Musik an sich


Reviews
Uriah Heep

Wake the Sleeper


Info
Musikrichtung: Hard Rock

VÖ: 02.06.2008

(Sanctuary / Universal)

Gesamtspielzeit: 50:46

Internet:

http://www.uriah-heep.com


Ich gebe zu, dass ich diese CD mit klopfendem Herzen in den Player gesteckt habe. Immerhin hatte mein Leib- und Magen-Act seit sieben Jahren überhaupt nichts Neues mehr veröffentlicht. Würden sie es noch mal bringen?

Und es gibt dazu ein eindeutiges Ja! Aus dem Überfliegerbereich möchte ich Wake the Sleeper zwar vorsichtig heraushalten. Dazu hätte es dann doch des einen oder anderen „Hits“ bedurft. Damit sind wir mit dem Mäkeln aber auch schon am Ende – und vielleicht ändert sich die Meinung sogar noch. Zumindest ist das Album bis jetzt nach geschätzten 25 Durchläufen immer wieder noch ein Stück gewachsen.
Ich habe mir mittlerweile vorgenommen bis zur Tour im Herbst etwas zu machen, was ich seit Ewigkeiten nicht mehr gemacht habe – nämlich die Texte gezielt auswendig zu lernen. Immer häufiger erwische ich mich bei dem Wunsch mitzusingen. Das ist bei den nicht sonderlich plakativen Lyrics aber nur durch einfaches Mithören gar nicht so einfach.

Kommen wir aber endlich zu dem, was anderthalb Jahre vor dem 40. Bandjubiläum auf CD gepresst wurde. Wir haben eine klare Anknüpfung an das Album Sea of Light, mit dem Uriah Heep 1995 den Weg zu den eigenen Wurzeln zurückgefunden hatten – vielleicht keine so große Überraschung. Die Färbung der klaren Stimme Bernie Shaws ist einfach anders, als die dunkleren Organe der beiden „klassischen“ Heep-Vokalisten John Lawton und Dave Byron, und drückt dem Heep-Sound seit 1986 seinen Stempel auf.
Ansonsten sind Uriah Heep mit dem Arrangement aber noch stärker in die Vergangenheit zurückgegangen. Insbesondere der Orgel- und Gitarren-Sound führt uns häufig in die Mitte der 70er, zu Alben wie Sweet Freedom und Return to Fantasy. Das allerdings ohne altbacken, oder auch nur Ansatzweise retro zu wirken. Mick Box und Co schaffen einen exquisiten Spagat zwischen den eigenen Wurzeln und einem modernen, kräftigen Hard Rock, der der Versuchung in den Metal-Bereich überzugreifen jederzeit widersteht. (Ein Weg, der ja durchaus Anhalt an der eigenen Bandbiographie hätte.) Damit steht Wake the Sleeper in einem Genre, das oft den Eindruck macht orientierungslos zwischen Metal und Melodic Rock zerrieben zu werden, fast einzigartig da. Da macht plötzlich auch der CD-Titel richtig Sinn. Denn geschlafen haben Heep selber ja eigentlich nicht. Auch wenn es keine neuen (Studio)-Scheiben gab, waren sie an der Live-Front immer mächtig aktiv.

Der Titelsong ist eine superbe Rock-Overtüre, praktisch instrumental und eigentlich nur mit einem einzigen Stück aus der Vergangenheit vergleichbar, der „Roll Overture“ vom Head First-Album.
Mit „Overload“ steht dann gleich eins der Highlights an der Spitze des Albums, ein melodiöses Power-Paket mit teilweise dunklen Riffs, die dem Stück Tiefe geben. In der Mitte gibt es eine ruhige Bridge, die die Kraft des Umfelds noch einmal betont. Der Refrain hat Suchtpotenzial.
„Tears of the World“ ist weicher, erinnert in besonderem Masse an Sea of Light und setzt mit seinem mehrstimmigen Backing Chören eine für Heep charakteristische Tradition fort, die auch auf dem neuen Album allgegenwärtig ist. Neu-Drummer Russell Gilbrook, der erste Besetzungswechsel seit 1986(!), ist hier bereits voll eingebunden.
„Light of a Thousand Stars” ist in verschiedener Hinsicht typisch für dieses neue Album. Da ist zum einen der bereits erwähnte Mit-70er Sound von Gitarre und Orgel. Vor allem aber wirkt der Titel beim ersten Hören unscheinbar und fast banal, wächst sich aber immer stärker zur echten Mitsinghymne aus.
Auf den Startplätzen 5 und 6 folgen die unspektakulärsten Stücke des Albums. Zu seligen Vinylzeiten hätte man sie aufgrund der kürzeren Speizeit wahrscheinlich als Material für Single-b-Seiten aussortiert. Nun werden sie ein wenig im Mittelteil versteckt.
Danach geht es auf dem hohen Niveau der ersten Hälfte weiter. Die instrumentale Arbeit ist bei jedem Stück ausgefeilt und phantasievoll. Heep sind das gebliebenm was sie immer waren: eine Band, die weit über ein reines Strophe-Refrain-Schema hinausgegangen ist. Immer aber hat es auch Stücke gegeben, bei denen regelrechte instrumentale Feuerwerke abgebrannt wurden. Ein Beispiel dafür ist auf Wake the Sleeper das mit gut sechseinhalb Minuten längste Stück des Albums. „What Kind of God“ beginnt hymnisch bis eine Bass-Bridge von Trevor Bolder zu dem grandiosen Gitarren-Orgel-Finale überleitet. Das dürfte auch live ein Sahnestück werden. Nach dem treibenden „Ghost of the Ocean“ setzt das druckvoll schleppende „Angels walk with you“ einen ganz eigenen Akzent Etwas düsterer als der Tenor des Albums spielt hier die Orgel erneut ein dominierende Rolle. Das rhythmisch groovende „Shadow“ läutet dann die Schlussphase ein. Hier gibt es wieder einen grandios mitzufeiernden Refrain, der mit einer solierenden Gitarre unterlegt ist.

Zum Schluss ein Blick auf die Texte, der sich bei Uriah Heep immer schon gelohnt hat. Der früher häufige Fantasy-Aspekt wird dieses Mal nur von dem Seejungfrauen-Opus „Ghost of the Ocean“ bedient. Das politische Engagement, das sich in der Vergangenheit trotz gelegentlich recht martialischer Covergeststaltung nicht zuletzt in Antikriegs-Liedern geäußert hat, ist dieses Mal besonders deutlich. Es wird über die Realitätsflucht in virtuelle Welten nachgedacht, über das Gefühl eines relativ reichen Europäers in einer Welt voller Elend, über den Genozid an den Indianern und den Irrweg militärischen Pseudoheldentums.

Heep hätten es verdient mit diesem Album wieder einmal richtig durch zu starten!



Norbert von Fransecky



Trackliste
1Wake the Sleeper 3:34
2 Overload 5:59
3 Tears of the World 4:46
4 Light of a Thousand Stars 3:58
5 Heavens Rain 4:17
6 Book of Lies 4:06
7 What Kind of God 6:37
8 Ghost of the Ocean 3:22
9 Angels walk with you 5:25
10 Shadow 3:35
11 War Child 5:07
Besetzung

Mick Box (Git, Voc)
Trevor Bolder (B, Voc)
Phil Lanzon (Keys, Voc)
Bernie Shaw (Lead Voc)
Russell Gilbrook (Dr, Voc)



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