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Musik an sich
 
Olivier Messiaen: La Transfiguration de Notre-Seigneur Jésus-Christ (Die Verklärung unseres Herrn Jesus Christus)
Bereits erschienen (Deutsche Grammophon)
Zeitgenössische Musik / Oratorium
Cover
 

Orchestre Philarmonique et Choeur de Radio France - Myung-Whun Chung

2002 jährt sich der Todestag des französischen Komponisten Olivier Messiaen zum 10. Mal. Grund genug für die Deutsche Grammophon, ihren bereits umfangreichen Messiaen-Werkkatalog in diesem Jahr gleich durch mehrere große Produktionen zu erweitern.

Angesichts der vielbeschworenen Klassik-Krise ist die sich abzeichnende Gesamteinspielung eines zeitgenössischen Komponisten gleich doppelt bemerkenswert. Nach der vielgelobten Einspielung sämtlicher Orgelwerke durch Olivier Latry vor einigen Monaten folgt mit ‚La Transfiguration' ein groß besetztes Oratorium, komponiert in den Jahren 1965-1969. Bis zu seiner monumentalen Franzsikus-Oper (UA 1983) repräsentierte das Werk so etwas wie ein Opus Summum von Messiaens Schaffen. Das reiche Vokabular seiner musikalischen Sprache, angefangen von den instrumentalen Vogelstimmen über die schier unerschöpfliche Palette von Rhythmen und Klangfarben, wurde hier in den Dienst einer quasi-liturgischen Meditation über das Mysterium der Verklärung Christi (Mt 17) gestellt.

Das Libretto kombiniert biblische Texte mit liturgischen Gebeten und Auszügen aus der Summa Theologica des Thomas von Aquin. Zum sehr groß besetzten Chor und Orchester treten sieben Instrumentalsolisten (Klavier, Flöte, Klarinette, Cello, Marimba, Xylorimba und Vibraphon), die einzeln oder im Ensemble erklingen. Für die Interpreten gilt es, religiöse Emphase mit einer Durchdringung der strukturellen Komplexität der Musik zu verbinden. Dazu bedarf es einer Tonregie, die die schiere Klanggewalt in den Tutti-Blöcken ebenso einfängt wie die zahlreichen kammermusikalisch-entrückten Momente. Denn trotz der Besetzungsstärke ist das Werk keine maßlose Häufung von fff-Stellen; wie auch sonst in seiner Musik ging es Messiaen auch hier vor allem um Klang-Qualität, d. h. die Vielfalt der musikalischen Mittel, mit der er der theologischen Größe seines Gegenstandes gerecht werden wollte.

Bereits 1973 wurde diese Herausforderung von Antal Dorati zusammen mit dem Westminster Symphonic Choir und dem National Symphonie Orchestra Washington D. C. bravourös gemeistert. Dank der damals immer noch wegweisenden Aufnahmetechnik des Labels Decca gelang die Umsetzung der Riesenpartitur ohne Abstriche. In den 80er Jahren wurde die Aufnahme noch einmal als CD wiederveröffentlicht. Mittlerweile ist sie jedoch nicht mehr erhältlich. Leider. Denn die neue Aufnahme der DG erreicht nicht das Niveau ihrer Vorgängerin.

Zwar bietet die Produktion unter Myung-Whun Chung einen ausgewiesenen Messiaen-Experten am Dirigentenpult. Auch von Chor und Orchester sollte man eine gewisse Vertrautheit mit dem Oeuvre Messiaens erwarten dürften. Doch schon allein aufnahmetechnisch bleibt die neue Einspielung weit hinter der älteren Produktion zurück. Der Aufnahmeort, der ‚Salle Olivier Messiaen' von Radio France, wirkt wie ein Schacht. Vorne das Orchester, irgendwo links hinten das Klavier, dahinter und dazwischen die übrigen Solisten. Ganz weit hinten der Chor, der eigenartig diffus bleibt; nicht nur die Textverständlichkeit läßt stellenweise sehr zu wünschen übrig. Vollends enttäuschend ist der glanzlose, spannungsarme Vortrag - man möchte nicht glauben, daß es sich um die vom Komponisten geforderten 100 Sänger/innen handelt. Auch die Instrumentalsolisten kommen schlecht heraus: Mag das Klavier (Roger Murano) noch einigermaßen präsent, wenn auch nicht sonderlich präzise eingefangen sein, so bleibt der Eindruck, den die übrigen Musiker hinterlassen, doch ziemlich unbefriedigend. Insbesondere das Zusammenspiel in den komplizierten Ensembles gerät zu unscharf. Statt klangfarblich und rhythmisch brillanter Miniaturen werden verwischte Strukturen geboten, die beim Hörer keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Da mögen die vielen Gongs und Tamtams noch so volltönend eingefangen sein - Doratis trockener, geschärfter Klang ist da auf jeden Fall vorzuziehen. Zumal er außerdem ein Gespür für Timing und Dramatik hat, was einer organischen Gesamtwirkung sehr zugute kommt.

Die verschwommene Akustik der jüngsten Einspielung fördert dagegen ein insgesamt langsameres Tempo. Doch Langsamkeit führt nicht automatisch zu größerer Intensität. Statt spiritueller Spannung macht sich mitunter weihevolle Langeweile breit. Besonders die sentimentalen Cello-Kantilenen von Eric Levionnois zeigen noch einmal exemplarisch, daß nicht jeder Interpret die messiaensche Gratwanderung zwischen Inbrunst und Kitsch bewältigt. Trotz des Repetoirewertes also kein wirklicher Gewinn für die Messiaen-Diskographie.

Deshalb: 11 von 20 Punkte

Georg Henkel

 

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