Arion

Life Is Not Beautiful


Info
Musikrichtung: Melodic Metal

VÖ: 19.10.2018

(AFM / Soulfood)

Gesamtspielzeit: 39:23

Internet:

http://www.afm-records.de
http://www.facebook.com/OfficialArion


Die Finnen Arion hatten im Frühjahr 2019 ihre Landsleute Battle Beast auf deren Europatour begleitet, und der Rezensent begutachtete das Package am 03.04.2019 im Hellraiser zu Leipzig. Wenige Tage zuvor war der Albumzweitling Life Is Not Beautiful in seinem Einkaufskorb gelandet, aber es hatte sich keine Gelegenheit mehr ergeben, ihn vorm Konzert noch akustisch zu begutachten, und auch danach blieb die Scheibe noch geraume Zeit auf dem Stapel der Ungehörten, den sie nun endlich verlassen hat. Nach Durchhören der knapp 40 Minuten wird klar, dass der grundsätzliche Eindruck vom Gig nicht getrogen hat, aber sich einzelne Komponenten doch etwas anders darstellen. Melodic Metal ist es natürlich immer noch, was das Quintett hier abliefert, aber die Keyboards nehmen in der Studiofassung eine dominantere Rolle ein als im Livesound, wo man zwar die neoklassischen Läufe Arttu Vauhkonens einigermaßen gut durchhören konnte, von den Orchesterflächen und sonstigen Konservenkomponenten hingegen wenig zu vernehmen war. Die spielen im Studiosound nun aber eine nicht unerhebliche Rolle, womit Arion in dieser Hinsicht sogar noch ein Stück näher an Battle Beast heranrücken. Zudem fällt auf, dass Lassi Vääränen gesangsseitig deutlich öfter mit Effekten arbeitet, was in Verbindung mit einigen dancefloorkompatiblen Einwürfen Arttus dafür sorgt, dass der Melodic Metal Arions eine gewisse moderne Schlagseite erhält, die er von seiner Grundanlage her nicht in diesem Maße besäße - mit einer Einschränkung allerdings: Arion bedienen sich eher selten der klassischen Songwritingformel, eine Idee zu entwickeln und die dann nach allen Regeln der Kunst durchzuexerzieren, sondern sie neigen eher dazu, die Songs mit Ideen vollzustopfen und diese aufeinanderprallen zu lassen. Das besitzt hier und da einigen Reiz, aber an anderen Stellen würde sich der Hörer, der seine Erfahrung an klassischem Melodic Metal geschult hat, über etwas mehr Geradlinigkeit durchaus freuen. Mit dieser Herangehensweise stehen Arion im heutigen Metal allerdings keineswegs allein da, und die eine oder andere Idee erschließt sich nach wiederholten Durchläufen dann letztlich doch noch. Und wenn man „The Last Sacrifice“ hernimmt, dann staunt man wie schon beim ersten Livehören immer noch über den vor allem rhythmisch völlig aberwitzigen hinteren Solopart und seinen in diesem Falle mal enorm wirkungsvollen Kontrast zum klassisch strukturierten Gitarre-Keyboard-Duell im vorderen Soloteil. Dieser Song ist übrigens einer von dreien auf Life Is Not Beautiful, an denen Matias Kupianen mitgeschrieben hat, der dem Finnland-Szenekenner natürlich von Stratovarius geläufig ist, wo er Timo Tolkki als Gitarrist beerbt hat. Der Drummer von Arion hört auf den Namen Topias Kupiainen, so dass es leicht fällt, hier Familienbande zu vermuten, zumal Matias auch als Co-Produzent und Mixer genannt wird – und in der Tat handelt es sich um Brüder. Aber auch Ex-Sonata-Arctica-Gitarrist Jani Liimatainen war kreativ an der Scheibe beteiligt, wenn auch nicht musikalisch, sondern „nur“ als Co-Autor zweier Texte. Arion sind in ihrer heimischen Szene also offenbar bestens vernetzt und wissen die sich daraus ergebenden Möglichkeiten gut zu nutzen – am Klanggewand von Life Is Not Beautiful gibt es nichts auszusetzen, wenn man nicht zu dem Schluß kommt, das alles für viel zu modern und den ursprünglichen Gedanken des Metal nicht entsprechend zu halten. Dann wird man mit den acht Songs plus Bombastintro „The End Of The Fall“ natürlich nicht glücklich, zumal Arion unter ebenjene auch noch gleich zwei Balladen gepackt haben, die, was dann den Gipfel darstellt, auch noch zu den stärksten Nummern der Scheibe gehören, obwohl auch sie überwiegend in die orchestral zugebaute und nicht etwa in eine reduzierte Richtung tendieren. Aber hier hat Lassis Stimme trotzdem mal etwas mehr Platz zum Entfalten, und die nutzt der Fronter dann auch. In „At The Break Of Dawn“ liefert er sich zudem ein Duett mit Elize Ryd von Amaranthe und baut damit über die rein musikalische Schiene hinaus auch eine zielgruppentechnische Brücke, denn wer eine etwas gehärtete Version von Amaranthe zu mögen können glaubt, der wird mit Arion vielleicht durchaus glücklich werden. Speedattacken muß man natürlich aushalten können, wenngleich „Punish You“ das Versprechen des hackenden Hauptteils nur bedingt einlöst, aber dafür mit einem großen Doompart als erste Solohälfte Kompensationsfutter liefert. Und ein Händchen für eingängige Refrains besitzen Arion auch noch, wofür neben ebenjenem „Punish You“ vor allem der Titeltrack ein prima Beispiel abgibt – den markant geshouteten Titel will man zwar eigentlich gar nicht im Hirn behalten, da das Leben schließlich eine ganze Menge Positives bereithält, trotz des Scherzwortes, der Optimist behaupte, wir würden in der bestmöglichen aller Welten leben, während der Pessimist befürchte, dass das stimmt. Interessanterweise arbeitet der Text mit diversen Bildern aus dem Leben von Jesus Christus – nur hat dieser der Geschichte noch ein gewisses Addendum hinzugesetzt, während der Arion-Protagonist am Ende an seiner Opferrolle verzweifelt. Der Covermetaller hat’s im Schneesturm zwar auch nicht leicht, und die Zacken um ihn herum sehen so ähnlich aus wie die im Finale von „Star Trek 5“, als Khan und die von ihm gekaperte Enterprise-Crew auf ein Energiewesen stoßen, das sich als Gott ausgibt, aber ein Raumschiff haben möchte, um aus seiner unwirtlichen Umgebung zu verschwinden – immerhin brennt in dem Turm hinten links auf dem Cover noch Licht, und die skurrile Laterne, die unser Held mit sich führt, scheint auch mehr oder weniger unkaputtbar zu sein. Wie auch immer: Freunde neuzeitlichen Melodic Metals bekommen mit Life Is Not Beautiful keinen absoluten Überflieger, aber zumindest eine solide Scheibe ohne Ausfälle, und wer den Digipack erwirbt, findet dort noch drei Neueinspielungen vom Debütalbum, die das ansonsten für heutige Verhältnisse eher kurz geratene Scheibli noch auf reichlich 53 Minuten Spielzeit bringen. Ach so, noch was: Das Leben IST schön.



Roland Ludwig



Trackliste
1The End Of The Fall2:03
2 No One Stands In My Way3:54
3 At the Break of Dawn3:30
4 The Last Sacrifice6:30
5 Through Your Falling Tears4:11
6 Unforgivable3:38
7 Punish You4:21
8 Life Is Not Beautiful6:41
9 Last One Falls4:27
Besetzung

Lassi Vääränen (Voc)
Iivo Kaipainen (Git)
Arttu Vauhkonen (Keys)
Gege Velinov (B)
Topias Kupiainen (Dr)



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