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Reviews
Muse - Absolution
22.09.2003 (Motor/Universal)
Alternative Rock
Trackliste:
1. Intro 0:22
2. Apocalypse Please 4:12
3. Time Is Running Out 3:56
4. Sing For Absolution 4:55
5. Stockholm Syndrome 4:58
6. Falling Away With You 4:40
7. Interlude 0:37
8. Hysteria 3:47
9. Blackout 4:22
10. Butterflies & Hurricanes 5:01
11. The Small Print 3:29
12. Endlessly 3:49
13. Thoughts Of A Dying Atheist 3:11
14. Ruled By Secrecy 4:54

Mehr als zwei Jahre sind vergangen seit dem Erscheinen des letzten Studioalbums von Muse. Nun ist es endlich soweit, das dritte Werk des Trios aus Devon, England steht in den Läden. Erstmals waren neben Sänger und Multi-Instrumentalist Matthew Bellamy auch Bassist Chris Wolstenholme und Schlagzeuger Dominic Howard am Songwriting-Prozess beteiligt. 12 Songs haben die Jungs für die Platte geschrieben, die den Hörer einmal mehr für rund 50 Minuten auf eine Reise voller Angst, Schmerz, Verzweiflung und letztlich doch auch wieder Hoffnung schickt. Wer aber auf der Scheibe Songs in der Art von "Plug In Baby" oder "New Born" erwartet, wird möglicherweise enttäuscht werden. Schnell und hart geht es auf Absolution nur in wenigen Songs zu. Sogar die Gitarre tritt diesmal oft in den Hintergrund, die Hälfte der Stücke sind entweder Klavier-, Synthesizer- oder Streicher-dominiert. Das heißt nicht, dass die Gitarre nicht weiterhin eine wichtige Rolle spielt, vielmehr wird sie zweckmäßiger eingesetzt.

"Apocalypse Please" läutet mit harten Pianoklängen gleich zu Beginn der Platte das Ende der Welt ein ein. Die berechtigte Frage, ob man das noch ernst nehmen kann, muss wohl jeder für sich beantworten, unzweifelhaft ist jedoch, dass die herbeigeschworene Apokalypse musikalisch überzeugender nicht rübergebracht werden könnte. Die erste Singleauskopplung "Time Is Running Out" klingt durch den bedeutungsschwangeren Refrain und Bellamys Falsett-Kreischen unverkennbar nach Muse, selbst der von Michael Jacksons "Billie Jean" inspirierte Bass-Groove in den Strophen kann daran nichts ändern. Bellamys stark hallender Gesang in "Sing For Absolution" ist vorwiegend durch minimalistische Klavierklänge unterlegt, verzerrte Gitarre setzt erst im letzten Drittel ein, um den imposanten Höhepunkt des Songs aufzubauen. Beim stellenweise geradezu brutalen "Stockholm Syndrome" gehen Muse das Wagnis einer Mischung aus harten Metal-Riffs, futuristischen Synthesizer-Linien und klassischen Piano-Figuren ein und legen dabei ihre ganz eigene Art von "Nu Metal" vor. Nach der gelungenen Ballade "Falling Away With You", die stellenweise an "Unintended" vom Album Showbiz erinnert, folgt ein nettes kurzes Zwischenspiel, das aus Samuel Barbers "Adagio For Strings" ausgeborgt wurde. Das passt gut, hätte aber ruhig im Booklet erwähnt werden können. Während "Hysteria" wieder ein krachendes Gitarrenstück ist, kommt "Blackout" dagegen mit seinen Streichern und Background-Chören von Muse ziemlich überraschend und würde schon fast in einen Herr-der-Ringe-Film passen. In "Butterflies & Hurricanes" singt Bellamy vor einer bombastischen Orchesterkulisse und das Ergebnis ist wirklich beeindruckend. Fließend geht der Refrain in ein dramatisches Klaviersolo über. An dieser Stelle ist am deutlichsten der in den Klavierparts des Albums immer wieder auftretende Einfluss von Bellamys Vorbild Sergej Rachmaninov zu hören. In geradezu absurden Textzeilen wie "You've got to be the best, you've got to change the world" zeigt sich Bellamys kompromissloses Perfektionsstreben auch in textlicher Hinsicht. Es folgt "The Small Print", ein rasender Uptempo-Song, der etwas an "Plug In Baby" erinnert, aber melodisch nicht im selben Maße überzeugen kann. Das Liebesbekenntnis "Endlessly" besticht durch einen relaxten Jazz-Beat, seine kühle Synthesizer-Ästhetik und eine mitreißend-schöne Melodie. "Thoughts Of A Dying Atheist" hat einen fast Punk-Rock-artigen Refrain, in dem Bellamy geradezu euphorisch die Zeile "It scares the hell out of me and the end is all I can see" singt. Mit dem darauf folgenden "Ruled In Secrecy" findet die düstere Platte einen passenden gespenstischen Abschluss.

Mit Absolution haben Muse sich stilistisch wieder ein gutes Stück weiterentwickelt und trotz zahlreicher erkennbarer Vorbilder finden sie immer mehr zu einem eigenen einzigartigen Stil. Allein das schon kann man Muse hoch anrechnen, aber nur selten findet man soviel Experimentierfreude, Talent und Leidenschaft gepaart auf einer Platte. Man kann fast eine Gänsehaut bei dem Gedanken bekommen, wie gut die nächste sein könnte.

19 von 20 Punkte

Linus Stubert

Internet: www.muse-official.de

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