Musik an sich


Reviews
Brahms, J. (Faust)

Violinkonzert


Info
Musikrichtung: Romantik

VÖ: 18.3.2011

(harmonia mundi / CD / DDD / 2010 / Best. Nr. HMC 902075)

Gesamtspielzeit: 72:51

Internet:

Mahler Chamber Orchestra



"FATALISTISCHE ENERGIE UND PRÄZISION DES RHYTHMUS"

Isabelle Faust hat sich bei ihrer Interpretation von Brahms´ vertracktem Violinionzert vor allem von Bemerkungen und Tempovorschlägen des Geigers Joseph Joachim leiten lassen, der der Musik von Brahms die in der Überschrift genannte Qualität zuschrieb. Joachim war nicht nur eng mit dem Komponisten befreundet, sondern bestritt auch den Solo-Part in der Uraufführung. Seine Bemerkungen lassen darauf schließen, dass das Werk mit eher straffen Tempi und keineswegs romantisch-breit dargeboten wurde. Wenig schwelgerisch fällt somit auch Faust´s Deutung aus. Mit markantem Ton rückt sie die expressive, energetische Seite in den Vordergrund.
Manch einer mag das Sich-Verströmen, das Träumerische vermissen, das zugunsten einer eher kleinteiligen Strukturierung zurücktritt. Diese bewegt sich zumal in den Solo-Passagen bisweilen tatsächlich am Rande der Zergliederung. Es entsteht so indes ein spannender Kontrast zwischen den kraftvoll vorwärtsdrängenden Momenten und einer tastenden Suche. Eingebettet wird dies in einen aufgehellten, transparenten Orchesterklang, in dem endlich einmal die unselige Überdominanz der Solo-Violine zugunsten eines ausgewogeneren Verhältnisses gebrochen wird. Nur an einer Stelle folgt Isabelle Faust dem spiritus rector Joachim nicht, denn sie verwendet nicht seine Kadenz, sondern präsentiert jene, die Ferruccio Busoni 1913 erdacht hat und die sich außerordentlich organisch einfügt und eine flüssige, effektvolle Überleitung zur Coda bietet.
Gemeinsam mit dem Dirigenten Daniel Harding rückt Isabelle Faust in teils verstörend konsequenter Manier unser Bild von diesem nur vordergründig so typisch romantischen Konzert zurecht.

Weit mehr als eine Dreingabe ist das Streichsextett in G-Dur: Auch hier finden sich, zumal im Scherzo und Adagio, Momente von schier ungezähmter Kraft, aber auch von geisterhafter Zerbechlichkeit und Verlorenheit.



Sven Kerkhoff



Trackliste
Violinkonzert D-Dur, op. 77
1 Alegro non troppo 20:35
2 Adagio 08:50
3 Allegro giocoso... 07:38

Streichsextett G-Dur, op. 36 Nr. 2
4 Allegro non troppo 14:38
5 Scherzo 06:41
6 Poco adagio 08:18
7 Poco allegro 08:04
Besetzung

Isabelle Faust: Violine

Mahler Chamber Orchestra

Daniel Harding: Ltg.

Sextett:
Isabelle Faust, Julia-Maria Kretz: Violine
Stefan Fehlandt, Pauline Sachse: Viola
Christoph Richter, Xenia Jankovic: Violoncello


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