Martini, J. (Romain, B.)

La Fleur de Biaulté. Psalmen, Chansons, Motetten, Messen und Instrumentalmusik


Info
Musikrichtung: Renaissance Ensemble

VÖ: 04.06.2021

(Ricercar / Note 1 / CD / DDD / 2020 / Best. Nr. RIC 430)

Gesamtspielzeit: 79:07



LICHTE KLÄNGE DER ITALIENISCHEN RENAISSANCE

Ein schönes Beispiel für die musikalischen Haupt- und Nebenwege der Generation vor Josquin Desprez ist dieser Querschnitt durch das Werk des um etwa 1430 in Leuze (Belgien) geborenen und 1497 im italienischen Ferrara gestorbenen Johannes Martini. Über drei Jahrzehnte stand er als Komponist, Musiklehrer und Herausgeber in den Diensten der d’Este, allen voran des kunstsinnigen Herzogs Ercole I.

Dem Ensemble „Le Miroir de Musique“ um den Multiinstrumentalisten Babtiste Romain gelingt es sehr schön, in rund 80 Minuten ein weites Panorama nicht nur vom Schaffen Martinis zu entwerfen, sondern auch die vielfältigen Aufführungsmöglichkeiten für dieses Repertoire zu spiegeln: Rein vokal, vokal-instrumental, nur instrumental – unter Einsatz jenes reichen Instrumentariums, das in dieser Zeit Verwendung fand: Harfe, Organetto, Schalmei, Pommer, diverse Streich- und Zupfinstrumente, Sackpfeife und Posaune. Damit lassen sich die eleganten Kontrapunkte Martinis ebenso darstellen wie das manchmal patchworkartige des damaligen Komponistenhandwerks, wenn z. B. eine vorhandene gregorianische Melodie oder ein beliebter weltlicher Chanson die Basis für ein Stück Martinis abgibt oder wenn dieser neue Stimmen zu vorhandenen Werken anderer Meister hinzukomponierte.

Martinis Musik wirkt weniger spekulativ und esoterisch wie z. B. diejenige Oeckeghems und auch noch nicht so rhetorisch angeschärft wie die von Josquin. Von daher hat sie bislang weniger Beachtung gefunden. Obwohl sie sicherlich weniger "spannend" ist als das Werk der beiden genannten Kollegen, hat sie doch unbestreitbare Reize: Sie zeichnet sich durch fließende Linien, schöne Proportionen und Wohlklang aus, sie wirkt in sich ruhend und unangestrengt. Die Tongebung des Ensembles in den Vokalparts ist sensibel und innig, ebenso gefallen die diskret aufspielenden Instrumente, unter denen sich selbst die Sackpfeife höfisch-kultiviert gibt. „Le Miroir de Musique“ wirft ein gleichsam mediterranes, sonnig-sanftes Licht auf Martinis Musik, von der ja auch ein bedeutender Teil in Italien entstanden ist.

Gerade im Josquin-Jubiläumsjahr 2021 lohnt es sich, die Ohren auch auf dessen musikalisches Umfeld und die Traditionslinien zu richten. Vor allem dann, wenn damit wie hier Repertoirenischen nicht nur pflichtbewusst, sondern vor allem musikalisch erfüllend ausgeleuchtet werden.



Georg Henkel



Besetzung

Le Miroir de Musique

Baptiste Romain, Fiedel, Renaissance-Violine, Rebec, Sackpfeife und Leitung




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