Gaultier, D. (Satoh, T.)

La Rhétorique des Dieux


Info
Musikrichtung: Barock / Laute

VÖ: 05.05.2023

(Carpe Diem / Note 1 / CD / DDD / 2022 / CD-16331)

Gesamtspielzeit: 62:01



AUS DEM GEIST DES ZEN

So faszinierend die Idee erscheint, die Lautenmusik von Denis Gaultier aus dem Geist des Zen zu deuten, so viele Fragezeichen wirft das Ergebnis von Toyohiko Satohs Interpretation letztlich auf.
Auf einem originalen barocken Instrument von 1611 nähert er sich dem Zyklus „La Rhétorique des Dieux“, die Gaultier 1652 publiziert hat. Daraus hat Satoh vier Suiten ausgewählt. Dass die Stücke nahezu ohne Ornamente notiert sind, quasi im nackten Urzustand erscheinen und damit viele „Leerräume“ verblieben sind, hat Satoh angeregt, über ihre Verwandtschaft mit der essentiellen Leere des Zen zu spekulieren. So spielt er die Stücke zunächst auch ohne Verzierungen, erst in der Reprise werden diese, wenngleich sparsam, angebracht.
Auch verlangsamt der Satohs das Tempo deutlich – eine Reaktion des Interpreten auf das Phänomen, dass die Stücke des 17. Jahrhunderts oft so kurz sind. Zu dieser zeitlichen Dehnung tritt eine Vereinzelung der Klangereignisse: Einzelne Töne und Phrasen werden gleichsam als Momente durch bewusst gesetzte Stille voneinander geschieden.

Der Effekt frappiert insoweit, als dass Gaultiers Musik so wirkt, als habe John Cage sie überarbeitet. Da der Zusammenhang der Musik durch die Spreizung und „Ausleerung“ fragil wird, denkt man beim Hören mitunter an Werke wie die „Piano“-Reihe von Cage oder an dessen Dekonstruktion von religiösen Hymne durch die zufällige „Subtraktion“ von einzelnen Noten oder Harmonien.

Satoh extrahiert freilich nichts, er transformiert die tonale und harmonische Rhetorik der Stücke in die Präsentation einzelner „Buchstaben“ oder „Klang-Silben“. Das ist im Resultat interessant, aber unbefriedigend, weil Gaultiers Lautenmusik eben keine derart lose Folge von Klangereignissen ist wie ein Cage-Stück. Es entsteht der Eindruck eines ständigen Stop-and-Go, das sich dem natürlichen Fließ- und Ausdrucksbedürfnis der Musik entgegenstellt.



Georg Henkel



Trackliste
Suiten D-Dur, F-Dur, A-Dur, a-moll
Besetzung

Toyohiko Satoh, Barocklaute


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