Musik an sich


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Haydn, J.M. (Grün)

Requiem in B-Dur


Info
Musikrichtung: Wiener Klassik

VÖ: 01.07.2006

Carus Verlag / Note 1 (SACD hybrid (AD: 2006) / Best.nr. Carus 83.353)

Gesamtspielzeit: 62:46

Internet:

Carus Verlag



KUNSTGEWERBLICHE VERVOLLSTÄNDIGUNG

Die Totenmessen des jüngeren Haydn-Bruders Johann Michael scheinen auf einmal in den Mittelpunkt des Interesses gerückt zu sein. Nach mehreren Neueinspielungen des 1771 für Erzbischof Sigismund von Schrattenbach entstandenen Requiems in den letzten zwei Jahren (Bolton, King und Zacharias), gab es jüngst die Aufnahme des (wohl nicht authentischen, vgl. Artikel bei Rondo und die hiesige Rezension) Werks von 1793. Nunmehr legt der Carus Verlag nach und veröffentlicht die vervollständigte Version von Michael Haydns opus ultimum, seinem Reuqiem in B-Dur. Er begann mit der Arbeit hieran aufgrund eines Auftrags der Kaiserin Maria Theresia schon 1805, vermochte es aber bis zu seinem Tode am 10.08.1806 nicht fertigzustellen. Das Fragment bricht im Satz "Liber scriptus" der Dies irae-Sequenz ab. Am beeindruckendsten ist bis dahin gewiss die umfangreiche Fuge des Kyrie, die zeigt, was für ein altersweises und opulentes Werk hier in der Entstehung begriffen war.

Das Fragment ist indes mit seinen etwa 12 Minuten derart kurz, dass das Projekt einer Vervollständigung, noch dazu ohne Skizzenmaterial des Komponsten, durchaus als kühn bezeichnet werden darf. Der Benediktinerpater Kronecker ließ sich hiervon nicht schrecken und schrieb das Stück 1839 fort. Ganz eindeutig nahm er sich dabei neben der frühen Totenmesse Michael Haydns (1771) auch das davon beeinflusste Requiuem Mozarts zum Vorbild. Herausgekommen sind epigonale Sätze, die weniger künstlerisch wertvoll, denn kunstgewerblich erscheinen. Kroneckers Hang zur stets simpelsten Lösung und zu einem biedermeierlich volksliedhaftem Ton tragen hierzu nachhaltig bei. Die Ergänzung geschieht also alles andere als bruchlos und man muss sich fragen, ob nicht die Darbietung des Fragments als solches (wie etwa in der Einspielung unter Helmuth Rilling, hänssler classics 1991) die bessere Lösung darstellt.

Diese Vergleichseinspielung kann es allerdings in puncto Engagement und Dramatik nicht mit Georg Grüns Interpretation aufnehmen. Gerade der KammerChor Saarbrücken, der die Hauptlast trägt, erweist sich als homogener, beweglicher Klangkörper, der von der Kammerphilharmonie Mannheim souverän begleitet wird. Die Solisten absolvieren ihre eher kleinen Partien ordentlich, wenn auch ohne grossen Glanz, wobei die Leistung der Sängerinnen hinter denen ihrer männlichen Kollegen deutlich zurückbleibt.

Das in der komplettierten Version rund 45minütige Requiem wird ergänzt durch die Einspielung kleinerer kirchenmusikalischer Kompositionen Mozars. Das Spektrum reicht vom ersten, 1765 in London komponierten geistlichen Werk (God is our refuge) bis zum 1791 entstandenen Ave verum corpus.



Sven Kerkhoff



Trackliste
1-15 Johann Michael Haydn: Requiem in B-Dur

W.A. Mozart:
16 God is our refuge KV 20
17 MIsericordias Domini KV 222
18 Venite populi KV 260
19 Ave verum corpus KV 618
Besetzung

Lydia Teuscher, Sopran
Manami Kusano, Alt
Julian Prégardien, Tenor
Jens Hamann, Bass

KammerChor Saarbrücken
Kammerphilharmonie Mannheim

Ltg. Georg Grün


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