Tierstimmenimitationen mit Kaugummi: Gomer Pyle und die Skyjoggers im KuBa Jena![]() ![]() ![]()
![]() Die einzigen Menschen, die am Himmel joggen konnten, waren eigentlich Fenchurch und Arthur Dent – so glaubte man jedenfalls lange Zeit. Seit einigen Jahren gesellen sich aber drei Finnen dazu, die behaupten, dazu auch in der Lage zu sein, und sich daher Skyjoggers nennen. Wie sie das anstellen, davon kann man sich am Abend vor dem Himmelfahrtstag 2025 im gemütlichen KuBa in Jena überzeugen. Sie selber siedeln sich im Spacerock-Bereich an, aber der ist ja derart ausgedehnt, dass Platz für viele individuelle Ausdeutungen bleibt. Interessanterweise findet sich kein Keyboarder in der Besetzung – der Basser hat zwar ein kleines Effekttablet vor sich und ein großes Effektarsenal vor den Füßen, auch der Gitarrist verfügt über ein Analogon zu letzterem, aber mitlaufende Samples oder ähnliche Raumklangerzeuger gibt es nicht. Mit den ersten drei Songs machen die Finnen auch gleich klar, was in der Summe so von ihnen zu erwarten ist: Der Opener agiert ziemlich tempovariabel, teils gar speedlastig, der zweite Song geht langsamer zu Werke und endet im klassischen Doom, und der dritte variiert das Tempo wieder, reicht allerdings bis kurz vor den Funeral Doom. Letzteres bleibt eine Ausnahmeerscheinung, aber in klassisch doomige Gefilde schaltet das Trio durchaus immer mal runter und erinnert dort dann weniger an Black Sabbath, sondern eher an die Landsleute Reverend Bizarre. Der Gitarrist gibt aber natürlich nicht nur den Iommi, sondern gelegentlich auch den Wyndorf, und generell spielt er auffällig oft Classic-Rock-Leads, was dem Material eine weitere eigentümliche Färbung verleiht. Der Bassist wiederum knarzt teils mit starker Verzerrung unten herum, aber auch er läßt Vielfalt Trumpf sein, ohne dass diese in Beliebigkeit ausartet. Was es dagegen lange Zeit nicht gibt, ist Gesang in traditioneller Ausprägung – der Bassist hat tatsächlich ein Mikrofon vor der Nase, nutzt dieses aber nur für wenige Schlagworte wie „Allo“ im Opener bzw. für Vokalisen oder Tierstimmenimitationen. Hat man sich aber nach der reichlichen Hälfte des Sets drauf eingestellt, mit den Skyjoggers quasi eine Instrumentalband vor sich zu haben, kommen doch noch zwei Nummern mit „richtigem“ Gesang zum Vorschein, bei denen sich der Bassist in einem Spektrum zwischen Cleangesang, seltsamem rauhem Shouten und ein paar blackmetallischen Einwürfen bewegt. Da er aber generell nicht zwingend ortsgebunden ist, nutzt er seine Freiheiten, um wild auf der Bühne herumzuspringen, was auch der Gitarrist gern mal tut. Zwei etwas überraschende Referenzen müssen noch benannt werden: Die melodische Herangehensweise an den Einleitungsteil des Openers erinnert ein wenig an alte Taang!-Bands wie die Moving Targets, und mit dem langen und treibenden Closer packen die Finnen sozusagen ihre Antwort auf „Who What Where When“ der schwedischen Nachbarn Abstrakt Algebra aus, die mit Ausnahme eines Schreis, den der Basser fast verpaßt, wieder rein instrumental daherkommt. Das Können des Trios kann man dank des klaren Sounds auch angemessen wahrnehmen – eine etwas zu kreischige Gitarre in Song 3 hat KuBa-Stammtechniker Thomas schnell wieder im Griff. Das leider in nicht eben großer Zahl erschienene Publikum spendet fleißig Applaus, zu einer Zugabe überreden lassen sich die Skyjoggers aber nicht, so dass der Gig mit weniger als 40 Minuten recht kurz ausfällt. Material hätten die seit 2019 erschienenen bisherigen Releases, unter denen das aktuelle Werk 12021: Post Electric Apocalypse naturgemäß reichlich berücksichtigt wird, jedenfalls genug geboten.
![]() Bei Gomer Pyle würde man angesichts der Tatsache, dass die Truppe schon seit den Mittneunzigern aktiv ist, eigentlich einen gut gefüllten Backkatalog erwarten – aber ein Blick auf diesen offenbart, dass dem doch nicht so ist: Ungefähr im Zehnjahresabstand sind bisher erst drei Alben erschienen, die Anzahl der kleineren Zwischendurch-Releases hält sich auch in überschaubaren Grenzen. Das erklärt sich aus dem Umstand, dass die Formation mangels Schlagwerkers immer mal wieder längere Pausen einlegen mußte. Das jüngste Album „Before I Die I... zählt auch schon wieder fünf Lenze, stellt aber mit „Side Kings“ und „Nicky McGee“ zumindest noch zwei Beiträge zur Setlist, die sich ansonsten zu einem guten Teil aus neuen, noch unkonservierten Songs speist, die, so der Fronter, gar nicht so einfach zu spielen seien – und ja, die eine oder andere rhythmische Idee geht doch etwas ungeradzahlig durchs Ziel, etwa das im 19/8-Takt gehaltene „IDNM“. Die Niederländer siedeln zwar grundsätzlich im Stoner Rock, reichern diesen aber mit einigen psychedelischen Elementen und Effekten an, und nachdem ein technisches Problem mit der Zuschaltung der Samples, die der Drummer koordiniert, behoben ist, kann man die Songs dann auch in der „aufgepeppten“ Variante genießen – in den ersten beiden Songs „Bubblegum Bitch“ und „Shimmering“ waren einem nämlich ein paar Passagen auffällig basisch arrangiert vorgekommen, und es stellt sich also raus, dass das keine Absicht war. Auffällig ist aber noch etwas anderes: Der Sänger spielt als Zweitjob Rhythmusgitarre, aber diese ist recht zurückhaltend abgemischt, so dass der andere Gitarrist diesbezüglich klare Dominanz ausübt und manchmal sogar der Eindruck entsteht, hier sei nur ein Gitarrist am Spielen, wenn unter seinen Leads eben nur eine im ansonsten sehr ausgewogenen und klaren Gesamtklangbild eher zurückhaltend positionierte Rhythmusgitarre liegt. Zumindest den Rezensenten, der die Niederländer an diesem Abend zum ersten Mal sieht, stört dieser Aspekt allerdings nicht, da er keinen entsprechenden Vergleich zu anderen Gigs der Formation hat.
![]() Und im besten Sinne unterhaltsam ist das die verschiedenen Midtempolagen weitschweifig durchmessende Material durchaus, wenn man nicht die Erwartung hegt, Stoner Rock müsse völlig bedröhnt klingen – hier gibt es nämlich sozusagen die cleane Variante zu hören. „Clean“ ist auch das Stichwort für den Gesang – der Vokalist kann singen, also tut er es auch. Und generell geht das Quartett eher kontrolliert an das Material heran, arrangementseitig, aber auch von der Bühnenshow her, die es praktisch nicht gibt, so dass nichts von der Musik ablenkt. Das gefällt dem Publikum offensichtlich, und so fordert es nach dem Closer „3 To 5“, einem sehr alten Song aus Zeiten, als die Formation noch eher im Neo-Grunge beheimatet war und den sie im Andenken an einen verstorbenen Freund immer noch spielt (und der trotzdem stilistisch gut ins Gesamtbild paßt und nicht wie ein Fremdkörper wirkt), noch eine Zugabe ein, die auch gewährt wird und wie vom Fronter prognostiziert mit einem ungeplant etwas chaotischen Finale endet. Aber auch das paßt irgendwie zu der sympathischen Formation. Der Rezensent überlegt allerdings auch noch 24 Stunden nach dem Konzert, als er den Entwurf zum Review niederschreibt, wo er den besagten Fronter und auch den Gitarristen schon mal gesehen hat – eingefallen ist es ihm bisher nicht, und auch bei einem früheren Gig von Gomer Pyle an gleicher Stelle war er nicht anwesend. Hmmm ... Setlist Gomer Pyle: Bubblegum Bitch Shimmering COTS Side Kings Nicky McGee IDNM Drawback Math Again 3 To 5 -- Diesel ![]() Roland Ludwig ![]() ![]() ![]() |
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