Roger Waters: Animals reloaded




Info
Künstler: Roger Waters

Zeit: 14.05.2018

Ort: Barclaycard Arena, Hamburg

Besucher: ca. 16.000

Internet:
http://www.rogerwaters.com

Am 14. Mai 2018 war es endlich so weit. Roger Waters, erreicht mit einer seiner insgesamt 157 Shows der weltumspannenden Tour Us and Them Deutschland. Als Pink-Floyd-Fan, der auf Grund seines Alters erst mit The Wall so richtig auf die Band gestoßen ist, heißt das, dass "Mr. Pink Floyd" auftritt.

Dementsprechend hoch ist die Spannung, als man in der fast ausverkauften, 16.000 Menschen Platz bietenden Barclaycard Arena zu Hamburg auf seinem Platz im zweiten Oberrang unweit der Bühne Platz nimmt. Die Spannung steigt doppelt, da das letzte Erlebnis in der Barclaycard Arena, die The Wall-Show, zwar beeindruckend war, doch unter vielen Dingen gelitten hatte. Es störten die aufgehängten Lautsprecherbatterien vor der Mauer und das Publikum um mich herum war zu Teilen furchtbar, quatschte ständig und einige waren öfter Bier holen als auf Ihrem Platz. So beschlich mich zunächst ein ungutes Gefühl, da die Lautsprecherbatterie immer noch dort hing, allerdings konnte ich seitlich an ihr vorbei auf die Bühne und die riesige Leinwand schauen.

Um kurz nach Acht flackerte dann die riesige Leinwand hinter den Musikern auf und Meeresrauschen setzte ein. Auf dem Bild sah man passend dazu ein idyllisches, sich kaum bewegendes Szenario einer Person die am Strand sitzt (man sah nur den Rücken).

Dieses Szenario lief einige Minuten, bis dann die Musiker zu den weltberühmten Anfangsklängen von “Speak to me“ auf die Bühne kamen und unter großen Applaus mit “Breathe“ in das Konzert einstiegen. Nach wie vor gibt es nur wenige bessere Einstiege für ein Album oder ein Konzert. Danach präsentierte man gleich die erste Überraschung (zumindest für Leute wie mich, die sich nicht bereits alle möglichen Aufzeichnungen und Setlists im Internet angeschaut hatten). Es folgte mit “One of these days ein Kracher aus dem 1971er Album Meddle, bekannt für den wummernden Roger-Waters-Bass. Dazu flimmerten verstörende Bilder zu Lichtblitzen über den Bildschirm. Ansatzlos kehrte man dann zu dem altbekannten Film der original Tournee zu The Dark Side of the Moon zurück und stieg in “Time“ ein. Hier fielen dann auch erstmals die beiden Backroundsängerinnen stärker ins Auge: optisch, weil sie durch platinblonde Perücken und gleiche Kleidung wie Zwillinge auftraten, musikalisch, weil sie sehr manische Perkussionen in den Anfangsteil auf ihren Trommeln einfließen ließen.




Es folgten dann wie auf dem Album “Breathe (reprise)“ und “The great gig in the sky“, bei welchem insbesondere letzteres durch eine neue, sehr avantgardistische, aber trotzdem packende Vokaleinlage der beiden Damen glänzte. Mit “Welcome to the machine“ folgte ein weiteres Stück das man von den Gilmour geführten Floyd selten oder gar nie zu hören bekam. Dieses kam in einer sehr rauen Version daher und leitete perfekt zum Block der Solostücke über. Hier kam dann der Opener des neuen Albums “Déjà Vu“ zum Start, der erst einmal mit seinem überwiegend akustischen Erscheinungsbild etwas die Fahrt aus der Show nahm. Dazu flirrten Bilder aus der aktuellen wie aus der vergangenen Politikwelt über die Leinwand.

“The last refugee“ wurde dann sehr ergreifend zu dem dazugehörigen Video vorgetragen bevor es vorwärtspreschend und aggressiv mit “Picture that“ weiterging. Wenn ich mich recht erinnere, kamen bei diesem Stück auch die ersten Schmähbilder zum Thema Donald Trump auf dem Bildschirm. Danach ging es dann mit dem The Wall-Block bestehend aus “The happiest days of our Lifes“ und “Another brick in the Wall pt. 2 & 3“ ins Finale des ersten Sets. Hierzu kamen, wie bereits schon bei den Wall-Shows, einige Kinder auf die Bühne, die den Chorus sangen. Zunächst trugen sie Einheitskleidung, die an KZ-Insassen erinnerte. Diese rissen sie sich dann vom Leib und darunter tauchten T-Shirts mit dem Aufdruck "Resist" auf. Zu den aggressiven Klängen von Part 3 wurde das erste Set dann beendet und Mr. Waters sprach seine ersten Worte zum Publikum mit der Pausenansage.

Die Pause wurde durch schrille Sirenentöne und dazu passenden Signalleuchten beendet. Zu diesem Getöse fuhr eine Querstange genau in der Mitte des Innenraumes zu Boden aus dem dann langsam die ikonischen Schornsteine des Battersea Power Stations empor stiegen. Nach ein paar Minuten teilte dann eine zweite Leinwand, die rechtwinkelig zur Bühne mitten durch den Innenraum ging, die Halle. (Nun hatten die „günstigen“ Oberrangkarten irgendwie glasklare Vorteile zu den teuren Innenraum-Karten. :-) ) Als die perfekte Illusion des Gebäudes steht, setzen die leisen Gitarrenklänge von “Dogs“y ein, und nun begann die politische Waters-Show erst so richtig. Wenn Stücke einer Pink-Floyd-Platte dazu dienen, die aktuelle politische Weltlage anzuprangern, dann sicher Stücke von Animlals.




Zu der perfekt dargebotenen Version des 20-minütigen Stücks flimmern klare Aussagen zu Roger Waters Meinung über Herrn Trump und den aufkommenden Populisten dieser Welt über die Bühne: Trump als Nazi, Trump als Klu-Klux-Klan-Kapuzenmännchen und Trump ganz groß aber mit ganz kleinem Schniedel. Nicht subtil, aber auf den Punkt. Anschließend donnert dann gleich “Pigs (Three different ones)“ los, zu welchem natürlich dann auch das große fliegende Schwein auftaucht und durch die Menge fliegt. Nach wie vor vereinigt es Symbole für Geld und Macht auf seinem Rücken, hinzugekommen sind einige Trump-Bezüge. Zu dem Stück werden einige der abstrusen Aussagen des amerikanischen Präsidenten auf die Leinwand projiziert und alles gipfelt im Satz „Trump ist ein Schwein“ in großen Lettern auf der Leinwand.

Dieser Block war der faszinierendste der Show, man wusste gar nicht, wo man hinschauen soll. Hinzu kommt natürlich auch die Tatsache, dass die beiden Stücke “Dogs“ und “Pigs (Three different ones)“, die in diesem Jahr immerhin bereits 41 Jahre alt werden, musikalisch noch so gut funktionieren und leider textlich relevanter den je zu sein scheinen. An diese schloss sich eine druckvolle Version von “Money“ und eine wundervolle Version von “Us and them“ an, zu denen erschreckenden und berührenden Bildern von Krieg und Flucht, Gewalt und Menschlichkeit, über die Leinwände flimmern. Danach kam mit “Smell of roses“ ein weiteres Stück der neuen Platte, mit dem Waters ein lupenreines Pink-FloydStück abgeliefert hat. Hiernach wurde es dann mit “Brain Damage“ und “Eclipse“ musikalisch und optisch noch einmal so richtig magisch: Zu den perfekt vorgetragenen Songs baute sich die Dark Side of the moon-Pyramide aus Laserlicht dreidimensional in der Halle auf. Natürlich durchdrangen zum Schluss auch die vom Prisma gebrochenen Regenbogenstrahlen die Pyramide. Wem hier nicht ein Schauer über den Rücken gelaufen ist, ist auch nicht mehr zu helfen.




Damit war das zweite Set beendet, aber die Musiker verließen nicht wie sonst üblich die Bühne. Roger Waters ergriff das Mikrofon und sprach quasi die ersten Worte zum Publikum (von der Pausenankündigung mal abgesehen). Und er hielt einen kleinen Monolog, den ich vermutlich nicht komplett verstanden habe, welchen aber wie folgt zusammenfassen möchte: Er sprach darauf an, dass er von einigen Menschen und Institutionen als Antisemitist gesehen wird, weil er zum einen den Davidstern neben anderen Symbolen wie dem Dollarzeichen oder den Mercedesstern auf seinem „Schwein“ abgebildet hat, aber auch weil er die Organisation BDS-Bewegung (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) unterstützt, welche Konzerte in Israel boykottiert oder stört, als Protest gegen die israelische Politik dem palästinensischen Volk gegenüber. Hier in Deutschland führte das z.B. dazu, dass der WDR sein Konzertsponsoring zurückzog. Waters hob in seinen Worten hervor, dass es ihm als Atheisten nicht um den jüdischen Glauben gehe, sondern um die Menschenrechte, die jedem Menschen auf der Welt zustehen, egal an was er glaubt. Und, dass er nicht tolerieren könne, dass der israelische Staat dieses Recht seit Jahren mit Füßen trete. Die Kernaussage seiner Worte war, dass jedem Mensch auf diesem Planeten Menschenrechte zustehen und, dass „wir“ alle Verantwortung dafür tragen, damit dieses Ziel erreicht wird.

Anschließend spielte er “Mother“, zur Hälfte allein auf der akustischen Gitarre und in erster Linie mit Augenmerk auf die Textzeile “Mother should I trust the gouverment?“. Beendet wurde das Konzert standesgemäß mit einer ausufernden Version von "Confortably Numb“. Dann war nach etwas über drei Stunden Schluss und der geneigte Zuschauer wurde mit offenen Mund in die Nacht entlassen.

Fazit: Vermutlich war dies das beste Pink-Floyd- / Solomusiker-Konzert das ich bisher gesehen habe. Soundtechnisch habe ich das Konzert 1988 in der Dortmunder Westfalenhalle noch einen Ticken besser in Erinnerung, die Verbindung Sound und Show wurde hier jedoch klar überboten. Das Set war an sich einmalig, bietet aber gleichzeitig den einzigen Kritikpunkt, der mir in den Sinn kommt: Warum wurden nur so wenige Solostücke gespielt? In den Konsens der Bühnenshow hätten auch wunderbar noch Stücke von Amused to Death oder aber auch The final Cut (ja, ist für mich auch ein Soloalbum) gepasst. Dafür hätte ich auch gut mal auf “Money“, “Time“ und “Wish you were here“ verzichten können.

Trotzdem: Der alte Mann hat es noch voll drauf – und zeigt klare Kante, etwas was ich in der aktuellen Musikszene bei den größeren Namen fast durch die Bank vermisse. Danke, Rog!





Wolfgang Kabsch



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