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25 Years after - Mein Leben mit der CD; Folge 30: Georg Danzer - Ruhe vor dem Sturm





Während ich im letzten Monat Probleme hatte, überhaupt eine CD zu finden, über die es sich 25 Jahre später noch zu reden lohnte, war der Korb im September 1988 umso voller. Gleich drei Live-Alben von Uriah Heep haben damals den Weg in mein Regal gefunden und dabei alle drei Sänger der Band abgedeckt: Shepperton ’74 mit David Byron; Freiburg und Offenbach ’79 mit John Lawton; Moskau ’86 mit dem heute noch aktuellen Sänger Bernie Shaw. Daneben habe ich mir mit Holy Diver (Dio), Rainbows Rising und der Spliff Radio Show noch eine Reihe echter Klassiker zugelegt. Die Entscheidung war schwer. Da ich im Metal- und Rock-Bereich etliches stehen habe, habe ich mich für etwas ganz anderes entschieden – nicht zuletzt, weil das Georg Danzer-Album Ruhe vor dem Sturm mit einer netten Geschichte verbunden ist.

Mit seiner Single „Frieden“ hatte der Wiener es geschafft mit österreichschem Akzent bundesweit in die Charts zu kommen – und so böse und konsequent war dort selten zuvor über die politische Kaste abgekotzt worden. Die Friedensbewegung hatte es möglich gemacht – oder genauer die aberwitzig riskante Rüstungspolitik der Regierung Schmidt, die von der folgenden Kohl-Regierung bruchlos fortgeführt wurde. Die real bestehende Angst vor einer Selbstvernichtung der Menschheit spiegelt sich in einem Musikstück, das nur noch am Rande John Lennons optimistische Vision einer friedlichen Zukunftsgesellschaft artikuliert.
Der Protest gegen die etablierte Politik hatte sich weit ins bürgerliche Lager hinein ausgebreitet; die Arroganz der Macht sogar zur Gründung einer ganz neuen Partei geführt, die das Zweiparteien-System plus Mehrheitsbeschaffer FDP durcheinander wirbelte.

Ein Nebeneffekt der politisierten Gesellschaft, dass sich plötzlich auch (ältere) Jugendliche für das Genre der Liedermacher interessierte, die bislang eher am Rande des deutschen Schlagers verortet wurden. So erwarben ein Freund und ich dann auch die Karten für ein Konzert, das uns aus den Rock- und Pop-affinen Schmuddelhallen in den Kuppelsaal der ehrwürdigen Stadthalle Hannovers führte. Wir waren spät dran, mussten aber noch die Kontrolle ordentlicher Platzanweiser passieren. Und da erlebten wir einen herben Schock. Man hatte uns zwar Plätze mit den aufeinander folgenden Platznummern 121 und 122 in Reihe 11 verkauft. Leider befand sich der eine Platz in Block M, der andere in Block N. Zähneknirschend machten wir uns in andere Richtungen auf den Weg. Um irgendwas zu erstreiten, war es schon viel zu spät.

Ich schob mich in dem bereits abgedunkelten Saal an den Knien der pünktlicheren Gäste vorbei und lies mich gerade rechtzeitig auf meinen Platz fallen, um den Beginn des Konzertes mitzuerleben. Es mag zwei oder drei Stücke gedauert haben, dann fand ich die innere Muße, um mich mit meiner näheren Umgebung zu befassen. Wer rechts neben mir gesessen hat, das habe ich vergessen, aber links saß zu meiner größten Überraschung eben jener Freund, von dem ich Minuten zuvor durch ordnende Hand getrennt worden war. Des Rätsels Lösung war schnell gefunden. Die Nummerierung der Plätze begann nicht in jedem Block neu, sondern lief durch, so dass der Block M mit der Nummer 120 endete und bei 121 Block N begann. Eine banale kleine Geschichte, aber gerade die sind es ja oft, die Ereignisse fest im Langzeitgedächtnis verankern.

Dem hätte es aber gar nicht bedurft. Das Konzert war erinnerungswürdig genug. Danzer war Songwriter – klar, aber ein Songwriter, der rockte und sich dabei von einer zwar nur weißen, aber äußerst effektiven Lightshow unterstützen lies. Denkwürdig!



Norbert von Fransecky



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