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Reviews
Monteverdi, C. (Akadêmia)

Selva morale e spirituale


Info
Musikrichtung: Geistliche Musik

VÖ: 01.01.2004

Zig Zag Territories / Note 1
3 CD DDD (2000-2002) / Best. Nr. ZZT 03101


Gesamtspielzeit: 225:05



LITURGISCHE PFADFINDER: MIT AKADÊMIA DURCH MONTEVERDIS GEISTLICHES OPUS SUMMUM

Jenes umfassende Konvolut mit geistlichen Werken, das Claudio Monteverdi (1567-1643) 1640 in Venedig in Druck gegeben hat, trägt seinen Titel Selva morale e spirituale ganz zu recht: Es ist in der Tat ein „geistliches und moralisches Wäldchen“, oder besser: ein „Urwäldchen“. Monteverdis letzte große Sammlung geistlicher Vokal- und Instrumentalmusik umfasst 40 stilstisch ganz verschiedene Nummern, die 30 Jahre kirchenmusikalische Arbeit dokumentieren. So gesehen, ist es ein Gegenstück zu seinem letzten Madrigalbuch, das als Sammlung weltlicher Musik in allen Gattungen ähnlich enzyklopädisch (wenngleich „geordneter“) angelegt ist.

Stücke im neuen, affektbetonten monodischen Stil finden sich ebenso wie polyphone Werke, in denen die Satzkunst der Renaissance weiterlebt. Neben großdimensionierten doppelchörigen Werken mit Instrumentalbegleitung gibt es kleine Motetten für Solo-Stimmen und Continuo. Den spirituellen Überschwang, die ergreifende Dramatik, die große theatralische Geste und die Klangpracht wird man auch in der strenger kontrapunktischen Musik finden. Umgekehrt färbt deren kontemplative Ruhe auf die Behandlung der Psalm- und Messtexte im neuen, konzertanten und monodischen Stil ab.
Geistlich und weltlich sind in dieser Musik keine strikt getrennten Sphären. Selbst aus der Oper entlehnte Monteverdi sein musikalisches Material: Das Pianto della Madonna ist nichts anderes als die geistliche Kontrafaktur eines seiner berühmtesten Stücke, des Lamento di Arianna: Hier klagt die von Theseus verlassene Arianna, dort die Gottesmutter angesichts ihres gekreuzigten Sohnes. Allein der gemeinsame Affekt erlaubt, entsprechend umtextiert, die Übernahme der Musik aus dem theatralischen in den sakralen Kontext!
Philippe Beaussant bringt es in seinem lesenswerten Booklettext auf den Punkt: „Die Emotion, jede Art von Emotion, war damals ein Wert an sich. Alles, was irgendeine Seite zum Schwingen zu bringen vermochte, war gut: die ‚Lust der Tränen’ eingeschlossen, und gerade sie! Das gilt für weltliche Emotionen: die Liebe bot ihnen genügend Anlässe. Das gilt aber auch für die Gefühle der Frömmigkeit. Diese Epoche war gerade dabei zu entdecken, dass sie sich mit denselben Mitteln, denselben Bildern, denselben Worten - also auch mit denselben Klängen ausdrückten.“
Das Profane vermag also, das Heilige zum Klingen zu bringen und angemessen auszudrücken - und wird dadurch selbst geheiligt! Alles ist möglich, wenn nur die Gesinnung stimmt (und, natürlich, die Meisterschaft!), lautet Monteverdis künstlerische Botschaft.

LITURGISCHE PFADE DURCHS "URWÄLDCHEN": AKADÊMIA

Konrad Junghänel und das Ensemble Cantus Cölln waren die ersten und bislang auch die einzigen, die von der berühmten Sammlung eine Gesamteinspielung vorgelgt haben: Bei (historischer) solistischer Besetzung der Vokal- und Instrumentalstimmen wird in jener perfekten, durchsichtigen Manier musiziert, für diese Formation bekannt ist.
Ältere Produktionen beschränkten sich dagegen meist auf eine Auswahl, die entweder einige Höhepunkte vorstellt oder sich um eine fiktive liturgische Ordnung bemüht.
Die Neueinspielung des französischen Ensembles Akadêmia unter der Leitung von Françoise Lassere versucht nun eine Synthese aus Gesamteinspielung und sinnvollem liturgischen Zusammenhang. Herausgekommen sind drei im Charakter ganz unterschiedliche Vespern und zwei ebensolche Messen. Damit das Ganze aufging, mussten allerdings noch zusätzliche Werke (zwei von Monteverdi, eines von seinem Zeitgenossen Giovanni Rovetta) hinzugefügt werden. Im Gegenzug hat man die Stücke ohne liturgische Funktion ausgeschieden: fünf geistliche Madrigale, das Pianto della Madonna und das solistische Salve Regina fehlen leider - für ein vollständige Aufnahme bleibt also Cantus Cölln nach wie vor die erste Wahl.

Was die Interpretation von Akadêmia angeht, seien noch zwei weitere Vergleicheinspielungen herangezogen: William Christies Interpretation mit Les Arts Florissants (Harmonia Mundi) zeichnet sich durch große Virtuosität und Farbigkeit aus. Weil hier kein liturgisches Programm, sondern ein repräsentativer Querschnitt geboten wird, behandeln die Interpreten jedes Stück als autonome, kostbare Miniatur. Entsprechend abwechslungsreich und bunt gestaltet sich das Hörvergnügen.
Anders dagegen die sehr markante Einspielung der Capella Ducale unter Roland Wilson. Hier wurde aus der Auswahl eine fiktive Vesper arrangiert, ergänzt um zahlreiche instrumentale Sinfonien eines Monteverdizeitgenossen. Musiziert wird in einfacher Besetzung, wobei der skandierende, kraftvolle Gesang der Capella Klangpracht und Affektgehalt der Musik gleichermaßen betont.
Im Vergleich mit der Christie-Einspielung gibt sich die Aufnahme von Akadêmia sehr viel geschlossener und weniger verspielt: Die unterschiedlichen Charaktere der Stücke treten zugunsten eines vereinheitlichenden liturgischen Gesamtkonzepts zurück. Das nimmt der Sammlung etwas von ihrer „wilden“, reizvollen Buntheit.
Gegenüber der Capella Ducale fällt dagegen die biegsamere und weichere Deklamation auf, die eher nach Spätrenaissance als nach Frühbarock klingt. Der Ansatz überzeugt, auch dank der vorzüglichen Solostimmen, durch die Natürlichkeit des verinnerlichten Vortrags.
Insgesamt ist die Einspielung kontemplativer und dafür weniger „kirchentheatralisch“ als die Vergleichsaufnahmen geraten. Aufs Ganze gesehen, fehlt es deshalb manchmal an der notwendigen Binnenspannung. Gleichwohl ist es berückend, wie das Ensemble die Feinheiten von Monteverdis Satz auskostet, der hier weniger durch Kontraste von Tempo und Dynamik, sondern als komponierter Wechsel von immer neuen harmonischen Farben und einem ebenso dramatischen wie mystischen Licht- und Schattenspiel Gestalt gewinnt. Bei der warmen, leuchtenden Akustik kommt dieser sehr barocke Effek bestens zur Geltung.



Georg Henkel



Trackliste
CD 1 Vesper der Heiligen Märtyrer und Messe 72:51
CD 2 Vesper der Bekenner und Messe a capella 78:03
CD 3 Festliche Vesper zum Fest Johannes des Täufers 74:11
Besetzung

Ensemble Akadêmia

Ltg. Françoise Lasserre



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