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Reviews
Müller, F. (Petersen Quartett)

Kammermusik für Streicher


Info
Musikrichtung: Kammermusik

VÖ: 01.05.2004

Capriccio / Delta Music
CD DDD (AD 2003) / Best. Nr. 67 106


Gesamtspielzeit: 55:34

Internet:

Petersen Quartett



NACH DER AVANTGARDE

Der junge Schweizer Komponist Fabian Müller (Jg. 1964) demonstriert hier mit vier kammermusikalischen Werken für Streicher die Freiheit des Komponierens in der jüngeren Generation nach dem Ende der europäischen Avantgarde.
Vorbei scheint die Zeit, dass ein einziges musikalisches System als verbindlich festgeschrieben wird. Mit der Postmoderne kam der Pluralismus der „Neo“-Stile: Neotonal, Neoromantik, Neoimpressionismus … Sämtliche Epochen einer enthistorisierten Musikgeschichte feierten fröhliche Auferstehung. Dur und Moll, tonal und atonal, Serialismus und Aleatorik – anything goes. Stilzitate als Methode, Aneignung durch Ironie, Nostalgie als Legitimation. Aufbruch und Eskapismus liegen da nahe beieinander, Kunstgewerbe und Kitsch sind ebenfalls nicht fern. Doch das gab’s und gibt’s auch bei den Avantgardisten.

Wüsste man nicht, dass die Stücke auf dieser CD in den Jahren 1996-2001 entstanden sind, so könnte man sie leicht für Schöpfungen des frühen 20. Jahrhunderts halten. Beim 1. Streichquartett, das diese Produktion eröffnet, denkt man zunächst noch an einen osteuropäischen Komponisten: Dafür sorgen die düster-expressive Chromatik, gewürzt mit archaischen Wendungen, vor allem aber der vorwärtsdrängende, tänzerische 12/8 Rhythmus. Ist das Kodaly? Gar Bartok? Doch der rhythmische Schwung stammt nicht, wie man meinen könnte, aus der slawischen Folklore, sondern ist einer Tanzform des Flamencos entlehnt, dem Bulerias. Am stärksten bestimmt er den 4. Satz, hintergründig ist er jedoch im gesamten Quartett präsent. Vergleichbar dunkle Farben bestimmen auch das kontrapunktisch dichte Streichquintett (1990/2000), das sich auf nicht weniger paradoxe Weise stilistisch zwanglos und dabei doch höchst geschlossen gibt.
Seine Fähigkeit, heterogenes Material ganz selbstverständlich und ohne vordergründig-effektvolle „Glättung“ oder virtuose Zurschaustellung zu größeren Einheit zusammenzuschmelzen, stellt Müller auch bei den übrigen Stücken unter Beweis: Das Streichtrio (1996) knüpft, so der Komponist, an die Klangwelt des Impressionismus an, verleugnet aber auch nicht die langjährige Beschäftigung mit der Musik seiner schweizerischen Heimat, die unter anderem in Kühreihen-Motivik und einem „falschen“ Ländler anklingt.
Immer noch befremdlich (aber auch befreiend) wirkt in einem Werk zeitgenössischer Musik die Verwendung von melodischem Material – hier vor allem im „lento“ überschriebenen 2. Satz. Wobei das Wort „Material“ eine technische Kühle verbreitet, die Müllers atmosphärischer und stimmungsgesättigter Musik völlig abgeht: Seine Melodien werden weder als falsches Zitat ironisch gebrochen noch abstrakten kompositorischen Verfahren unterworfen. „Irgend etwas liegt in dieser einfachen Tonfolge, das mich bewegt hat und immer noch bewegt. Das Motiv verfolgte mich lange, bevor überhaupt eine Vorstellung des zweiten Satzes vorhanden war.“ Das ist es – nicht mehr und auch nicht weniger. Bei der „Meditation“, dem letzten Satz aus dem Duo für Violine und Violoncello (2001), klingt das metrisch freie Thema sogar nach Gregorianik. Der Satz endet in schlichtem C-Dur.

Dass Müllers Musik überzeugt und nicht etwa nur anheimelnd klassisch klingt, verdankt sich auch dem engagierten Spiel des renommierten Petersen-Quartetts, das zusammen mit seinen Gästen in den unterschiedlichen Besetzungen durch sein konzentriertes, strukturbetontes Spiel den modernen wie retrospektiven Facetten der Musik gerecht wird.



Georg Henkel



Trackliste
01-04 Streichquartett (2000)
05-08 Streichtrio (1996)
09 Streichquintett (1990/2000)
10-14 Duo für Violine und Violoncello (2001)
Besetzung

Petersen Quartett:
Conrad Muck, Violine
Daniel Bell, Violine
Friedemann Weigle, Viola
Henry-David Varema, Violoncello

und:
Pi-Chin Chien, Violoncello
Tomasz Tomszewski, Violine
Andreas Wylezol, Kontrabass


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