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Reviews
Grieg, E. (Ruud)

Sigurd Jorsalfar


Info
Musikrichtung: Romantik

VÖ: 15.04.2004

BIS / Klassik Center Kassel (SACD Hybrid (AD: 2003) / Best. Nr. BIS-SACD-1391)

Gesamtspielzeit: 74:36

Internet:

BIS



NORWEGENS GANZER STOLZ

Wenn Norwegen noch heute seinen berühmtesten Komponisten, Edvard Hagerup Grieg (1843-1907), wie einen Nationalhelden verehrt, so beruht dies nicht zuletzt darauf, dass jener vielseitige Musiker dem damals noch unter fremder Herrschaft stehenden Land durch eine Einarbeitung und Veredelung seiner musikalischen Folklore zu neuem Selbstbewußtsein verhalf. In Bezug auf seinen Kollegen und persönlichen Freund Rikard Nordraak schrieb er einmal: »Es fiel mir wie Schuppen von meinen Augen; erst durch ihn lernte ich die nordischen Volkslieder und meine eigene Natur kennen. Wir verschworen uns gegen den durch Mendelssohn verweichlichten Skandinavismus und schlugen mit Begeisterung den neuen Weg ein, auf welchem sich noch heute die nordische Schule befindet.«

Was Grieg als Gegensatz zu der "Verweichlichung" sah, läßt sich an dieser neuen SACD exemplarisch nachempfinden. Am bekanntesten dürfte dabei die Bühnenmusik zu Bjønstjerne Bjørnsons Drama "Sigurd Jorsalfar" sein. Bjørnsen inspirierte Grieg durch eine Vielzahl solcher Dichtungen, die ihre Grundlage stets in altnorwegischen Heldensagen fanden.
Jene Schauspielmusik mit ihrer Vielgestaltigkeit und ihrer extrem raffinierten Vermischung folkloristischer und kunstmusikalischer Elemente, stellt dabei allerdings einen Höhepunkt in der Zusammenarbeit der beiden Künstler dar. Selbst der weit ausladende "Huldigungsmarsch" bleibt nicht auf dem Niveau tumber Marschmusik, sondern beinhaltet differenzierte Stimmungswechsel und zeichnet nachgerade ein Panorama der norwegischen Landschaft - mal rauh, mal erhaben, mal lieblich.
Dabei wird unverkennbar der Einfluß deutlich, den die deutschen Romantiker, und den auch Wagners Opernschaffen auf Grieg hatte. Nichtsdestotrotz hat dieser zu einer ganz eigenen, tatsächlich "skandinavischen" Tonsprache gefunden und scheute bei Orchesterwerken nicht vor dem üppigen Einsatz von Pauken, Blech und breitem Streicherklang zurück.

Für ein norwegisches Orchester und einen norwegischen Dirigenten ist es selbstredend Ehrensache, sich dieser Werke mit besonderer Sorgfalt anzunehmen. Interessanterweise vermeidet es Ole Kristian Ruud, klanglich allzuviel nationales Pathos aufzutragen. Dazu mag manches der Stücke verführen. Ihm aber gelingt es durchaus, die Perspektive des Komponisten der Romantik in den Vordergrund zu stellen. So präsentiert er etwa die Bühnenmusik zu "Sigurd Jorsalfar" als von dramatischem Geist durchdrungen, ohne dass dies mit übertrieben theatralische Geste einherginge.
In den beiden zugehörigen Liedern wirft sich Håkan Hagegård dann allerdings durchaus kräftig in die baritonale Brust.

Auch bei der sog. "Landerkennung", op. 31, die man wohl als inoffizielle zweite Nationalhymne Norwegens bezeichnen darf, trägt Grieg das vaterländische Gefühl recht dick auf. Ruud versucht das abzufedern, indem er den Chor überraschend licht besetzt, was aber immer noch ausreichenden Effekt macht.

Mit "Bergliot" greift Grieg die im 18. und 19. Jahrhundert immer wieder anzutreffende Form des Melodrams auf, in welchem ein Text gesprochen und das geschilderte Geschehen musikalisch nachvollzogen bzw. illustriert wird. Dank der furiosen Leistung der Schauspielerin Gørild Mauseth wird das Stück zum Aha-Erlebnis: Durch ihren emphatischen Einsatz, ihre breite Palette vom Flüsterton bis zum Schrei mit dem "Mut zur Häßlichkeit", entsteht ein ganz und gar lebendiges Kunstwerk, in dem sich Wort und Musik perfekt ergänzen. Kalte Schauer rieseln einem so den Rücken hinunter, wenn die Geschichte von Bergliot erzählt wird, deren Sohn und Gatte durch den König ermordet wurden, und die (letztlich vergebens) danach trachtet, die feige Tat durch die Ermordung des Königs rächen zu lassen.

Nicht weniger dramatisch und mit ähnlich filmmusikalischen Mittel wartet der Trauermarsch auf, den Grieg für seinen Freund Nordraak schrieb und den er selbst zu seiner Beisetzung gespielt wissen wollte. Johan Halvorsen arrangierte das Werk zu diesem Zweck für großes Orchester. Das Bergen Philharmonic Orchestra präsentiert sich auch hier technisch in Bestform und äußerst kraftvoll im Einsatz. Schön werden die lyrischen Passagen - die man sich allerdings stets noch etwas schwärmerischer denken könnte - von den marschartigen Sequenzen abgesetzt, in denen die Kesselpauken dröhnen.

Das abschließende Stück, die Geschichte des "Bergentrückten", beruht wiederum auf einer norwegischen Volkssage. Breit angelegte Streichereinsätze und Bläsersignale, sowie die langgezogenen Linien des Baritonsolos lassen erneut an Wagner denken - Håkan Hagegård betont diesen Umstand durch seinen deutlich opernhaften Gesang zusätzlich.

Ein bißchen norwegisches Nationalgefühl muß man schon aufbringen oder aushalten, um diese SACD genießen zu können. Dann aber läßt sie einen Grieg bei bester Tonqualität und tadelloser Interpretation in einem breiten Spektrum als bedeutenden Musikdramatiker entdecken.



Sven Kerkhoff



Trackliste
1-8 Sigurd Jorsalfar, op. 22 34:31
9 Landkjenning, op. 31 06:30
10 Bergliot, op. 42 18:37
11 Trauermarsch für Rikard Nordraak, EG 117 07:49
12 Den Bergtekne, op. 32 05:37
Besetzung

Håkan Hagegård (Bariton)
Gørild Mauseth (Erzählerin)
Männerstimmen des Bergen Philharmonic Choir
Bergen Philharmonic Orchestra

Ltg. Ole Kristian Ruud



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