Grobschnitt

Sonnentanz Live (Black & White Vinyl-Serie)


Info
Musikrichtung: Art Rock / Prog Rock / Kraut Rock

VÖ: 14.04.2019 (1985)

(Brain / Universal)

Gesamtspielzeit: 76:25

Internet:

http://www.grobschnitt.rocks/index.php/de/
https://de.wikipedia.org/wiki/Grobschnitt



Black & White Review-Serie, Folge 12: Sonnentanz Live



Die Vinyloffensive Black and White von Grobschnitt geht nun mit den letzten Scheiben, den umstrittenen Spätwerken Kinder und Narren und Fantasten sowie den beiden Livealben Last Party und eben Sonnentanz Live zu Ende. Und damit liegt dann tatsächlich der komplette Grobschnitt-Originalkatalog auf hochwertigem Vinyl, plus jeweils einer Bonusscheibe, vor.

Die Band unterlag nach den Alben Illegal und Razzia, auf denen sie sich zwar schon durchaus dem Zeitgeist, respektive der Neuen Deutschen Welle angenähert hatten, aber noch deutlich in ihren 70er Wurzeln verortet waren, einem großen personellen Umbruch. So verließen 1982 Keyboarder Volker „Mist“ Kahrs und 1983 dann Schlagzeuger und Tonmeister Eroc (Joachim H. Ehrig) zwei Urgesteine die Band, welche sich nun verstärkt auf eingängigere kurze Stücke konzentrierte und sich damit ein Stückweit von ihren Wurzeln entfernten.

Live blieben sie weitestgehends bei ihren opulenten Shows mit Theater- und Comedyeinlagen sowie Pyrotechnik, aber auch diese Shows wurden insgesamt etwas kürzer. Und so arbeitete man auch sein Magnus Opus “Solar Music“ um und passte es in einen modernen Klangkosmos ein. Natürlich wurde kein 5-Minuten-Stück daraus gemacht, aber man arrangierte einige Passagen komplett neu, verpasste dem Stück deutsche Texte und kam so auf eine modern klingende Version, die von einigen Ausnahmen abgesehen, zwischen 35 und 40 Minuten lang war. Das alles bot natürlich Grund genug, diese Version über ein Livealbum zu veröffentlichen, was 1985 mit Sonnentanz Live gemacht wurde.

Diese Version ist insgesamt heller und weit weniger gitarrenlastig als das, was sich bis ca. 1982 aus dem Stück "Solar Music" entwickelt hatte. Die erste Seite wird von vielen langen und breitflächigen Keyboardpassagen geprägt und einige der Gitarrensolos aus früheren Versionen sind entfallen bzw. durch Saxophon ersetzt worden. Der düstere Part in dem in früheren Versionen der Scherz mit dem giftigen Trockennebel getrieben wurde, fehlt komplett. Insbesondere auf den ersten drei Tracks der ersten Seite dominiert das Saxophon, welches sich tolle Duelle mit Keyboard oder Gitarre liefert oder einfach fantastische Solos liefert. Insgesamt wirkt dieser erste Teil auf mich dadurch etwas langsamer und näher am Spacerock, denn an der Psychedelik der 70er-Jahre-Version. Dass die Band immer noch viel Spaß am Musizieren hatte, beweisen auch die lustigen Einschübe wie das andeuten der Pink-Panther-Melodie. Der erste Teil klingt mit einem beschwingten Bass, einer eher poppigen Akustikgitarre und einer schönen Keyboardmelodie völlig anders als gewohnt aus.

Auch der zweite Teil beginnt sphärisch mit einem treibenden Schlagzeug, perlenden Gitarren und vor allem breitflächigen Keyboards. Der pumpende Bass erinnert an die Ursprungsversion, dieser Teil wirkt insgesamt wieder psychedelischer, obwohl auch hier zunächst weitestgehend auf die elektrische Gitarre verzichtet wurde. Dafür setzte man viele elektronische Sounds aus dem Synthesizer und mittels Effektgeräten ein. Im mittleren Teil der zweiten Seite gibt es dann zunächst den bekannten treibenden Teil mit dem bekannten Gitarrenriff, bevor es noch einmal in einen komplett neu arrangierten Bereich mündet. Elektronische Sounds und Keyboards vermitteln eine unheimliche Stimmung, in die an einer Stelle auch noch dem „Soon how Soon“ Part aus Yes' Gates of Delirium eine kleine Referenz erwiesen wird. Der abschließende, wieder rockige Part wir auch von sphärischen Keyboards, dem treibenden Bass und erneut dem Saxophon anstelle der Gitarre dominiert.

Insgesamt erklang Sonnentanz stark unterschiedlich von "Solar Music" in einem damals modernen Klanggewand. Das stand dem Stück nicht schlecht, aber vermutlich werden Grobschnitt-Fans immer die früheren Versionen vorziehen. Durch den Einsatz der elektronischen Drums klingt diese Version auch am angestaubtesten von allen, obwohl sie ja jüngeren Datums ist. Insgesamt war es trotzdem Mitte der 80er sehr mutig ein Album mit nur einem Stück zu veröffentlichen und trotz allen Anpassungen sind die 70er-Wurzeln natürlich vorhanden.

Was den Klang betrifft, muss ich sagen, dass die Instrumente fantastisch klingen, glasklar als säße man im Konzert. Die Gitarren erklingen ebenso glasklar wie die Keyboards. Das Saxophon hat einen gleichfalls sauberen Klang. Leichte Abstriche muss man beim Schlagzeug machen, was vor allem daran liegt, dass man ein für die 80er Jahre übliches elektronisches Schlagzeug eingesetzt hat, was zu einem elektronisch verzerrten Klang führte. Stärkere Abstriche sind dann leider beim Gesang zu machen, da zum einem mit sehr viel Hall aufgenommen wurde und in dieser Abmischung die Instrumente weiter in den Vordergrund gebracht wurden. So sind die neu geschriebenen Texte leider manchmal schlecht bis gar nicht zu verstehen. Das ist schon etwas schade.

Die Bonusstücke der weißen LP bieten die eher nicht so bekannten und auch nicht so spannenden Stücke “Go for Love“ und “Geradeaus“. Anschließend gibt es noch eine weitere Version des “Sonnentanz“, hier in einer relativ kurzen Fassung von etwas mehr als 32 Minuten.

Diese ist klanglich ebenfalls hervorragend gestaltet und bietet einen weiteren Einblick, wie sich das Stück ein weiteres Jahr später entwickelt hat.

Die Aufmachung dieser Wiederveröffentlichung hält natürlich den extrem hohen Standard der ganzen Reihe, es gibt wieder zwei Einleger, einer mit Texten und Infos zum Album, ein weiterer mit Linernotes und vielen Bildern aus der Zeit. Beide LPs sind wieder in hochwertigen 180-Gramm-Pressungen gefertigt und auch das Cover selbst wurde als hochwertiges Gatefoldcover gefertigt.

Somit ist auch Sonnentanz ein hochwertiges Dokument der wohl spannendsten Band mit dem wohl aufregendsten Stück aus deutschen Landen. In der Bewertung ziehe ich einen Punkt für die elektronischen Drums, einen für den schlechten Klang des Gesangs und einen weiteren für etwas zu viel Saxophon für meinen Geschmack ab. Ansonsten kennt nur derjenige "Solar Music" wirklich, der auch diese Version kennt und schätzt.



Wolfgang Kabsch



Trackliste
Seite 1

1 Explosionen 4:55
2 Polar Traum 7:50
3 Sonnentanz 3:30

Seite 2

4 Neonherz 5:15
5 Wir Sind Die Sonne 4:07
6 Uhrkampf 4:03
7 Solar Energie 6:04

Seite 3

8 Go For Love '86 4:26
9 Geradeaus 3:59
10 Sonnentanz '86 9:44

Seite 4

11 Sonnentanz '86 22:32
Besetzung

Lupo: Gitarre (9)
Milla Kapolke: Bass, Gesang, Moog Taurus
Rolf Möller: Schlagzeug (8, 9, 10)
Peter Jureit: Schlagzeug, Flöte
Tarzan Waßkönig: Keyboards
Willi Wildschwein: Gesang, Gitarre, Saxophone
Toni Moff Mollo: Gesang



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