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Musik an sich
 
Brian Berryman: Crossing the border
Bereits erschienen (MDG)
Barock / Folklore
 

"Crossing the border", die Grenze überschreiten, so hat der kanadische Flötist Brian Berryman seine neue CD betitelt, die auf der Crossover-Welle zu schwimmen scheint: Auf ihr findet sich barocke Flötenmusik des 18. Jahrhunderts und Volksmusik aus Schottland, England und Irland. Crossover aber ist es nur aus unser heutigen Perspektive, denn dass der Graben zwischen volkstümlicher Unterhaltung und gehobener Kultur nicht immer so tief war, wie heute zwischen Carmen Nebels "Frühlingsfest der Volksmusik" und Gerard Mortiers Ruhrtriennale, beweist dieses ehrgeizige Projekt eindrucksvoll.

Berühmte Barockkomponisten wie Gemminiani und Johann Christian Fischer ließen sich vom musikalischen Reichtum der Musik der Britischen Inseln inspirieren. Auch später noch, so in Liedvertonungen Beethovens und Haydns, waren ja die Volkslieder von dort auf dem Kontinent beliebte Grundlage musikalischer Experimente.

Berryman stellt barocke Variationen und Bearbeitungen solcher Volkslieder neben Lieder bzw. volkstümliche Tänze im traditionellen Stil. Alles wird präsentiert von einem Ensemble aus Flöte, Gitarre/Laute/Theorbe und Cembalo, also eher kammermusikalisch zurückhaltend. Die Flöte, seit jeher Surrogat der menschlichen Stimme, ist ohne Zweifel ideal geeignet zum Vortrag dieser liedhaften Kompositionen. Berryman gewinnt ihr viele Klangfacetten ab und beherrscht sie virtuos. Ihn begleiten Axel Wolf (Gitarre) und Eckhart Kuper(Cembalo) engagiert, halten sich aber deutlich im Hintergrund.

Für die filigraneren Barockkompositionen ist die Besetzung dabei insgesamt besser geeignet, als für die eigentliche Folk-Musik, denn sie büßt dadurch doch einiges an Kraft und Lebendigkeit ein. Hier wäre man vielleicht besser beraten gewesen, nicht auf dem programmatischen Satz des Booklets zu beharren, demzufolge die Musik der scheinbar getrennten Gattungen "auf den gleichen Instrumenten, von den gleichen Musikern" gespielt werden könne. Gewiß kann sie, aber bei einer derart üppigen Spielzeit (knapp 77 Minuten) wäre ein wenig mehr Mut zur Abwechslung und zum Ausprobieren verschiedener Ensembles gewiß geeignet gewesen, Ermüdungserscheinungen des Hörers vorzubeugen, die durch die ständige Dominanz der Flöte, mag sie noch so schön und fehlerlos gespielt sein, begünstigt werden.

Nichtsdestotrotz muß die CD als gelungene Gratwanderung gewertet werden, die für uns scheinbar unvereinbares miteinander versöhnt und womöglich auch geeignet ist, beim eingefleischten Folk-Fan Interesse an Barockmusik, beim überzeugten Barock-Liebhaber Neugier auf Folk im Wandel der Zeiten zu wecken. Schon deshalb ist das Projekt allen Lobes wert, das insoweit auch dem risikofreudigen Label gebührt, welches zudem einmal mehr ein sorgfältiges, mit Liebe zum Detail gearbeitetes Booklet vorlegt und die CD in makelloser Klangqualität präsentiert.

14 von 20 Punkte

Sven Kerkhoff

 

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