Rücksturz in die 70er mit dem Musik-Piloten Ulli Engelbrecht![]() ![]() ![]()
![]() Ulli Engelbrecht schreibt Geschichten, Gedichte und Texte. Und alle haben sie was mit Musik zu tun – mit der Musik der 70er und der 80er im Wesentlichen, weil das die Zeit ist, in der Ulli mit Musik groß geworden ist. Und so schreibt er nicht über die Musik. Die ist nur der Aufhänger. Mal ist es ein Stil, mal der Name eines Musikers, mal ein bestimmter Titel oder ein Album. Um diese Skelettknochen, um diese Gräten herum fantasiert Engelbrecht dann Geschichten: Geschichten, in die viele Erinnerungen an die Jahre der Kindheit und Jugend einfließen, aber die auch sein Verhältnis zu den jeweiligen Musiken reflektieren. Die Geschichten sind manchmal witzig, oft skurril, selten gerecht, manchmal eher sinnfrei. Manche hinterlassen ausschließlich Fragezeichen. Und manchmal verpufft die Pointe, wenn es denn eine gibt, weil sie zu arg an den Haaren herbeigezogen wird. Aber zugegeben, die Vorstellung, dass Bowie im Musikerviertel des Jenseits einen Laden für Weltraumspielzeug betreibt (S. 157f) und Falko Sachertorte und Mozartkugeln verkauft (S. 160), während sich ein Stück die Straße herunter Elvis und Michael Jackson als Apotheker(!) betätigen (ebd.), das hat was. Und auf die Idee, eine G-Saite zu interviewen, hätte auch schon mal jemand kommen können. Es ist der Rückgriff auf die Erinnerungen an seine eigene Vergangenheit, die Engelbrechts Texten ihr Leben und ihre Bedeutung gibt. Mit anderen Worten: Es muss klick machen und die eigene Vergangenheit muss sich mit der von Ulli kurz schließen. Dann funktionieren die Geschichten. Und es könnte sein, dass es die unterschiedlichen Geburtsjahre von Ulli und mir sind, die es bei mir oft nicht klicken lassen. Damit stellt sich die Frage, welcher Jahrgang Ulli wohl ist. Dass er diesen Erdball etwas vor mir betreten hat, war mir relativ schnell klar. Das ergab sich zum einen aus den Bands, die er erwähnt, aber auch aus den Mariacron-Batterien bei den Familienfeiern und nicht zuletzt bei der intensiven Erwähnung der 45er-Singles, die in den Musikautomaten der Eckkneipen gedudelt wurden und die man später irgendwo für 50 Pfenning in der Ramschkiste erwerben konnte (S. 126ff). Kenne ich noch – aber eher aus dem Blick in den Rückspiegel. Meine Single von Herrmann Hoffmann („ Das Lied vom 50 ccm Motorrad“ / „Marie, ich brauch mehr Schlaf“) stammt allerdings noch aus solch einem Kauf. Dass ich, was das Alter angeht, Recht hatte, enthüllt Engelbrecht auf Seite 165. Ich war mittlerweile allerdings unsicher geworden. Denn ab und an tauchten in seinen Erinnerungen MTV und Viva auf, die von einem echten Affen moderierte Ronnys Pop Show und die von einem zumindest affig hochtoupierten Primaten präsentierte Show Formel 1. All das Formate, die eher von der Generation nach mir konsumiert wurde. Ich habe mich dann noch mal in unsere (gemeinsame) Zeit zurückgebeamt. Und plötzlich fehlte mir etwas. Ein wichtiges Thema von Ulli war die Frage, wie man günstig an neue Musik herankommt. Und eine der (für mich) wichtigsten Quellen dafür taucht bei ihm nicht auf. Mir haben Sampler viele Türen aufgestoßen. In den 70ern waren das natürlich vor allem die „aus Rundfunk und Fernsehen bekannten“ Compilations von K-Tel – 20 Titel für 19.90 D-Mark. Aber dann auch Labelsampler und die Sampler-Serie des Govi-Plattenvertriebes, die primär Krautrock featurte, aber auch Themen präsentierte, wie die Hamburger Rockladys im Lindenberg-Umfeld auf Folge 4 oder Klaus Schulzes IC-Label auf Folge 6. Ohne diese Sampler wären Alben von Kansas, Grobschnitt, Guru Guru und manch anderer Band nicht oder erst viel später in meiner Sammlung gelandet. Allein an der Länge dieser Rezension seht ihr, wie viel Ulli Engelbrecht mit seinen skurrilen Stories aufwirbeln kann. ![]() Norbert von Fransecky ![]() ![]() ![]() |
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