Cage, J. u. a. (Takahashi, A. u. a.)

Cheap Imitation (für Klavier und in der Instrumentation von M. Feldman)


Info
Musikrichtung: Neue Musik Klavier

VÖ: 23.06.2021

(Mode / Klassik Center Kassel / CD / 2016 / Best. Nr. mode 327)

Gesamtspielzeit: 76:00



SATIE-METAMORPHOSEN

John Cage war als Künstler immer auch ein Pragmatiker und gewann daraus Impulse für sein Schaffen: Als bei einer Aufführung der Platz für ein umfangreiches Schlagzeug nicht ausreichte, präparierte er ein Klavier, verwandelte es in eine Percussion-Batterie und erfand damit jenes Instrument, mit dem er zuerst berühmt wurde.

Und als er für eine Choreographie seines Partners Merce Cunningham auf Erik Saties Opern-Kantate „Socrate“ die Aufführungsrechte nicht bekommen konnte, schuf er 1969 eine „Cheap Imitation“ des von ihm so geschätzten Werkes. Der Vokal- und Orchesterpart des Originals wurden auf eine einzige Klavierstimme reduziert, diese dann durch Zufallsoperationen weiter verfremdet. Saties klassizistisch-modale Musik wurde von Cage gleichsam mit Stille verdünnt und ihre Konturen verunklart.
Das per se ruhige Stück wurde dadurch endgültig zu einer Pianomeditation, deren dezente Schönheit im seinerzeit avantgardistischen Kontext regelrecht schockierte – übrigens auch Cage selbst. Die streng einstimmig dahingehende Musik hat bei aller Klarheit aber auch etwas Insistierendes, Unaufhaltsames. Sie erinnert manchmal an die einstimmigen Klavierwerke von Josef Mathias Hauer.

1980 arrangierte Cages Freund Morton Feldman diese „Cheap Imitation“ als Trio für Klavier, Flöte(n) und Glockenspiel – eine von ihm seinerzeit für eine ganze Reihe seiner berühmten späten langen „Pattern“-Kompostionen variierte Instrumentation.
In dieser Form wirkt die schlichte Musik tatsächlich, als stamme sie von Feldman selbst. Es ist dies die Ersteinspielung dieses Gelegenheitswerkes, das ursprünglich ein Geschenk von Feldman an seine langjährige Interpretin Aki Takahashi war. Diese spielt nun die "billige“ Original-Imitation und die Bearbeitung auf Folge 54 der „Complete John Cage Edition“ von mode records, die von drei weiteren kurzen, von Satie inspirierten Exkursionen Cages gerahmt werden.
Takahashi widmet sich „Cheap Imitation“ mit konzentrierter Zurückhaltung, ganz so, wie es dieses Stück es erfordert. Zusammen mit Margaret Lancester (Flöten) und David Shivly (Glockenspiel) bekommt das Stück in der Trio-Fassung dann ein paar Farben mehr, wirkt auch rhythmisch belebter, hoquetus-artig und pointiert werden die Instrumente gegeneinander gesetzt.
Dabei klingt dieses delikate Arrangement ganz natürlich und stimmig, als hätte Cages Satie-Bearbeitung nur auf diese Metamorphose gewartet. Feldman nutzte einige Moment der Vorlage für mehrstimmiges Spiel, das ändert aber nichts am zen-artig reduzierten „ereignislosen Geschehen“, das den Hörer vielleicht mehr fordert als wild-dissonante Ausbrüche. Es ist dieses "Seitenstück", das die Aufnahme insgesamt für Fans zu etwas Besonderem macht.



Georg Henkel



Trackliste
Swinging (1989), Perpetual Tango (1984), All sides of the small stone for Erik Satie an (secretly given to Jim Tenney) as a koan (1978), Cheap Imitation (2 Versionen)
Besetzung

Aki Takahashi, Klavier
Margaret Lancaster, Flöten
David Shively, Glockenspiel


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