „Riddim“-Soundclash, von dem bereits erwähnten Magazin in München veranstaltet, geht in diesem Monat in die dritte Runde. Der Vorjahres-Soundclash ist in ganzer Länge als DVD erhältlich. Um die soll es im Folgenden gehen. Ein Soundclash vereint für die Reggae-Community in etwa den Reiz eines Konzertes, mit dem einer Riesenfete und einem Bundesligaspitzenspiel. Akteure sind mehrere Soundsystems, ein Conferencier und die „Massive“, wie bei Reggaekonzerten und –parties das Publikum genannt wird.

Ein Soundsystem besteht aus zwei oder mehr Personen; einem Selector, der versucht die Massive mit dem Auflegen von Platten in Ekstase zu versetzen, und dem MC (Master of Ceremony), der das Ganze mit Ansagen und Sprüchen kommentiert, um die Stimmung weiter anzuheizen. Gelegentlich werden beide Rollen von mehreren Personen versehen. Wichtig für das Soundsystem ist darüber hinaus die Plattenbox, in der im Handel erhältliche Scheiben nur eine untergeordnete Rolle spielen. Besondere Cuts, so genannte Dub Plates, auf denen prominente Reggaekünstler bekannte Reggaetracks speziell für dieses Soundsystem gevoicet (sprich: besungen oder besprochen) haben, sind die wichtigen Waffen mit denen ein Soundsystem an den Start geht, um seine Gegner zu „verbrennen“.

Bei einem Soundclash treten mehrere Soundsystems gegeneinander an, um die Gunst des Publikums zu gewinnen. Dabei gibt es Regeln über deren Einhaltung der Conferencier wacht. Als das „Riddim“-Magazin am 15. Oktober 2004 seinen zweiten Clash in der Münchner Muffathalle veranstaltet waren die Soundsystems von Freddie Krueger (Jamaika), Supersonic Sound (Berlin) One Love Hi Pawa (Italien) und Ricky Trooper (Jamaika) am Start. Conferencier war Dr. Ring Ding (der meistbeschäftigte Special Guest auf deutschen Ska und Reggae-CDs). Das komplette Ereignis wurde mitgeschnitten und ist wohl der erste (zumindest deutsche) Clash, den man sich so komplett ins Wohnzimmer holen kann.

In einer ersten (friedlichen) Runde, in der es noch um nichts ging, hatte jedes Soundsystem die Möglichkeit sich dem Publikum 15 Minuten lang zum Kennenlernen zu präsentieren. Dabei erlebt der Outsider vor dem Fernseher sofort seine erste Überraschung. Kaum erklingt der erste Ton der ersten Scheibe beginnt der MC wie am Spieß zu schreien und zu krakeelen. Er lobt sich selbst und sein Soundsystem, begeistert sich für seine Tunes und disst die anderen Soundsystems. Überraschung zwei folgt auf dem Fuß. Jeder aufgelegte Tune wird nur wenige Sekunden lang angespielt. Kaum hat man sich auf ihn eingeschwungen, zieht der Selector die nächste Dup Plate aus der Box. Eine Viertelstunde lang bieten so kurze Songschnipsel den Background für das marktschreierische Gehabe eines posenden MCs. Was bei jeder „normalen“ Fete ein Stimmungskiller ersten Grades wäre, lässt die Massive in der Muffathalle ausrasten – zu begeistertem Jubel oder frenetischem Ausbuhen; manchmal kommen aus unterschiedlichen Ecken genau entgegengesetzte Reaktionen.
Um ihrer Begeisterung besser Ausdruck verleihen zu können, hat sich die Massive mit gasgetriebenen Hörnen, Fahnen und kleinen Flammenwerfern ausgestattet, die die Halle immer wieder in ein lärmendes und funkensprühendes Inferno verwandeln.

Dann wird es ernst. Wieder bekommt jedes Soundsystem eine Viertelstunde Zeit. Aber dieses Mal steht am Ende das erste Voting. Mit Lärm und Lautstärke jubelt die Massive ihren Favoriten zu. Freddie Krüger ruft die am wenigsten euphorische Reaktion hervor und scheidet damit aus. In der Elemination-Runde Nummer 2 sind nur noch drei Systems am Start. Am Ende der Runde werden zwei von ihnen durch Dr. Ring Ding wegen formaler Fehler disqualifiziert. Damit ist das One Love Hi Pawa Soundsystem automatisch im Finale. Die Massive muss nun entscheiden, wer von den beiden „fehlerhaften“ Kombattanten trotz seiner Untaten gegen One Love antreten darf. So stehen sich nach etwa 165 Minuten Soundclash die Italiener und der Supersonic Sound zum Dub fi Dub gegenüber.
Hier geht es Schlag auf Schlag. Jetzt haben die Systems keinen eigenen Auftritt mehr. Im Wechsel legen die beiden Sounds je zehn Dub Plates auf. Dabei gilt es Schlag auf Schlag zu reagieren. Ein überraschend platzierter Tune kann die Stimmung hoch für die eine Mannschaft aufschäumen und der anderen kaum noch eine Chance lassen, wenn sie nicht einen ähnlichen Hit landen kann.

Nach drei Stunden Soundclash ist der Berliner Supersonic Sound Pokalsieger aber durchaus nicht alle Fragen geklärt. Die Regeln zum Beispiel bleiben unklar. Warum sind Supersonic und Ricky Trooper eigentlich disqualifiziert worden? Gegen was für Regeln haben sie verstoßen? Wonach entscheidet die Massive – nur nach Geschmack oder spielen auch da die Regeln ihre Rolle? Wie objektiv sind eigentlich die Entscheidungen? Entscheidet der Conferencier nach seinem Gutdünken und Empfinden über Sieg oder Niederlage? (Das Votum der Massive am Ende des Finales war alles andere als eindeutig!) Oder stehen ihm weitere Juroren oder „objektive“ Kriterien (Lautstärkemesser) zur Verfügung?

Wir werden einen Fachmann des Riddim-Journals befragen. Er wird dann hoffentlich nicht nur unsere Neugier befriedigen, sondern auch einiges über den Riddim-Soundclash 2005 erzählen könnten. Der steht nämlich direkt bevor. Wieder wird es der 15. Oktober sein. Wieder wird es die Muffathalle sein. Und wieder wird der Berliner Supersonic Sound auf der Bühne stehen. Er muss seinen Titel gegen LP International (New York), Caveman (Jamaika) und Immortal (Birmingham) verteidigen.


Norbert von Fransecky



 << 
Zurück zur Artikelübersicht