Dave Gisler Trio

See You Out There


Info
Musikrichtung: Jazz Fusion

VÖ: 18.02.2022

(Intakt)

Gesamtspielzeit: 49:06

Internet:

http://davegisler.ch/
http://www.intaktrec.ch/
http://www.nuzzcom.com/


Der 1983 geborene Schweizer Jazzmusiker Dave Gisler genoß bereits seit seinem achten Lebensjahr privaten Gitarrenunterricht beim Vater. Es war 2017, als er mit Raffaele Bossard und Lionel Friedli sein Trio gründete, und ein Jahr später erschien ihr Debüt-Album.

Die Zusammenarbeit mit namhaften internationalen Jazzmusikern eröffnetet dem Musiker eine große Bandbreite verschiedener musikalischer Strömungen. Sein Trio ist für die aktuelle Platte See You Out There um die Trompeterin Jaimie Branch und den Saxofonisten David Murray erweitert worden. Mit Beiden hatte er bereits auch schon zusammengespielt.

Furios startet die Platte mit einem Wirbel aller Instrumente gemeinsam. Da fallen mir einige Assoziationen ein. Zu allererst ist es John McLaughlin, jener zur Zeit des Mahavishnu Orchestras, aber auch die Platte "Emergency!" der Tony Williams Lifetime passt gut, stilistisch und hinsichtlich des treibenden und wilden Ausdrucks.

Ja, das kann an den Nerven zerren und zarte und empfindliche Hörer*innen ganz kirre machen, also - aufwühlen. Die Gitarre steht verzerrt im Vordergrund, unisono spielen die Bläser die Melodien mit und Bass und Schlagzeug treiben hektisch voran. Es gab doch einmal kurz den Begriff Punk Jazz, lange hielt sich das wohl nicht, hier scheint es wieder aufzublühen. Die Lounge Lizards sind zahm dagegen. Aber es gibt ja noch The Flying Luttenbachers. Doch die sind dann doch noch einen Tick verrückter und wilder. Ansonsten fällt mir noch Edi Nulz ein.

Gisler erreicht mit seiner Intensität des Gitarrenspiels durchaus in einigen Passagen jene von Sonny Sharrock. So bietet er diesen reissenden Sound, der dermaßen druckvoll in die Ohren schießt, dass alle Sinne sofort aktiviert werden, bis hin tief in das Sonnengeflecht. Aber ob das noch warm strömt? Mitunter gleicht die Musik einer Explosion, so richtig schonungslos wird die werte Hörerschaft attackiert, ohne Rücksicht auf Verluste. Da gibt es keine Kompromisse, entweder man hält durch oder man schaltet verzweifelt ab. Als hartgesottener Freund des Free Jazz kann mich diese Musik nicht verletzen. Nein - vielmehr berührt sie mich positiv. Denn das ist pure Energie, losgelassen und zügellos, einfach mitreissend, sofern man bereit ist, auf diesen rasenden Zug aufzuspringen und mitzureisen.

Doch es darf auch einmal ruhiger sein, und wenn man dem mit der gestopften Trompete angereichertem "The Vision" lauscht, dann wird man in eine andere Stimmung versetzt. Nur Gisler selbst hält die Hochspannung aufrecht mit seinem eindringlichem Spiel der Gitarre. Insgesamt atmet "The Vision" jedoch auch ein wenig Spiritualität, aber nur kurz, denn wenn David Murray sein Saxofonsolo aufblitzen lässt, dann kehrt er selbst zu seinen wilden Anfängen zurück. "Medical Emergency" - nun, den Notarzt muss man nicht gleich rufen, und Empfindliche dürften eh' bereits ausgeschaltet haben.

Auf See You Out There treffen mehrere Stilelemente aufeinander, entweder sie werden gnadenlos integriert oder bestimmen im Einzelfall die Gangart eines Songs, zum Beispiel ist "What Goes Up..." auf donnernde Rock-Füsse gestellt, und darüber wird improvisiert. Nach einigen dahinschwebenden Sequenzen mit "High As A Kite", ja, das könnte man schon werden, und gerade bei diesem Song mögen es psychedelische Andeutungen sein, ein wenig durchgeknallte Pink Floyd der frühen Jahre inbegriffen, die ein anderes Bild der Musik malen, gibt es nun zu essen. "Get A Döner", so empfiehlt Gisler, doch angesichts des holprigen Rhythmus' könnte man sich daran verschlucken. Zum Schluss dann noch eine eindeutige Warnung: "Better Don’t Fuck With The Drunken Sailor", das startet so richtig gemütlich im Jazz-Modus, und bleibt eigentlich auch so, Murray mit einem teilweise angenehm warmen Solo, nur die Gitarre muss mal wieder laut dazwischen funken.

Ja, diese Musik stellt eine Herausforderung dar, die man meistern sollte, denn danach ist man stolz darauf, so etwas nicht verpasst zu haben. Musikliebhaber mit offenen Ohren, mit dem Mut zum Risiko und auf der Suche nach Herausforderung - hier habt Ihr eine Aufgabe!



Wolfgang Giese



Trackliste
1 Bastards On The Run
2 Can You Hear Me?
3 See You Out There
4 The Vision
5 Get It Done
6 Medical Emergency
7 What Goes Up…
8 High As A Kite
9 Get A Doener
10 Better Don’t Fuck With The Drunken Sailor
Besetzung

Dave Gisler (guitar)
Raffaele Bossard (bass)
Lionel Friedli (drums)
Jaimie Branch (trumpet)
David Murray (tenor saxophone)



 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>