Musik an sich


Reviews
Haydn, J. (Guttenberg)

Die Jahreszeiten (DVD)


Info
Musikrichtung: Wiener Klassik Oratorium

VÖ: 20.03.2009

(Farao Classics / Farao / DVD / 2005 / Best. Nr. D 108055)

Gesamtspielzeit: 167:37

Internet:

KlangVerwaltung



LANDLEBEN

In prachtvoller, schwelgerischer Atmosphäre, nämlich im Saal des Markgräflichen Theaters zu Bayreuth, dürfen sich bei dieser Produktion Haydns idealistische Naturschilderungen der Jahreszeiten entfalten. Die von van Swieten stammenden Texte neigen zur Süßlichkeit und einer Verkitschung des vermeintlich idyllischen Landlebens - da lässt das Biedermeier grüßen, das doch zum Zeitpunkt der Uraufführung 1801 noch einige Jahre entfernt war.
Erträglich wird dieses Libretto überhaupt erst durch Haydns Kunstfertigkeit, die sich sowohl auf die tonmalerische Schilderung der Naturereignisse erstreckt wie auf eine effektvolle Instrumentierung und dramatische Gestaltung. Haydn zeigt sich hier noch einmal auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft und bringt die musikalischen Ideen in solch schneller Abfolge und solch geballter Form ein, dass der Hörer kaum noch nachkommt. Insofern lohnt sich die Beschäftigung mit den "Jahreszeiten", die stets ein wenig im Schatten des Vorgängerwerks ("Die Schöpfung") stehen, allemal. Und neben den Großmeistern der historischen Aufführungspraxis mit ihren aktuellen Interpretationen (René Jacobs, HMF, 2008 und Harnoncourt, dhm, 2009) platziert sich nun Enoch zu Guttenberg.
Im Vergleich zu den beiden Vorgenannten ist Guttenbergs Interpretation lukullischer und in der Betonung der Effekte nicht gleichermaßen krass - was durchaus kein Nachteil ist. Denn seine "Jahreszeiten" sind dennoch alles andere als gemütlich und bieder. Auch Guttenberg nämlich schätzt scharfe Akzentuierungen und flotte Tempi, hält das musikalische Geschehen aber eher durch einen tänzerischen Duktus unter Spannung als durch einen harschen Zugriff. Was allerdings fehlt, ist eine Prise Leichtigkeit und Humor.
Das Orchester der KlangVerwaltung lässt uns Haydn unter dieser Leitung also im Ganzen wohlklingend und transparent genießen. Die groß besetzte Chorgemeinschaft Neubeuern geht zwar äußerst engagiert zu Werke und ohne zu skandieren, reicht allerdings in puncto Homogenität und Artikulation nicht ganz an internationales Spitzenniveau heran.
Interessant ist die Auswahl der Solisten: Dem silberhellen Sopran Miriam Meyers steht der extrem dunkel gefärbte Bassbariton von Ralf Lukas gegenüber, der seine Schulung an vielerlei Wagnerpartien nicht verleugnen kann und will. Doch passt sein großer Ton erstaunlich gut zu Haydns Musik und nimmt den betreffenden Arien den letzten Rest von Harmlosigkeit. Beim Texaner James Taylor schleichen sich bisweilen störende Probleme in der Artikulation des deutschen Textes ein; ansonsten aber verfügt Taylor über eine beeindruckend strahlkräftige Tenorstimme.

Insgesamt ein gelungener Beitrag zum Haydn-Jahr, der den Komponisten als musikalischen Vordenker zeigt, ohne ihn fälschlich zum Revoluzzer zu stilisieren.
Nicht recht hierzu passen will der leicht onkelhaft wirkende Auftritt des Dirigenten in den Kommentaren, die die DVD zu jeder der Jahrezeiten beinhaltet und in denen Guttenberg seine - nicht immer unangreifbare - Sicht auf das Werk offenlegt.



Sven Kerkhoff



Besetzung

Miriam Meyer: Sopran
James Taylor: Tenor
Ralf Lukas: Bassbariton

Chorgemeinschaft Neubeuern
KlangVerwaltung

Enoch zu Guttenberg: Leitung


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