Musik an sich


Reviews
Alpbarock

Simelibärg


Info
Musikrichtung: Barocke Volksmusik

VÖ: 01.05.2008

Alpha / Note 1 (CD, DDD (AD: 2007) Best.nr. Alpha 525)

Gesamtspielzeit: 55:54

Internet:

Alpbarock

Alpha (m. Hörbeispiel)



ALPBAROCK ROCKT DIE ALPEN

Noch rechtzeitig, bevor unsere alpenländischen Nachbarn in der Schweiz (und in Österreich) sich bei der Fussball-EM werbeträchtig in Szene setzen können, kommt dem Schweizer Image ein ganz anderes Ereignis zugute: Diese CD aus der Weltmusik-Reihe Les chants de la terre des Labels Alpha. Und wer mit dem Appenzeller Land, dem Ursprung dieser Stücke, nur Käse und allenfalls schlecht inszenierte Volksmusik im Heidi-Ambiente verbindet, der wird hier eines Besseren belehrt. Das Ensemble Alpbarock, das sich für diese Produktion zusammengefunden hat, lässt es so richtig krachen und bringt die Almen zum tanzen. Gestützt auf Quellen, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen, werden hier alte Tänze, Volkslieder und Kuriositäten aus der deutschsprachigen Schweiz in höchst unterhaltsamer, abwechslungsreicher Manier vorgetragen. Der Einsatz einer im reichen bäuerlichen Haushalt damals durchaus gebräuchlichen kleinen Kammerorgel mit herrlich klapperndem Klang, eines Hackbretts, einer Reibe, eines Flaschenspiels, von Kuhglocken, Löffeln und anderen Perkussionsinstrumenten, zusammen mit einer kraftvoll gespielten Violine sorgen für ein buntes und schlagkräftiges Instrumentarium.

Bei aller Reichhaltigkeit der Quellen bleibt die Frage nach der authentischen Vortragsart naturgemäß ein Ratespiel, nicht zuletzt deshalb, weil Volksmusik ganz wesentlich von der Improvisation und Variation lebt. Alpbarock hat den nötigen Mumm, um hier auf jede akademische Zurückhaltung zu pfeifen und einfach frech und betont rhythmisch, auch geräuschhaft aufzuspielen. Dazu trägt wohl nicht zuletzt der Umstand bei, dass die Musikertruppe bunt zusammengewürfelt wurde aus Interpreten klassischer, zeitgenössischer und traditioneller Musik. Diese Zusammenarbeit wirkt offenbar befruchtend und befreiend. Und so kommt es, dass sich der Hörer - sonst der Volkmusik abhold - von Beginn an dabei ertappt, begeistert mit dem Fuß zu wippen und ebenfalls mit dem Löffel an sein Glas zu schlagen. Was echte (!) Volksmusik so alles bewirken und wie erstaunlich exotisch die Schweiz anmuten kann...

Allein bei den Liedern mag man kritisieren, dass sich Gyslaine Waelchli stimmlich zu sehr auf die Rolle der naiven Magd und des Bauernmädchens festlegt. Aber das ist eine Kleinigkeit, die den Spass an dieser unerhört fetzigen und immer wieder überraschenden Produktion nicht ernsthaft trübt.
Kann man schwer beschreiben - muss man gehört haben! Wer´s nicht glauben mag, sollte deshalb den Anspieltrack auf der Alpha-Homepage (s.o.) testen.



Sven Kerkhoff



Trackliste
1. Dr Frutt Bättruef (tradition orale)
2. Danse d'Appenzell en ré (1818)
3. Danse suisse (1818)
4. Lied des jungen Grafen (Reichardt, 1782)
5. Petit coucou pour orgue (Rechsteiner)
6. Dursli und Bäbeli (1818)
7. Schottisch (tradition orale)
8. Heiner Sebis Hochzigdanz (tradition orale)
9. Emmenthaler Hochzeittanz (tradition orale)
10. Guggisberger Lied (tradition orale, déjà attesté au XVIIIe siècle)
11. Bergamasca (manuscrit Ortenstein, 1671)
12. Fantaisie instrumentale sur le ranz des vaches (Pfister)
13. De roth Schwyzer (noté par Tobler, 1903)
14. Danses d'Appenzell en fa (tradition orale)
15. Totentanz - Danse des morts (texte du XVIIe siècle, Rechsteiner)
16. Hey to the camp (Feuillet, XVIIIe siècle)
17. Schottisch (Feuillet, XVIIIe siècle)
18. Montferrine (tradition orale)
Besetzung

Gyslaine Waelchli / Nando Brügger - Gesang
Odile Edourd - Violine
Nikita Pfister - Hackbrett
Henri-Charles Caget - Perkussion
Yves Rechsteiner - Kammerorgel (Originalinstrument, Appenzell 1811)



Zurück zur Review-Übersicht
 >>