Fehlfarben

Monarchie und Alltag


Info
Musikrichtung: Deutscher Rock

VÖ: 12.05.2017 (1980)

(Vertigo / Universal)

Gesamtspielzeit: 39:14

Internet:

http://www.fehlfarben.com


Heinz Rudolf Kunze hat die Neue Deutsche Welle einmal als „die Ölpest der Tonkunst“ bezeichnet. Und er hat nicht Unrecht. Aber als die NDW zu dem geworden war, was er zu Recht verspottet, war sie schon lange nicht mehr neu. Neu an der Neuen Deutschen Welle war Ende der 70er zuerst einmal, dass sich plötzlich auf breiter Front Bands trauten auf Deutsch zu singen - und zwar in der Regel in einer Art und Weise, die bisherige Kategorien schlicht und ergreifend sprengten, bzw. ignorierten. Dilettantismus und Unprofessionalität waren keine Ausschlusskriterien mehr. Alles war möglich. Durch die kommerziellen Erfolge von Ideal, Extrabreit, Trio und eben auch den Fehlfarben wurde das, was extremster Underground war, plötzlich zum Hype, und alle sprangen auf den Zug, was dann zu Peinlichkeiten wie Markus und Fräulein Mencke führte.

Die Fehlfarben waren, als sie mit Monarchie und Alltag an den Start gingen, deutsch und ungewohnt. Dilettantismus und Unprofessionalität waren ihre Sache aber nicht. Daher fällt es im Rückblick schwer ihr Debüt im Umfeld der Neuen Deutschen Welle einzusortieren. (Bei späteren Alben der Band ist das wesentlich besser möglich.)

Die Fehlfarben sind mit ihrem Debüt eminent politisch, ohne eine Polit-Band zu sein. Sie politisieren aus dem Alltag heraus. „Grauschleier“ und die triste Hausfassade sind ihre Weise die No Future Attitüde auf den Punkt zu bringen. Der Alltag ist der Ort, von dem die Fehlfarben ausgehen. Monarchie und Alltag reflektiert Alltagssituationen im Blick auf die Perspektivlosigkeit vor allem junger Menschen. „Es liegt ein Grauschleier über der Stadt, den meine Mutter noch nicht abgewaschen hat.“ oder „Das sind Geschichten vom täglichen Sterben.“ sind Schlüsselsätze, um zu verstehen, woher und wogegen die Fehlfarben singen. Und wenn es dann im wohl bekanntesten Song des Albums heißt „Es geht voran. Zukunft wird gemacht.“ ist das alles andere als Optimismus, sondern die wütende Erkenntnis, dass man selber keine Einfluss auf die Zukunft haben soll, die von anderen gemacht wird.
Die Intellektualität und Subtilität der Texte, die immer etwas kryptisch bleiben, nie offene Parolen brüllen, heben die Fehlfarben deutlich von jedem Punk-Ansatz ab. Das gilt auch für die Musik, die aggressiv sein kann und fast immer schroff und kalt ist. Die aber differenziert und gekonnt ist, den Groove und die Melodie genauso beherrscht, wie den aggressiven Punch.

Wäre Progressive Punk nicht ein Widerspruch in sich, wäre das wohl das beste Etikett für Monarchie und Alltag.

Der neu abgemischte Re-Release kommt im Digi-Pack ohne jede Boni mit einem Booklet, das leider wenig Informationen bietet, sondern lediglich eine Art Essay, das das Werk der Fehlfarben etwas überintellektualisiert. Der Fluch einer Band, die es zum Liebling der Feuilletonisten gebracht hat.

Für einen Re-Release ist das etwas wenig Ausstattung. Daher nur 18, statt der für das Album eigentlich verdienten 20 Punkte.



Norbert von Fransecky



Trackliste
1Hier und jetzt 2:44
2 Grauschleier 2:25
3 Das sind Geschichten 3:21
4 All that Heaven allows 3:37
5 Gottseidank nicht in England 2:40
6 Militürk 5:22
7 Apokalypse 3:11
8 Ein Jahr (Es geht voran) 2:51
9 Angst 2:16
10 Das war vor Jahren 2:35
11 Paul ist tot 7:56
Besetzung

Peter Heim (Voc)
Thomas Schwebel (Git)
Michael Kemner (B)
Uwe Bauer (Dr)
Frank Fenstermacher (Sax)



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