Musik an sich


Reviews
TERRES DU SUD: PORTUGAL
Christina Branco: post-scriptum. Fado & Poesie aus Portugal
Joâo Paulo: Roda. Portugisische Suite

L'empreinte digitale 2 CD DDD (AD 1999/2000) / Best. Nr. ED 13180

Weltmusik / Vokal - Klavier
Cover
Interpreten:
CD 1: Christina Branco (Gesang) - Custódio Castelo (Portugisische Gitarre) - Alexandre Silva (Gitarre) - Fernadno Maia (Bassgitarre)
CD 2: Joâo Paulo (Klavier)

Interpretation: ++++/+++++
Klang: +++++
Edition: ++++

Das kleine aber feine französische Label L'empriente digital, bekannt für seine hervorragenden Produktionen mit Weltmusik, präsentiert in einer neuen exklusiven Reihe unter dem Titel Terres du sud Höhepunkte aus seinem Katalog mit bekannten südeuropäischen Künstlern und Ensembles. Sechs Doppelalben versammeln musikalische Botschaften aus dem Süden Portugals, Spaniens, der Provence, Griechenlands, Italiens und der Magherb. Repräsentative Produktionen in jeder Hinsicht sollten es sein, sowohl was die Musik als auch was die Qualität der Darbietungen angeht. Und Neues sollte gleichberechtigt neben Traditionellem stehen.

Während ich das hier schreibe, lausche ich zum wiederholten Male Christina Branco . Die portugisische Fadista bestätigt in ihrem Album post-scriptum ebenso eindrucksvoll wie bewegend ihre Fama als eine der bedeutendsten stimmlichen Entdeckungen in diesem Genre. Ihre Stimme vereinigt melancholische Wehmut, eine ausdrucksvolle Sprödigkeit, aber auch Anmut und Leichtigkeit. Ob Branco von Liebesschmerz, enttäuschten Hoffnungen, den kleinen vergängliche Freuden des Alltags, den Schatten der Nacht oder dem Tod singt: als Hörer ist man sofort 'drin' in den Gefühlen. Selbst die dunkelsten Empfindungen kommen beim Fado mit heiterer Gelassenheit daher. Jetzt, wo bei uns der Herbst vor der Tür steht, die Sonne blasser und die Tage kürzer werden, ist man vielleicht gerade empfänglich für diese fatalistischen Stimmungen. Diese Musik im Winter zu hören, ist dagegen schwer vorstellbar. Man spürt zwischen den Noten eine schwere südliche Hitze - und einen 'entspannten Seelenschmerz', der nur bei ausreichend Sonnenlicht erträglich scheint.

Gekoppelt hat man Brancos Album mit Roda, einer Portugisischen Suite des Pianisten Joâo Paulo. Paulos Improvisationen und Kompositionen über traditionelle Melodien seiner Heimat verbinden auf originelle Weise Altes mit Neuem, wenn z. B. in 'As cores do tempo' - 'Die Farben der Zeit' ein à la John Cage präpariertes Klavier zum Einsatz kommt. Die obertonreichen Klänge sorgen für eine Melancholie ganz eigener Art: ein abstraktes Klangbild in herbstlichen Farben. Anderes erinnert an locker improvisierte Ethno-Barmusik ('Agua Levada'), dann wieder fühlt man sich wieder in die Welt von Bela Bartoks 'Mikrokosmos' versetzt ('Estilhacos'). Da tun sich faszinierende musikalische Landschaften auf, Ausblicke in einen imaginären Süden, irgendwo zwischen Archaik und Postmoderne. Einiges ist mir allerdings etwas zu soft und gefällig geraten, Bartok light sozusagen. Als Seitenstück zu Brancos eindrucksvollen Gesang lasse ich mir das aber gerne gefallen.

13-18 Punkte

Georg Henkel

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