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Supertramp in Berlin
 

Kapitel 1: Die Vorfreude
Klassik-Konzerte liegen bei mir zahlenmäßig weit vorne. Obwohl die Klassik-Abteilung nur einen sehr(!) marginalen Teil meiner Plattensammlung (2%??) darstellt. Aber die Rahmenbedingungen bei Rock-Konzerten, die oft sehr späten Anfangs- und vor allem Endzeiten, sowie die zumeist übel verrauchten (Hey, wir Raucher sorgen dank der Tabaksteuer dafür dass es überhaupt Straßen in diesem Land gibt! Und sind außerdem cool!! - Anm.d.Red.) Locations, lassen mich in der Regel vom Besuch Abstand nehmen.

Höchstens zwei, drei Rock-Konzerte im Jahr haben aber auch eine positive Nebenwirkung. Der Besuch wird nicht zur Routine. Das Konzert beginnt für mich wie im herrlichsten Jugendalter immer noch bereits Tage vorher mit der Vorfreude. Und an der will ich Euch teilhaben lassen. Springen wir also kurz zum 1. Juni, genau zehn Tage vorm großen Supertramp-Konzert in Berlin. (Ungeduldige springen einfach gleich zum 2. Kapitel)

1. Juni 2002
Mein persönlicher Countdown zum Supertramp Open Air in der Walbühne am 11. Juni beginnt zu ticken. Von nun an beobachte ich die Wetterberichte mit den selben gemischten Gefühlen, wie T-Online-Anleger die Aktienkurse oder Gerhard Schröder die Werte seiner Partei in den Umfragergebnissen.

4. Juni 2002
Lang verschüttete Erinnerungen werden wieder wach.
Fast genau 19 Jahre ist es her. Am 21. Juni 1983 standen die alten Helden unter dem Slogan "A Midsummer Night Concert" auf der Bühne im Hamburger Volksparkstadion. Weil es die Abschiedstournee mit Roger Hodgson war, war ich sogar bereit die völlig überzogene Summe von 35,-- DM für die Karte auf den Tisch des Hauses zu legen. (Immerhin gab´s als Zugabe noch Chris de Burgh im Vorprogramm, der damals auf dem Zenit seiner Karriere stand.)

7. Juni 2002
Ich beginne meine sonstigen Pflichten für MAS zu vergessen. Rezi-CDs finden nur noch beim Abwaschen in der Küche statt. Der 5-er-Wechsler im Arbeitszimmer ist von Supertramp blockiert. Die beiden neuen CDs und drei Klassiker, "Crime of the Century", "Even in the quietest Moments..." und natürlich "Breakfast in America", rotieren im Random-Lauf durch den Player. (Stellt sich im nachhinein als die tatsächlich optimale Bestückung im Blick auf die Playlist vom 11. heraus.)

8. Juni 2002
Mein Player scheint was gegen die "Crime" zu haben. Bislang kein Stück von ihr zu hören gewesen. Ich entschließe mich, die mittlerweile deutlich überrepräsentierte "Even" raus zu schmeißen und gegen die "Famous last Words" auszutauschen.

9. Juni 2002
Der Trick hatte Erfolg. "School", "Bloody well right" und "Dreamer" hat der Zufall schon gegriffen.
Weniger gegriffen haben offenbar meine Gebete. Die Wetterberichte lassen den Dienstag-Abend in großer Schwebe.

10. Juni 2002
Der Vormittag ließ hoffen, aber abends zu der Zeit, zu der morgen Supertramp auf der Bühne stehen werden, fiel das Wasser eine gute Stunde lang nur so vom Himmel. Der Wetterbericht verspricht für morgen ähnliches.
Der ´83-Event wird sich so also wohl nicht wiederholen. Damals wurde Chris de Burgh von einer glühende Sommersonne geradezu zur Bedeutungslosigkeit zerstrahlt. Supertramp eröffneten ihr Konzert, als hinter der gegenüberliegenden Stadionkurve gerade die Sonne unterging. Die Bühne war in warmes goldenes Abendlicht getaucht. Dann wurde es langsam dunkel und die vorwiegend aus Pastellfarben bestehende Lichtanlage konnte ihren Charme voll ausspielen. Über der Bühne befand sich eine mehrere Quadratmeter große Leinwand (ausgespannt zwischen den Licht-Traversen über der Bühne und einem Teleskopkran, der außerhalb des Stadions parkte). Darauf zu sehen Trickfilme (bei "Crime of Century") und Kriegsbilder (bei "Even in the quietest Moments" - so viel erinnere ich noch).

11. Juni 2002
13.45 Uhr. Ich bange wegen des Wetters. Alle anderen bangen wegen der Fußballweltmeisterschaft - in den Klassenräumen genauso wie im Lehrerzimmer. Die letzte Unterrichtsstunde wurde von mir und einem Erdkunde-Kollegen zur Fußballstunde umfunktioniert. Am Ende der Stunde - und der ersten Halbzeit - sah es düster aus. Kamerun deutlich stärker und Deutschland nur noch mit 10 Mann auf dem Platz. Dafür klart der Himmel auf. ...und ich würde mich auch für die Kameruner freuen.

17 Uhr. Noch eine kurze Fahrradfahrt durch den Wald gemacht, bevor ich aufbreche. Es sieht gar nicht so schlecht aus. Es ist zwar etwas kühl, aber freundlich, sonnig, nur gering bewölkt. Sollte nach dem deutschen Sieg heute Mittag noch ein zweites halbes Wunder geschehen????

18.30 Uhr: Zu hause bei prima Wetter abgefahren. Habe aber das Gefühl richtig unter die aufziehenden Regenwolken drunter zu fahren.

19.00 Uhr: Ankunft in der Walbühne. Erste Tropfen (ganz dünn) auf der Haut gespürt. Alle andere folgt in der nun folgenden Konzertkritik. Nur eins vorweg. Es blieb trocken, etwas zu kühl vielleicht, kein Sommerkonzert wie anno ´83, aber ohne wirkliche Beeinträchtigung durch einen nicht mitspielenden Petrus.

Kapitel 2: Das Konzert

Playlist
1. School
2. Slow Motion
3. Over you
4. Bloody well right
5. Tenth Avenue Breakdown
6. Cannonball
7. Sooner or later
8. Free as a Bird
9. Downstream
10. Asylum
11. Give a little Bit
12. From now on
13. Take the long Way home
14. Another Man´s Woman
15. The logical Song
16. Goodbye Stranger

Zugabe
17. Broken Hearts
18. Rudy
19. Crime of the Century

Bis einige Minuten nach 19 Uhr konnte man das Treiben der Roadies und Stage Hands auf der Bühne betrachten. Vom Band lief Musik, die dem Alter des zusammengekommen Publikums entsprach: Wings, Jethro Tull, Donovan. 80 bis 90 Prozent der gut 11.000 zahlenden Gäste dürften schon auf der Welt gewesen sein - und ein großer Teil auch bereits eingeschult, als sich Supertramp 1969 zur Band zusammenfanden. Endlich mal wieder ein Rock-Publikum, bei dem ich angejahrter Schreiberling mich nicht fühlen musste, wie ein Sozialarbeiter im Jugendlager.

Das Fehlen jüngerer Gäste konnte allerdings kaum überraschen. Waren die Briten in den letzten zwölf bis 15 Jahren in den Medien doch praktisch nicht in Erscheinung getreten. Das Radio- und Charts-Publikum konnte so - außer durch die gelegentliche Begegnung mit einem der Bandklassiker - kaum auf den Geschmack gebracht werden. Erstaunlich eher, dass es die Band nach so langer Zurückhaltung (Zwei Alben in den letzten 15 Jahren) praktisch aus dem Stand geschafft hat, die Waldbühne ordentlich zu füllen. Das Amphitheater war zwar nicht ausverkauft, aber bis in die obersten Ränge besetzt. Es waren genug Lücken in der Menge, um bequem zu schauen und zu tanzen, aber ein Gefühl ungemütlicher Leere konnte weiß Gott nicht aufkommen.

19.13 Uhr: Für knappe zwei Minuten wurde ein schwarzer Vorhang vor die Bühne gezogen. Punkt 19.15 Uhr erklangen die Eingangsakkorde von "School". Klar, Supertramp - ein Gigant, der die Hände voller Trümpfe hat - kann es sich leisten einen solchen Klassiker gleich zum Start zu verheizen.

Fünf Tracks von den beiden neuen Alben - dazu Highlights aus 30 Jahren Bandgeschichte. So sollte das Programm des Abends aussehen. Und John Anthony Helliwells Versprechen, das er in der Begrüßung machte "Wir werden Stücke aus allen unseren Alben spielen", wurde fast eingelöst. Denn mit den ersten beiden Alben hat auch nach dieser Ansage wohl niemand ernsthaft gerechnet. Von den Nachfolgern wurden nur die "Famous last Words", das Abschiedsalbum von Roger Hodgson, ignoriert. Vielleicht ein Hoffnungszeichen an die Fans, dass die "One more for the Road"-Tour doch keine letzten Worte, keine Abschiedstournee von Supertramp sein soll, wie es in den Ankündigungen immer wieder angedeutet wurde ???

Die erste Viertelstunde wurde mit zwei Tracks vom aktuellen Album "Slow Motion", gerahmt von zwei "Crime of the Century"-Klassikern, gefüllt. Danach waren einige Fragen geklärt. Erstens bestand das Publikum nicht aus reinen Nostalgikern. Zumindest auf der Rasenfläche vor der Bühne war das neue Album offenbar bekannt. Und die Tracks wurden freudig begrüßt. Denn, das wurde als Zweites deutlich. Sie passen sauber und organisch in das alte Material hinein und halten das Qualitätslevel der Klassiker solide. Aber drittens, die Erinnerungen und die lange Geschichte, die für viel der Anwesenden mit den alten Stücken verbunden sind, gibt ihnen natürlich eine besondere Dignität. Und so ging die Post dann auch bei "Bloody well right" zum ersten Mal so richtig ab. Auch kleinere Soundprobleme, die "School" noch etwas verdröhnt erklingen ließen, waren überwunden.
Und Helliwell, der sich selber als Conferencier vorgestellt hatte, hatte sich auch bei Supertramp-Live-Neulingen als "sophisticated clown" geoutet. Mit echt britischem Understatement verfiel er von einer Blödelei in die nächste und zog dabei die ganzen guten alten Supertramp-Requisiten aus der Tasche - von der ´"Right"-"Quite right"-Flüstertüte, über´s kleine Glöckchen bis hin zum Telefon. Bei "Another Man´s Woman" erschienen dann sogar Sonnenschirm und -stuhl auf der Bühne.

Optische Spielereien mit Licht und Video gab es dafür bei dieser Tournee so gut wie gar nicht. Auf Video-Präsentationen wurde vollständig verzichtet. Die Lichtanlage war auf das Nötigste reduziert. Äußerst sinnvoll bei der Auftrittszeit an einem frühen Sommerabend. Die wenigen Spielereien, die zwischendurch auf die Bühnenrückwand hinter der Band projeziert wurden, konnten sich optisch jedenfalls sowieso kaum durchsetzen.
Kein Verlust. Denn Supertramp machen mit ihrer Musik Show, und brauchen keine Show um ihre Musik zu verkaufen. Die 19 Tracks wurden von den sieben Musikern perfekt inszeniert, drohten aber an keiner Stelle in Sterilität abzudriften. Die Zurückhaltung an der Live-Front (an allen Fronten, um genau zu sein) zeigte hier ihre positive Seite. Da wurde kein 08/15-Auftritt an einem der unzähligen Konzertabende am Ende()? Einer 30ig-jährigen Karriere gezeigt. Die Band hatte spürbar genauso viel Freude daran, die alten Songs wieder einmal zu spielen, wie das Publikum sie zu hören.
Eine bange Frage soll noch beantwortet werden. Gelang es den selbstverständlich fehlenden Roger Hodgson zu ersetzen? Die Antwort muss grundsätzlich "Ja" lauten. Mark Hart löste diese Aufgabe nicht hundertprozentig. Wenn man sich seiner Performance mit kritisch fragendendem Ohr direkt widmete, war eine Fehlen an Charisma im Vergleich mit dem überlebensgroßen Vorgänger unüberhörbar. Aber Hart - und mit ihm der Rest der Band - schaffte es eine so mitreißende Atmosphäre auf das Publikum zu übertragen, dass derartige Erbsenzählerei eigentlich nur noch von chronisch magenkranken Misanthropen durchgeführt sein dürfte.
Wenngleich die Band aus den 70ern stammt, ausschweifende Soli sind ihre Sache nie gewesen. Auch im neuen Millenium blieb es bei Akzenten, mit denen vor allem die Tracks der nur je mit einem Titel vertretenen Alben "Crisis? What Crisis?" und "Some Things neber change" aufgewertet wurden. "Sooner or later" vom ´97er Album erhielt ein Keyboard-/Gitarren-Solo, das die schon in der Studio-Version vorhandenen Santana-Anklänge weiter ausbaute. "Another Man´s Woman" konnte gar mit einem derart exzessiv ausufernden Davies-Piano-Solo glänzen, wie es in der Supertramp-Gesichte meines Wissens nach bislang einzigartig ist. Am Ende stieg die Band - und das Publikum! - voll mit ein und machte das Stück zu einem der Höhepunkte des Abends. Die kann man - die Publikumsreaktionen als Maßstab genommen - vor allen an folgenden Stücken festmachen: bem bereits erwähnten "Bloody well right", dem überraschend im Programm befindlichen "Canonball", "Give a little Bit", und "Take the long Way home", mit dem nach weit über einer Stunde Spielzeit endlich ein lange erwarteter erster Track vom Klassiker "Breakfast in America" aufgeführt wurde.

Die einzige ernste Enttäuschung boten Supertramp am Ende des Konzertes. Nach dem Ende der Zugabe tobte die Waldbühne wie ein Mann. Aber es war an den neben den Vorhängen wartenden Roadies, die die Verstärker bereits ausstöpselten bevor die Band richtig von der Bühne war, klar erkennbar, dass die Helden nicht bereit waren, in irgendeiner Weise auf die Publikumsreaktion zu reagieren. Das wirkte dann doch sehr nach tarifmäßiger Diensterfüllung von Musikbeamten. Das löste Unmut aus, der auch in den abfahrenden S-Bahnen noch deutlich die Gespräche bestimmte.

Dazu passten an diesem Abend bestenfalls die Merchandise- und Getränke-Preise: T-Shirt 25 Euro, Polo-Shirt 45 Euro, kleines Bier 2,50 Euro.

Line up
John Anthony Helliwell - allerlei Blasinstrumente
Rick Davies - Vocals, piano, keyboard
Bob Siebenberg - Drums
Mark Hart - Keyboards, vocals
Carl Verheyen - Guitars, percussion, keyboards
Cliff Hugo - Bass
Jesse Siebenberg - Keyboards, percussion

Norbert von Fransecky

 

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