U.D.O.

Touchdown


Info
Musikrichtung: Heavy Metal

VÖ: 5.08.2023

(Atomic Fire / Warner)

Gesamtspielzeit: 53:58

Internet:

http://www.udo-online.de


Beim Anhören von Humanoid war mein erster Gedanke: „Hey, Accept, was ist denn mit Euch los?!“ Ehrlich gesagt war ich sogar ein bisschen geschockt! Im Vergleich mit dem zwar schon etwas älteren, aber nach wie vor aktuellen U.D.O.-Longplayer bin ich es immer noch! Jetzt bin ich sogar froh, diese Kritik nicht zeitnah geschrieben zu haben. Habe mir Touchdown auch erst relativ spät gekauft! War aus heutiger Sicht eine glückliche Fügung!
Es entbehrt nämlich nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet die mäßige Qualität von Accepts 17. Studio-Scheibe besonders eindrücklich und im Grunde am deutlichsten aufzeigt, wie zuverlässig U.D.O. seit ihrer Gründung im Jahr 1987 liefern. Gerade weil man sich darauf verlassen kann, nimmt man es schnell als selbstverständlich hin. Humanoid zeigt jedoch in unerwartet krasser Weise auf, dass es das ganz und gar nicht ist! Ihr 19. Studiowerk ist eines der abwechslungsreichsten, spannendsten und damit besten von U.D.O. überhaupt geworden!

Ein entscheidender Faktor dafür ist die Konsequenz, mit der die fünf Musiker bei allem, was sie auf Touchdown tun, zu jeder Zeit die drei großen Ds – Druck, Drive, Dynamik – im Blick behalten. Das Ergebnis ist viel elastischer und kompakter ausgefallen als z.B. der Vorgänger Game Over (2021), der zwar sehr massiv und aggressiv, aber vor allem im direkten Vergleich bei weitem nicht so differenziert klingt.
Großen Anteil daran dürfte der von Accept zu U.D.O. gewechselte Bassist Peter Baltes haben. Er ist deshalb ein weiterer wichtiger Faktor, weil er mit seiner individuellen Art zu spielen und vor allem seiner Persönlichkeit eine ungewöhnliche und auch ungewohnte, aber sehr angenehme Leichtigkeit in den früher mitunter etwas verkrampft anmutenden Sound der Gruppe gebracht hat. Einen ähnlichen Effekt hatte 2018 das erstmalige Mitwirken von Drummer Sven Dirkschneider an einer U.D.O.-Platte (Steelfactory). Baltes´ neue Mitstreiter können es verständlicherweise kaum erwarten, dass er sich am Songwriting beteiligt. Geht mir und so ziemlich jedem Metal-Fan genauso!

Die Band startet fulminant mit einem „Painkiller“-Gedächtnis-Drum-Intro und kampflustig wiehernden Gitarren in den von den Erfahrungen während der Pandemie inspirierten Opener „Isolation Man“. Die Chöre kommen hier wie in allen 13 Nummern/54 Minuten selbstbewusst und sitzen wie eine Eins. Die Gitarren von Andrey Smirnov und Dan Dammers schneiden rasiermesserscharf und auf der anderen Seite so verspielt wie noch nie! Diesbezüglich markiert das ultramelodische „Better Start To Run“ den absoluten Höhepunkt. Was für ein hammergeiler Song! Das folgende „The Battle Understood“ fällt dagegen vom ersten Eindruck her stärker ab als es tatsächlich der Fall ist. Das ist eine undankbare Rolle, wäre aber bei fast jedem anderen Song genauso! Die Chemie zwischen den Musikern scheint geradezu unwirklich perfekt, so dass die zahlreichen kreativen Sahnehäubchen wie aus dem Ärmel geschüttelt wirken. So sind in jedem Stück melodiöse Spitzen zu finden. Bei „Fight For The Right“, einem engagierten Plädoyer für Freiheit und Individualität, besteht Smirnovs Solo zu großen Teilen aus einer Gitarren-Adaption von Mozarts „Rondo A La Turca“ („Der Türkische Marsch“). Das brettharte „The Betrayer“ wurde geschickt mit modernen Einflüssen wie Loops und anderen Effekten verfeinert, um im abschließenden Titelstück „Touchdown“ taucht nach Dan Dammers´ wieselflinkem Solo völlig überraschend eine Violinen-Einlage auf, die Gastmusiker Stefan Pintev beisteuert. Es sind originelle Ideen wie diese, die den Unterschied machen!

Mittlerweile bin ich durch ständiges Hören in allen Lebenslagen von dieser balladenfreien Superscheibe so begeistert, dass sie in meinem U.D.O.-Studio-Releases-Ranking Mastercutor (2007) von Rang 2 verdrängt hat. Nur mein ewiger Top-Favorit Faceless World (1990) ist noch besser und bis heute unerreicht!

P.S.: So unterschiedlich die Leistungen auf Konserve aktuell auch sind, auf der Bühne sind beide Formationen in ihrem Element und dementsprechend Weltklasse! Auf der Bonus-DVD (ca. 67 Minuten) qüberzeugt die bestens eingespielte Band als Kollektiv. Da der Live-Bootleg vom Wacken-Open Air 2022 unter dem Namen Dirkschneider absolviert wurde, wurden die Fans mit einem reinen Accept-Set verwöhnt. Deutsche Metal-Geschichte in 13 Songs!



Michael Schübeler



Trackliste
1Isolation Man4:51
2The Flood4:04
3The Double Dealer´s Club3:33
4Fight For The Right4:46
5Forever Free4:23
6Punchline4:06
7Sad Man´s Show3:50
8The Betrayer4:04
9Heroes Of Freedom3:44
10Better Start To Run4:17
11The Battle Understood4:06
12Living Hell4:03
13Touchdown4:05
Besetzung

Udo Dirkschneider (Vocals)
Andrey Smirnov (Guitar)
Dee Dammers (Guitar)
Peter Baltes (Bass)
Sven Dirkschneider (Drums)



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