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Musik an sich
 

YELLOW UMBRELLA und THE SPECIAL GUESTS

Record-Release-Party im Kesselhaus der Kulturbrauerei, Berlin, 24. Mai
 

Das Publikum im Kesselhaus der Kulturbrauerei ist von der Bühne bis weit in den gegnerischen Strafraum hinein eine einzige Masse von tanzenden Körpern. Selbst hinter dem Tresen bewegt sich die Bedienung (in den wenigen Momenten, in denen kein Bier aus dem Kühlschank geholt werden muss) rhythmisch im Takt der Klänge, die aus den Boxen dröhnen.

Welche Geheimwaffe wird hier eingesetzt, dass auch chronische Thekensteher aus der Reserve gelockt werden? Das Geheimnis hat drei Buchstaben, "S", "K" und "A" - Ska, und wird von den Yellow Umbrellas und den Special Guests zwar unterschiedlich, aber mit ähnlichem Erfolg eingesetzt. Anlass des Konzertes ist die Veröffentlichung einer Split-Single, zu der beide Bands je zwei Songs beisteuern.

Für die Yellow Umbrellas ist das die vorletzte Veröffentlichung überhaupt. An einem neuen Album wird noch gearbeitet, aber die Auflösung der Band im Juli steht bereits fest. So ist mir das Glück beschieden, das allerletzte Konzert der Dresdener in Berlin miterleben zu dürfen. Vor dem Konzert kannte ich beide Bands nicht. Ein Special Guest-Track auf dem aktuellen Riddim-Sampler hatte mir Appetit gemacht und das Doppelkonzert in den Terminkalender befördert.

Ganz glücklich war ich darüber am späten Samstag Abend nicht mehr. Der erste knallige Sommertag nach einem fast herbstlichen Mai lud so gar nicht dazu ein, sich in das (nur von innen!) bunkerähnliche Gemäuer des Kesselhauses zurückzuziehen. Das sah auch ein Großteil des Publikums so. Es kam so zögerlich, dass der Konzertbeginn deutlich nach hinten verschoben wurde.

Aber sei's drum. Und ich habe es nicht bereut. Die gelben Schirme waren kaum aufgespannt, da schien die Sonne von der Bühne - auf ein nun bis an die hintere Saalwand dicht aufgestelltes Publikum.

Und wie hätte sich mein Vater selig über mich gefreut. Musiker mit ordentlichem Haarschnitt, Anzug, Krawatte sogar und der Ska-obligatorischen Bläsersektion. Die Combo auf der Bühne hat sogar eine gewisse Nähe zu dem von ihm so geliebten James Last Orchester. So sehr unterscheidet sich das, was hier abgeht, wohl gar nicht von dem, was er in den 50s und 60s (außerhalb der Tanzschule) miterlebt hat.

Die Frage, ob der rockverseuchte Sohn und der musikalisch eher konservative Vater, hier eine Kompromisslösung hätten finden können, bleibt akademisch. Aber selbst die bald fallenden Krawatten und Anzugsjacken und das wilde Stageacting der Bläser hätten kaum gestört. So durfte es auch bei Peter Kraus und Consorten zugehen. Lediglich die scharfe Betonung der Bassbeats und der Lautstärkelevel hätten ihn an die musikalischen Vorlieben seines Sohnes erinnert, die ihm immer gegen den Strich gegangen waren.

Die etwas exzessive Heranziehung meines Vaters gibt durchaus Sinn. Denn - wie manch eine Skaband - versprühen Yellow Umbrella, das selbe unbeschwerte Gefühl, wie viele der (von mir früher mit Eifer gehassten) etwas banalen (west-)deutschen Spielfilme aus der Wirtschaftswunderzeit. Der Mief der 50er Jahre wurde von einem freieren luftigeren Geist hinfort geblasen und die Problemorientierung der 70er Jahre war noch ferne. Weltflucht ?? Vielleicht, aber ein Konzertabend ist schließlich nicht dafür da, die persönliche Verantwortung für das politische Schicksal dieser Welt auszuleben.

„Flight No. 20-8-3“ nennt sich die zweite YU-CD. Von ihr stammt die Ska-Version der „Hawaii 5 0“-Titelmelodie, mit der das Konzert passend eröffnet wird. Denn eingebunden in einen swingenden Ska-Sound werden wir auf eine Weltreise entführt, in der wir französische und polnische, russische oder mexikanische, indische oder orientalische Regionen besuchen. Und um jede Langweile zu unterbinden, wechselt man zwischendurch schnell mal vom Ska zum Reggae.

Das Ganze wird von einer absolut tight und entspannt aufspielenden Truppe vorgetragen. Hans Dampf in allen Gassen ist Posaunist Thomas Hellmich, der unbestrittene Frontmann an diesem Abend, der nun wirklich jede Parallele zu den ordentlich hinter ihren Pulten aufgebauten Tanzorchestern in alle Winde zerstreut.

Dass er bei seinem Getobe weder den Ton noch den Atem verliert - erstaunlich. Neben ihm Jens Strohschnieder, der hinter seinen Keyboards für Gesang und Conference zuständig ist - und das fantastisch unaufdringlich macht.

Kurze Erklärungen, kleine Überleitungen und auch mal ein Bisschen Animation, aber so dass man sich in jedem Moment angesprochen und nie angemacht oder genötigt fühlt. Groß. Am Ende soliert er seine schwankenden Geräte in Jon Lord-Manier fast in Grund und Boden.

Deutlich nach Mitternacht ist gut die Hälfte des Publikums wohl der Meinung, dass danach keine Steigerung mehr möglich ist. Die Special Guests spielen vor erkennbar gelichteten Reihen. Die aber sind gut angewärmt und toben von der ersten Sekunde an durch die brütende Hitze der Halle. Die Partystimmung hlt bis bis zum Ende des Auftritts kurz nach zwei Uhr ungebrochen an. Dennoch: der Sieger des Abends hatte seine Visitenkarte bereits in der ersten Halbzeit abgegeben. Die etwas härter und rockiger zur Sache gehenden SG zeigten bei weitem nicht die musikalische Vielfalt der Vorgänger.

Der durchgehend guten Leistung fehlten ein wenig die Überraschungen, die die Aufmerksamkeit des Publikums binden. So hatten die Ansagen und die (nicht übertriebenen) Mitsingphasen gelegentlich eine Spur ins Aufgesetzte und Angestrengte. Aber das fiel wohl nur im direkten Vergleich dieses Abends so deutlich auf.

Zwischendurch wurde noch einmal unspektakulär Gastfreundschaft demonstriert, als YU-Drummer Gero Dunrath (oder Dumrath - da sind sich die YU-CDs nicht einig.) mit einer großen Platte aufgeschnittener Kiwis durchs Publikum wanderte.

Musikalisch wird es bei ihm, so verriet er mir, wohl mit einem Dub-Projekt unter Einbeziehung einiger YU-Musiker weiter gehen. Aber Genaues steht da noch nicht fest.

Das Konzert endete dann doch noch mit einem kleinen Misston, als SG-Frontmann Leon Ilsen Yellow Umbrella zur Jam-Session auf die Bühne rief und - peinlich, peinlich - nur zwei von ihnen erschienen. Dafür bekam Felge dann endlich doch noch sein kleines Trompetensolo, dass ihm - „Forget it“ - zuvor verweigert wurde.

Alles in allem ein Abend mit zwei absolut geilen Skabands und Wohlfühl- und Party-Garantie.

Neben meinem Notebook liegt nun ein kleiner Stapel mit konservierten Früchten ihrer schweißtreibenden Arbeit. Darüber werdet ihr in den nächsten Ausgaben Näheres erfahren.

Es ist jetzt 5 Uhr 30. Während ich dies bei Vogelgezwitscher am Gartentisch geschrieben habe, ist der Konzertschweiß endgültig getrocknet und die Sonne aufgegangen. Die (angenehme) Pflicht ist getan. Ich gehe jetzt ins Bett.

(Alle Bilder stammen von den Homepages der Band.)

www.thespecialguests.de

www.yellowumbrella.de

 

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