Tim Thoelke

Böse See


Info
Musikrichtung: Shanty-Rock

VÖ: 09.04.2021

(Noise Appeal)

Gesamtspielzeit: 43:38

Internet:

https://www.timthoelke.de/
https://www.noiseappeal.com/
https://bite-it-promotion.de/


Den 1972 in Hannover geborenen Tim Thoelke werden viele möglicherweise gar nicht einmal als Musiker, sondern durch den Sport kennen, ist er seit 2011 doch Stadionsprecher beim RB Leipzig, und zudem DJ und Moderator.

Dabei war er bereits früher musikalisch aktiv, so in einer Punkband namens The Devil In Shorts und in der Band Systemhysterie. In Verbindung mit dem Leipziger Fussballverein entstand 2017 als Zusammenarbeit mit Julius Fischer ein Fansong = "Wir sind die Crew(von RB Leipzig)".

Nun ist des Künstlers Debüt-Album erhältlich, Böse See. Angesichts einiger der acht Songtitel könnte man fast vermuten, es handle sich thematisch um eine Platte mit Seemanns-Liedern, so, wie sie einst Achim Reichel vorgelegt hat. Und wenn ich bei den Danksagungen im Booklet auch noch dessen Namen entdecke, dann verhärtet sich dieser Gedanke. Wo ich gerade das Booklet erwähnte, ein Blick hinein, es sind alle Texte vorhanden, dann entdecke ich, dass ich wohl auf der richtigen Fährte war. Worte wie "Schifferklavier", "Hafen", "Docks", "Fischer", "Möwen", "Küste", "Bark", "Sturmwind", "Smutje"....., und ich fühle mich wie zu Hause.

Im Pressetext wird es dann auch so formuliert: Wir begeben uns von der beschaulichen Küste zu den Docks und in schmuddelige Hafenbars, stechen in See, wo wir auf Walfische, Perlenfischerinnen und Fabeltiere treffen, erleiden Schiffbruch und enden schließlich im Packeis der Arktis.

Na also, und ergänzt wird wie folgt: den acht Liedern fährt sowohl die Grenzenlosigkeit als auch die Gefahr des Meeres mit, man spürt Fern- und Heimweh, lauscht gespannt den Geschichten über Verrat, Mord und Liebe, versinkt in scheinbar uralten Geschichten und veritablem Seemannsgarn.

Hinzu kommt, dass als wesentlich prägender Musiker ein gewisser Tim Gressler an Bord ist. Tim ist in Ostfriesland, in Norden, aufgewachsen, und wird wissen, wie man die Stimmung an der rauen Küste musikalisch widergeben kann. Und so startet die Platte mit der schwarzen Katze, der Geschichte von Katinka, die "'ne volle Flasche in einem Zug leer trank". Und sogleich wird man in einen Schunkelrhythmus hinein gezogen, in eine Shanty-artige Stimmung. Mittendrin ein feines Gitarrensolo von Gressler, ein klarer Fender-Klang, eine gute Einlage! Und überhaupt ist es dem Multiinstrumentalisten gelungen, den Texten ein auf den Leib geschneidertes Fundament zu spendieren, inklusive einiger wirklich einfühlsamer Gitarrensoli.

Mit 10:33 gibt es "Die Ballade vom treuen Fischer" als längsten Song, und nun erinnern mich sowohl die Stimme als auch die Stimmung stark an Musik von Nick Cave, nur eben mit deutschem Text. Über acht Strophen lang wird die Geschichte erzählt, es lohnt sich, hier mitzulesen, dann wirkt es noch intensiver. An "In The Skies" von Peter Green erinnert mich "Die Silberhochzeit" hinsichtlich des Rhythmus'. Wie bei fast allen Songs erweist sich Thoelke nun gar nicht als begnadeter Sänger mit entsprechender gesanglicher Ausgestaltung, vielmehr ist es oft einem Sprechgesang näher, "Das letzte Schiff" ist zum Beispiel eine Ausnahme, aber auch nicht wesentlich. Nun, das sei nur als Feststellung zu münzen, denn: genauso passt es einwandfrei in diese oft mystische Stimmung, die nichts Anderes hätte vertragen können.

Und so wird man, sofern zulassend, in eine geheimnisvolle und spannende Atmosphäre hineingezogen, die oft in den Bereich von Seemannsgarn wandert, dunkel und verwegen, so wie das Leben an der Küste - "hart, aber gerecht". Super in diesem Zusammenhang ist die "Strandräuberballade", und so kann ich mich locker in die Zeit zurück versetzen, als Likedeeler wie Klaus Störtebeker in unseren Gefilden ihrem Gewerbe nachgingen und die "Pfeffersäcke" ausraubten.

Zum Schluss wird die wahre Geschichte der beiden Schiffe HMS Erebus und HMS Terror erzählt, die 1845 aufbrachen, umd die Nordwestpassage zu durchsegeln, ohne ein gutes Ende zu finden: Es ist so kalt hier, ich bin der letzte Mann an Bord. Ich bin der letzte Tote an diesem gottverfluchten Ort.. Ja, und so bin ich der Meinung, dass die beiden legendären Platten von Achim Reichel,"Dat Shanty Alb'm" und "Regenballade", einen würdigen Nachfolger gefunden haben!



Wolfgang Giese



Trackliste
1 Die Schwarze Katze (4:28)
2 Die Ballade Vom Treuen Fischer (10:33)
3 Die Silberhochzeit (3:31)
4 Das Letzte Schiff (2:40)
5 Strandräuberballade (7:43)
6 Meister Adebar (2:55)
7 Kein Seemannsgarn (3:53)
8 Der Letzte Tote Der Erebus (7:34)
Besetzung

Tim Thoelke (Texte, Gesang)
Tim Gressler (Kompositionen, Gitarren, Bass, Hintergrundgesang, Mandoline, Klanglandschaften, Banjo)
Eike Ebbel Groenewold (Schlagwerk, Tasten, Gitarren, Hintergrundgesang, Kompositionsbearbeitungen, Streicher, Mandoline, Klanglandschaften, Mundharmonika, Melodica)
Jan"Gritte Gonzo" Ghods (Hintergrundgesang)
Ansgar Sanning (Hintergrundgesang)
Konrad Schreiter (Trompete)



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