Musik an sich


 
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Georg Friedrich Händel: Il Trionfo del Tempo e del Disinganno
Barock

 
Wie kaum ein anderer seiner komponierenden Zeitgenossen war Händel nie darum verlegen, eigene oder fremde musikalische Ideen (wieder) zu verwerten. Wen es einmal reizt, einen Händelhit wie das berühmte "Lascia ch'io pianga" aus der Oper "Rinaldo" in der Urfassung zu hören, dem sei dafür die aktuelle Einspielung seines frühen Oratoriums "Il Trionfo del Tempo e del Disinganno" empfohlen. Unter anderem ist das Werk auch noch die Vorlage für Händels letztes englisches Oratorium "The Triumph of Time and Truth".
Als Händel mit Anfang 20 aus beruflichem Interesse und Abenteuerlust eine Italienreise unternahm, stand natürlich auch Rom auf der Route. Hier knüpfte der junge Komponist rasch Kontakte mit einflussreichen Kreisen und prominenten Kollegen wie Arcangelo Corelli und Alessandro Scarlatti. In kürzester Zeit gelang es ihm, die neuen musikalischen Eindrücke mit seiner persönlichen "Schreibarth" zu verbinden - und zwar höchst erfolgreich und produktiv, wie zahlreiche Kantaten und zwei Oratorien beweisen, darunter eben auch "Il Trionfo". Obwohl in dem Werk keine "echten" Personen, sondern lediglich Allegorien der Schönheit, Weltlust, Zeit und Erkenntnis auftreten, um hier um Wahrheit und Tugend zu streiten, ist die affektdramatische Qualität der Musik doch so hoch, dass die Transplantation ganzer Arien in spätere Opern kein Problem darstellte. Heute mag der moralische Disput, der in "Il Trionfo" ausgefochten wird, zunächst befremden. Es bedarf schon einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Libretto, um seine Aktualität zu entdecken. Was das Werk jedoch über die Zeit rettet, ist die unerschöpfliche musikalische Phantasie Händels. Und eine kongeniale Interpretation wie die vorliegende.
Im Instrumentalen wie Vokalen bleiben keine Wünsche offen. Alessandrini und sein Ensemble realisieren die Musik mit genauem Gespür für die dramatischen und klanglichen Effekte: hochvirtuos und brillant, delikat und kraftvoll, ohne dabei in den aufgesetzten Manierismus mancher Kollegen zu verfallen. Lob gebührt auch den Solisten: Deborah York als "Schönheit" und Gemma Bertagnolli als "Weltlust" bieten barocken Ziergesang vom Feinsten. Ihre ideale, nahezu instrumentale Stimmführung verbindet Leichtigkeit mit Klangschönheit. Lyrische Passagen gelingen genauso überzeugend wie halsbrecherische Koloratur-Kaskaden. Der volltönende und ausdrucksstar ke Alt von Sarah Mingardo ("Erkenntnis") ist ein Klasse für sich. Nicolas Sears als "Zeit" steht mit der klaren und schönen Farbe seines höchst agilen Tenors seinen Kolleginnen in nichts nach. Was mich besonders begeistert, sind die durchweg reichen Auszierungen der Dacapos - bei den ohnehin eher kurzen Arien das reinste Vergnügen. Wie wäre es bei Gelegenheit mit einer "richtigen" Oper, Signor Alessandrini?
Georg Henkel

Repertoire: 4 Punkte
Interpretation: 5 Punkte
Klang: 5 Punkte
Präsentation: 5 Punkte

19 von 20 Punkte
 

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