Musik an sich


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Desprez, J. (Lewon)

Les fantasies de Josquin. Die Instrumentalmusik von Josquin Desprez


Info
Musikrichtung: Renaissance Ensemble

VÖ: 25.05.2011

(Christophorus / Note 1 / CD / DDD / 2010 / Best. Nr. CHR 77348)



KUNSTVOLLES & EINGÄNGIGES JOSQUIN-PORTRÄT

Nachdem in der notierten Kunstmusik jahrhundertelang die Vokalmusik dominierte, gab es im 15. Jahrhundert plötzlich eine Blüte von Instrumentalmusik. Auch die großen Meister der frankoflämischen Polyphonie fanden es nun reizvoll, eine instrumentale Rhetorik zu entwickeln, die zwar von der Vokalmusik ausging, in ihrem Rahmen aber neue Möglichkeiten des musikalischen Ausdrucks entwickelte.
Das Ensemble Leones hat sich auf seiner Debut-CD bei Josquin Desprez gleich in das Werk eines führenden Komponisten dieser Eoche vertieft und eine Sammlung von Instrumentalmusik (überwiegend) aus Josquins Feder zusammengestellt. Kleinodien allesamt, die ihre Herkunft von meist populären einstimmigen Liedern ihrer eigenen Zeit oder der Epoche des Mittelalters nicht verhehlen. Das verleiht selbst den ausgetüfftelsten kontrapunktischen Ausarbeitungen und Verzierungsspielen eine ausdrucksvolle Unmittelbarkeit. Diese Qualitäten unterstreicht das Ensemble, indem es die Musik rhythmisch und dynamisch akzentuiert und zugleich die Melodien eindringlich fließen lässt (z. B. in der berückenden Version eines Liedes des Adam von Fulda, Ach hülff mich leid).

Ohne dass es irgendwie pädagogisch wirken würde, hat das Ensemble die meist in unterschiedlichen Fassungen vorliegenden Josquin-Stücke zu Suiten arrangiert, denen das einstimmige Original wie ein Motto vorangestellt wurde. So ergibt sich wie von selbst ein abwechslungsreiches, farbiges Programm, in dem einmal der klare, geschmeidig geführte Bariton von Raitis Grigalis, mal diverse Streichinstrumente (Violine, Viola und Fidel), mal die Zupfregister (unter anderem mit einer resonanzreichen Quinterne) oder ein strahlender Zink den Ton angeben. Das Ergebnis ist in jedem Fall von kunstvoller, aber ungekünstelter Eingängkeit!
Mit der Quinterne hat es übrigens eine besondere Bewandtnis: Sie stammt aus dem über 2300 Jahre alten Holz einer Weißtanne, das in der Schweiz ausgegraben wurde. Den Komponisten Arvo Pärt hat dieses Instrument so beindruckt, dass er ihm gleich ein eigenes Stück widmete. Zwar vernimmt man in Sei gelobt, du Baum trotz des Pärt-typischen Archaisieren den Zungenschlag der Moderne, dennoch fügt sich diese Zugabe gegen Ende des Programms durchaus in das Gesamtkonzept ein.

Nicht zuletzt wegen der sorgfältigen Edition und Produktion ist dies ein wirklich gelungener Auftakt für hoffentlich noch weitere Ausgrabungen und Entdeckungen durch das Ensemble Leones!



Georg Henkel



Besetzung

Ensemble Leones:
Raitis Grigalis: Bariton
Baptiste Romain: Violine & Fidel
Elizabeth Rumsey: Viola d’arco & Viola da gamba
Uri Smilansky: Viola d’arco
Kirsty Whatley: Harfe
Gawain Glenton: Zink

Gäste (Pärt): Noëlle-Anne Darbellay: Violine / Martin Wyss: Kontrabass

Marc Lewon: Plektrum-Laute, Renaissance-Laute, Quinterne/Gittern, Viola d’arco & Leitung


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