Americana - viel bunter als weiß und patriotisch




Info
Autor: Thomas Kraft

Titel: Americana. Ein zerrissenes Land im Spiegel der Country Music

Verlag: Verlag Andreas Reiffer

ISBN: 978-3-910335-25-7

Preis: € 25

320 Seiten


Country Music gilt als die amerikanische Musik schlechthin. Von daher ist der Gedanke den Zustand der USA in dieser Zeit aus der Perspektive der Country Music heraus zu betrachten nicht abwegig. Wobei Thomas Kraft Country Music und Americana oft fast wie Synonyme gebraucht. Er verzichtet leider zu Beginn seiner Betrachtung darauf zu definieren, was genau er denn unter Americana versteht. Wenn man es aus dem ableitet, was er schreibt, kann man unter Americana wohl alle Musiken verstehen, die ihre Wurzeln im Country haben, egal welche Elemente sie im Laufe der Jahrzehnte mit aufgenommen haben.

Kraft geht sein Thema in drei Schritten an. Einleitend zeigt er an einigen Beispielen, wie konservative bis rassistische Politiker Country-, bzw. Americana-Songs benutzen, um ihre Politik zu unterstützen. Das macht deutlich, dass diese Art von Musik in diesen Kreisen zieht. Der Umkehrschluss, dass die benutzten Musiker die Politik dieser Politiker unterstützen, ist nicht ganz so schlüssig. So hat Bruce Springsteen massiv protestiert als Ronald Reagan „Born in the USA“ für seine Zwecke nutzen wollte. Und Trump hat unter anderem Stücke von R.E.M., Neil Young und eben auch wieder Springsteens „Born in the USA“ genutzt – Musiker, die in keiner Weise verdächtig sind mit Trump zu sympathisieren.

In einem zweiten – ebenfalls recht kurzen – Kapitel beschreibt Kraft die Seelenlage vieler weißer europa-stämmiger Amerikaner, für die der „American Dream“ vom Tellerwäscher zum Millionär zu werden, nicht nur völlig unerreichbar (geworden) ist, sondern die immer wieder sehen, dass sie von jüngeren Migrantenwellen überholt und abgehängt werden.

Das Hauptkapitel beschreibt dann die Geschichte dessen, was für Kraft Americana ist. „Erfunden“ wurde sie laut Kraft in den südlichen Appalachen (S. 68). Dass sie aber die Musik der abgehängten Landbevölkerung sei, ist ein Mythos, der bereits früh nur für einen Teil seiner Hörer und Macher zutraf. „Classic Country ist weiß, männlich, patriotisch.“ (S. 69) sei ein Satz, der eine Ansicht beschreibt, die „in diesen politisch unruhigen Zeiten“ zweifellos noch existiert, aber „Country Music [ist] mittlerweile ein vielstimmiger Chor, der eine komplexe amerikanische Geschichte erzählt.“

Diesen Chor verfolgt Kraft durch die Jahrzehnte, beschreibt wie sich einzelne Künstler (Bsp. die Dixie Chicks) offensiv aus der konservativen Vereinnahmung herausbewegen und wie die Country Music sich der Verbindung mit modernen Musikstilen öffnet. Das geschieht nicht ohne Kontroversen. So waren die Proteste deutlich als Pop-Stars zu traditionellen Country-Veranstaltungen eingeladen wurden. Zum Ende hin wirft Kraft auch noch einen Blick auf die mittlerweile existente queere Country-Szene.

Damit füllt Kraft 200 Seiten seines Buches. Es folgt ein über 100-seitiger Anhang, in dem ca. 500 Americana-Alben gelistet sind. Dabei werden manche einfach nur genannt. Bsp.:

GEORGIA SATELLITES: Georgia Satellites (Elektra)
Aus Atlanta, Georgia. Debüt. Bluesiger Southern Rock. Jodelnder Sänger Dan Baird.
ANSPIELTIPP: “Keep your Hands to Yourself“

(S. 234; Großschreibung beim Autor)

Andere Alben, z.B. Bayou Country von Creedence Clearwater Revival oder Lucinda Williams selbstbetiteltes Debüt, werden mit bis zu vier-seitigen Artikeln bedacht.


Norbert von Fransecky



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