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Reviews
Mahler, G – Boulez, P. (Gielen)

Sinfonie Nr. 9 / Rituel - Notations


Info
Musikrichtung: Orchester

VÖ: 07.03.2005

Hänssler Classic / Naxos
CD DDD (AD 2003 / 1990) / Best. Nr. 93.098


Gesamtspielzeit: 129:07



TODESTRUNKEN

Die Kopplung der 9. Sinfonie (1912) Gustav Mahlers mit dem Rituel – in in memoriam Bruno Maderna von Pierre Boulez scheint zunächst gewagt, macht aber – auch und gerade in der radikalen Verschiedenheit der Werke - durchaus Sinn: Beide Male geht es um die Bewältigung des Todes.
Mahlers Sinfonie erfährt unter der Stabführung des ansonsten doch eher beherrscht disponierenden Michael Gielen eine vergleichsweise leidenschaftlich, stellenweise aufrührerische Deutung. Der Orchestersatz gerät durch Tempo-Stauchungen und –Rückungen gleichsam ins Schwanken, so dass die großen Aufschwünge und gipfelstürmerischen Momente vernehmlicher als sonst durch Instabilität, ja Verfall angekränkelt scheinen: leidenschaftliche Lebens-Trunkenheit, die in ein Ertrinken umschlägt. Der Ländler im 2. Satz wird zu einer regelrechten Achterbahnfahrt, bei der Burleske gerät das Orchester ins Schlingern. Diese Zuspitzungen gehen aber niemals auf Kosten der Klarheit; Gielen sorgt wie immer für gute Durchhörbarkeit (abgesehen von einer leichten Dominanz der Blechbläser und Streicher im Tutti) und steuert der drohenden Orientierungslosigkeit des Hörers in den Ecksätzen durch die sensible Betonung wichtiger Einzelstimmen gegen.

Wie anders dagegen Pierre Boulez in seiner großartigen „Trauerarbeit“ Rituel (1974/75) für acht unterschiedlich besetzte Ensembles. Der frühe Tod des Komponisten-Dirigenten Bruno Maderna, der gewissermaßen Herz und Seele der nicht immer verträglichen Nachkriegs-Avantgarde gewesen war und sich für seine Kollegen stets rückhaltlos eingesetzt hatte, inspirierte ihn zu einer ausgesprochen luziden, dabei ungemein expressiven Musik. Dass Dissonanzen nicht einfach Klangmaterial, sondern Ausdrucksträger sind, ist in der Neuen Musik nicht eben selbstverständlich. Anklänge an Et expecto resurrectionem mortuorum von Boulez’ Lehrer Oliver Messiaen beschränken sich nicht nur den Einsatz eines exotischen Schlagzeugapparats u. a. mit Tamtams und Gongs. Auch das farbintensive harmonische Spektrum weist in diese Richtung.
Boulez spricht von einer Zeremonie der Erinnerung in Form von imaginären „Psalmversen“ und „Responsorien“. Wenn sich der Klang gegen Ende immer mehr ausdünnt, sich die Substanz der Musik gleichsam selbst verzehrt und ins Schweigen absinkt, ergibt sich eine überraschende Nähe zum Adagio-Finale von Mahlers 9. Sinfonie. Gielen betont den statisch-rituellen Charakter dieser aus entwickelnden Variationen gefügten Musik, reizt aber auch die „Klageschreie“ der Blechbläser angemessen aus.

Eine Zugabe ist die Einspielung der bisher vollendeten Orchesterfassung der 1945 ursprünglich für Klavier komponierten Notations (ab 1978). Diese Klangfeuerwerke mit ihrer irisierenden Polyphonie und eruptiven Rhythmen sind sozusagen eine Projektion Debussyscher Orchesterkunst in die postserielle Zukunft. Gielen lässt hier gleichfalls Klarheit und Stringenz walten. Das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg meistert die spieltechnischen Anforderungen ebenso souverän wie bei Mahler, entwickelt allerdings nicht die gleiche leidenschaftliche Hitze. Wie es klingt, wenn Dirigent und „klassisches“ Orchester bei dieser Musik durchstarten, kann man bei der ungemein süffigen Einspielung der Notations I-IV mit den Wiener Philharmonikern unter Claudio Abbado hören (DG).



Georg Henkel



Trackliste
Mahler, Sinfonie Nr. 9 84:05
Boulez, Rituel 27:36
Boulez, Notation I-IV, VII 17:26
Besetzung

SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg
Ltg. Michael Gielen



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