Verkehrsprobleme: Godsleep und Aptera im KuBa Jena, aber in umgekehrter Reihenfolge




Info
Künstler: Aptera, Godsleep

Zeit: 30.04.2025

Ort: Jena, KuBa

Fotograf: Gerasimos Kolaitis

Internet:
http://www.kuba-jena.de
http://www.facebook.com/Godsleepband
http://www.facebook.com/apteraberlin

Mit der Anreiselogistik von Bands zu ihren Spielorten verbinden sich bisweilen ganz besondere Geschichten – und der letzte Aprilabend des Jahres 2025 bietet auch eine solche. Godsleep, die an diesem Abend als Headliner im KuBa in Jena ihre „Don’t Wanna Feed The Nightmare“-Tour eröffnen wollen, spielen am Abend zuvor noch in ihrer Heimatstadt Athen einen Gig mit den Amis Whores., also eine beträchtliche Kilometerzahl von Jena entfernt – sie schaffen es aber, rechtzeitig am Saaleufer einzutreffen. Aptera hingegen, die etatmäßige Supportband, müssen „nur“ aus Berlin anrücken und haben Pech: An diesem Nachmittag prallen auf der A9 bei Coswig in einer Baustelle zwei LKW frontal zusammen, und die Bergungsarbeiten ziehen sich letztlich mehr als zwei Tage hin, führen zu einer Vollsperrung der vielbefahrenen Magistrale und damit zu einem riesigen Verkehrschaos in dem Areal rund um die Unfallstelle, in dem auch Aptera steckenbleiben.

Noch besteht aber Hoffnung, dass sie der Blechlawine vielleicht doch noch entrinnen können – also wird erstmal die Anstoßzeit um eine reichliche halbe Stunde nach hinten verlegt, und es beginnt nicht der Support, sondern der Headliner zu spielen. Godsleep treten in Quartettbesetzung an und machen schon in den ersten beiden Songs klar, dass es gar nicht so einfach ist, sie zu klassifizieren. Bietet der Opener „Cracks“ noch flotten modernen Hardrock, wird er allerdings mit einem Hauptbreak garniert, das eher an Elektro-Black Metal erinnert, wie ihn etwa The Kovenant um die Jahrtausendwende inszenierten. Vom Grundsatz her ist auch der Folgesong „Gods“ irgendwo im modernen Hardrock anzusiedeln, aber hier spielt der Gitarrist melodische Leads, die auf die großen Zeiten des klassischen Melodic Rock zurückverweisen. Drei Alben haben Godsleep bisher draußen, aber das aktuellste, Lies To Survive, ist schon wieder zwei Jahre alt, und so packt das Quartett mit „Fucks Forever“ (oder so ähnlich) danach einen noch unkonservierten Song aus, der wieder alles bisher Gehörte auf den Kopf stellt – das ist nämlich eine Doomhymne, und da die Sängerin sich hier ihres bisherigen Zweitgitarristenjobs entledigt, kommt dem orchestralen Background, dessen Zuspiel der Drummer koordiniert, eine markante Wirkung zu, wobei die Samples aber auch schon bisher bestimmte Songelemente markant geprägt haben, etwa den erwähnten Elektro-Black-Metal-Part, und der Drummer zudem bisweilen von seinem regulären Kit an ein elektronisches wechselt. Songs mit und ohne Zweitgitarre wechseln sich munter ab, allen aber ist in der Gitarrenarbeit ein latenter waviger Touch gemein, der somit auch die unterschiedlichsten Songs immer noch zusammengehörig erscheinen läßt. Eine Nummer wie „Physics“ besitzt logischerweise mehr Elektroelemente als etwa „Permanent Vacation“, ein großes, teils psychedelisches bzw. angeproggtes Epos, das einen schweren Midtempo-Power-Metal-Part eingepflanzt bekommen hat – und anhand der Beschreibung hat der Leser sicher schon geschlossen, dass das keine Aerosmith-Coverversion darstellt. In die gebotene Vielfalt reiht sich auch die Sängerin ein, die bisweilen melodisch singt, oft leicht angerauht agiert, bedarfsweise aber auch blitzartig in blackmetallisches Gekreisch wechseln kann. In „Bridges“ führt das zu einem fies gegrölkreischten Refrain, der dem knackigen, wieder leicht elektronisch angereicherten Hardrock eine spezielle Note gibt, wobei der Gitarrist bisweilen Backings singt, dabei aber im cleanen und oft recht hohen Bereich bleibt. „Ded Space“ vom 2018er Zweitling Coming Of Age schließt den Set ab – ein weiteres großes mit viel Psychedelik und Prog spielendes Epos, ausladend, intensiv und vom kopfzahlseitig relativ übersichtlichen Publikum mit viel Applaus quittiert, zudem wie der ganze Set in annehmbarer Lautstärke und guter Klarheit dargeboten. Zu einer Zugabe lassen sich die Griechinnen und Griechen aber nicht überreden.


„Does anybody know if Aptera have arrived?“, hatte die Sängerin vor „Ded Space“ gefragt. Nein, sie sind noch nicht da – aber sie sind quasi schon ante portas, wie sich herausstellt, denn während Godsleep diesen langen letzten Song spielen, treffen die vier Berlinerinnen ein. Ergo wird in Windeseile umgebaut und der einzige Soundcheck des Quartetts sozusagen vor Publikum absolviert. 23 Uhr hätte das Konzert nach normalem Zeitplan enden sollen, und kurz vor 23 Uhr können Aptera dann endlich loslegen. Uneingeweihte verwirrt zunächst der Umstand, dass die Kommunikation zumindest der drei Frontfrauen beim Soundcheck komplett in Englisch stattfindet. Ist der Berliner Dialekt der Mädels so übel, dass ihn außerhalb der Hauptstadt niemand versteht? Nein – der Grund liegt woanders. Zwar steht der Proberaum des Quartetts in Berlin, aber alle vier Mitglieder sind zugezogen: Die Drummerin stammt aus den USA, die Bassistin aus Belgien, die Gitarristin aus Brasilien und die Sängerin/Gitarristin aus Italien. Dieses Quartett erzeugt nun einen eigenartigen tempovariablen Mix aus Doom, Thrash, Southern Rock und Black Metal, der mal mit High On Fire verglichen worden ist, was gar nicht so weit hergeholt anmutet, aber nur einen von etlichen Ankerpunkten bietet. Der Opener „Voice Of Thunder“ holt jedenfalls erstmal Riffing aus der weiterentwickelten Sabbath-Schule hervor, was hier Combos wie The Obsessed meint, während trotz einiger Psycho-Elemente Saint Vitus etwas weiter entfernt lagern. Dazu kommt allerdings ein vielseitiger Gesang, zu dem alle drei Saitenspielerinnen beitragen, wobei sich die Bassistin auf extrem fieses blackmetallisches Gekreisch spezialisiert, während vor allem die Leadsängerin von lieblicher Melodik über intensitätsseitig abgestuftes Gehuste bis zum fiesen Gebrüll alles drauf hat und die Gitarristin schließlich irgendwas einwirft, was stilistisch gerade paßt. Nicht am Gesang beteiligt ist die Drummerin, die aber auf andere Weise ihr Scherflein zum Gelingen des Gesamtkonzepts beiträgt – schon beim Aufbau ist das zierliche Persönchen als quasi hyperaktiv aufgefallen, schleppt problemlos eine Bassdrum, die fast so groß wie sie erscheint, und spielt enorm vielseitig und kraftvoll, mal alles zum Scheppern bringend, was gerade da ist, mal auch reduziert und geradlinig, wo es der Song verlangt. Das tut z.B. „Hellbender“ nach verschrobenem Hauptteil – als Interludium kommt nämlich mehrfach geradliniges Ufta-Ufta, das dann allerdings jeweils in einen Blastspeedpart mündet. Verwirrung stiftet „When The Police Murder“, das mit einem fast schwingenden Dreiertakt daherkommt, dann aber in finstere Doomwelten mündet, die wiederum mit melodischen, fast ätherischen Vocals ausstaffiert werden. „The next song is our ballad“, wird „Unbearable Stain“ angekündigt, und die Strophen klingen tatsächlich auffällig luftig, werden aber schon im Intro und dann noch mehrfach von wildem Getrümmer konterkariert und mit wüsten „Burn!“-Shouts garniert. „Black Veil“, aktuelle Single des Quartetts, kombiniert rhythmisch abgepfiffene Strophen mit melodischer, manchmal auch classicproglastiger Schlagseite und fällt ziemlich kurz aus, während „Knife Taste“ als ältester Song des Sets, von der selbstbetitelten 2019er Debüt-EP stammend, mit seiner Anlage aus drei Teilen relativ klar strukturiert und das auffälligste Gitarrensolo des Sets beinhaltend, die etwa 40minütige Darbietung abschließt. Die ausgeharrt habenden Anwesenden zeigen sich von dem, was die Mädels machen, durchaus angetan, auch wenn der Sound gerade im Gitarrenbereich noch Klarheitsreserven offenbart hat – aber das wäre im Falle eines planmäßigen Eintreffens der Band sicher noch ausgefeilt worden. So ist man froh, dass Aptera es überhaupt noch nach Jena geschafft haben, auch wenn sie sich gleichfalls nicht zu einer Zugabe überreden lassen.


Roland Ludwig



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