Musik an sich


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Asperghis, G. (Octors)

Avis de tempête


Info
Musikrichtung: Neue Musik Oper

VÖ: 01.07.2006

Cypres / Note 1
SACD hybrid (AD 2004) / Best. Nr. Cyp5621


Gesamtspielzeit: 59:07

Internet:

Itcus / Avis de tempte



IM ROTEN BEREICH

Wer sich fühlen will wie im Auge eines musikalischen Hurricans, der sollte sich Georges Asperghis Oper (oder nicht doch besser: „Hörspiel“?) Avis de tempête zu Gemüte führen. Vor allem in der SACD-Surround-Version toben die akustischen Elemente, die der Komponist entfesselt hat, mit bisweilen nervtötenden „Windstärken“ aus den Boxen. Das macht gelegentliche erholsame Unterbrechungen unbedingt erforderlich – wie gut, dass es die Pausen-Funktion gibt!

Bei diesem Tempête verschmelzen Stimmen, Instrumente und eine unüberschaubare Menge von Samples zu einem chaotisch-organischen Ganzen, wobei sich die einzelnen Elemente – oft Klangpartikel, Melodifloskeln, Wortsplitter oder bloße Phoneme von weniger als einer Sekunde Dauer - in pausenloser Bewegung und Metamorphose befinden. Der musikalische Puls schlägt sozusagen über weite Strecken im roten Bereich, die Reizgrenze wird in diese Richtung ebenfalls oft überschritten. Man denke an das Flimmern eines Bildschirms, bei dem die bewegten Bilder durch das Aufleuchten und Erlöschen an sich statischer Pixel erzeugt werden.
Dieser Mix bleibt jedoch stets gut durchhörbar, zumal Asperghis mit wiedererkennbaren Formationen und Patterns arbeitet. Die scheinbare Beliebigkeit ist keine. Noch die krassesten Wendungen und wie improvisiert oder zufällig wirkenden Zusammenschnitte, Konfrontationen und Überblendungen scheinen einer verborgenen Logik – im Zweifel dem Instinkt des Komponisten - zu folgen.
Diese Collage wurde bei der finalen Abmischung im Pariser IRCAM-Studio noch einmal genau ausgehört und ausbalanciert.
Ob man das nun mag oder nicht: Was die reine Sinnlichkeit dieser durch das Ensemble Ictus und den Computermusik-Designer Sébastien Rous perfekt produzierten Klanglegierungen angeht, kann man sich für Avis de tempête durchaus begeistern. Alles andere ist Geschmackssache.

Das Beiheft enthält ausführliche deutsche Fassungen der Kommentare der beteiligten Künstler. Weitere umfangreiche Materialien (französisch/englisch) finden sich auf der Homepage des Ensembles.



Georg Henkel



Besetzung

Sébastien Roux: Computermusik-Design
Donatienne Michel-Dansac: Sopran
Lionel Peintre - Romain Bischoff: Bariton
Ensemble Ictus

Ltg. Georges-Elie Octors



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