Invader

Egyszer Élsz!


Info
Musikrichtung: Metal

VÖ: 2018

(Nail)

Gesamtspielzeit: 55:21

Internet:

http://www.invader.hu
http://www.metalshop.hu


Dass sich die Ungarn im großen Stil als Invasoren betätigt haben, ist lange her – aus dem Geschichtsunterricht erinnert sich vielleicht noch manch einer an die Siege der deutschen Herrscher Heinrich I. und Otto I. über das im 10. Jahrhundert regelmäßig Süddeutschland verheerende magyarische Reitervolk, das dann in der Folge seßhaft wurde und eine wechselhafte Geschichte durchlebt hat. Nach dieser Einleitung ist klar, dass es sich bei der hier rezensierten Band Invader um die ungarische handelt und nicht um die zahlreichen Namensvettern aus aller Herren Länder, was der Sprachkenner freilich auch schon anhand des Albumtitels festgestellt hat: Obwohl der dem Intro folgende Opener „Nickname“ heißt, verwendet István Nachladal sowohl in ihm als auch in den ungarisch betitelten anderen Songs sein heimatliches Idiom.
Wer sich in der ungarischen Metalszene etwas auskennt, stößt im Booklet auf so manch bekannten Namen – das geht schon in der regulären Besetzung des Quintetts los, wo sich die beiden Gitarristen Tamás Munkácsi und Zoltán Lahovicz als neben dem Sänger zentrale Figuren der Band finden, und auf diese beiden Namen ist der MAS-Leser schon mal gestoßen, nämlich in den CD-Reviews zu End Of Paradise und zum Ego Project. Unter den Gastmusikern wird der Aha-Effekt dann noch größer: Norbert Jung und Richárd Rubcsics sorgen da beispielsweise für Querverweise zu den beiden ganz großen ungarischen Traditionsmetalbands, nämlich Pokolgép und Ossian (Analoges gilt übrigens für diverse Ex-Mitglieder: Schrägerweise spielten beide neuzeitlichen Ossian-Drummer, also Gergely Kálozi und Peter Hornyák, zeitweise auch bei Invader), und Zsolt Beloberk kennt man beileibe nicht nur von Kalapács. All die genannten Formationen spielen verschiedene Ausprägungen des traditionellen Metals, und so verwundert es nicht, auch von Invader solchen geboten zu bekommen, wenngleich das zwar ein klassisch-metallisches Motiv (ein Skelett erhebt sich aus einem Untergrund von drei Totenschädeln), allerdings in moderner Grafiktechnik zeigende Cover durchaus andere Optionen zugelassen hätte. Mit modernmetallischen Anwandlungen muß der Hörer in den 55 Minuten Musik allerdings nicht rechnen, von den klanglich leicht artifiziell anmutenden Doublebassdrums mal abgesehen – Invader sind Traditionalisten durch und durch und positionieren sich tatsächlich irgendwo in der Nähe von Pokolgép und Ossian, während von den westlichen Bands die Judas Priest der Achtziger hier und da eine Spur hinterlassen und dazu noch irgendeine andere Band, die dem Rezensenten gerade nicht einfällt; er dachte erst an Tokyo Blade, aber die sind’s nicht. So NWoBHM-lastig gehen Invader durchaus nicht zu Werke, sondern orientieren sich eher am Euro-Metal der Achtziger. Dass sie im Intro ihres zweiten Fulltime-Releases (daneben gibt es noch etliche EPs und Demos) mit einer nur geringfügigen Abwandlung des schwebenden Akkords aus Anathemas „Dreaming: The Romance“ anheben, dürfte purer Zufall sein, und diese Träumerei dauert hier auch nicht 23 Minuten, sondern nur ein paar Sekunden, bis eine Großes versprechende Gitarrenlinie einsetzt. Leider scheitern Invader daran, dieses Intro dramaturgisch geschickt in „Nickname“ zu überführen – die mehrsekündige Generalpause bringt die Spannung erstmal wieder auf den Nullpunkt. Vor anderen Problemen steht die Scheibe generell: Das Werk ist durchweg gutklassig, dazu hervorragend eingespielt – aber es rauscht trotzdem irgendwie völlig am Hörer vorbei, auch nach dem dritten Durchlauf bleibt außer dem besagten Intro nichts hängen, woran man sich kurze Zeit später noch erinnern könnte. Sicherlich spielt da die Sprache eine Rolle, die für den gemeinen Mitteleuropäer die Mitsingfähigkeit der Refrains herabsetzt – aber irgendwie ertappt man sich immer wieder bei dem Gedanken, dass Invader songwriterisch eigentlich nichts Besonderes bieten, auch wenn sich das zumindest instrumental alles wunderbar anhören läßt und man keinen Grund zum verunsicherten Kopfschütteln hat. Solchen gibt es dafür bei Nachladals Gesang, der irgendwie nach einem noch stärker gealterten Rob Halford auf dem Weg in die Stimmlage eines ebenso gealterten Matthew Barlow klingt, nicht selten an Grenzen stößt und bisweilen von den Melodielinien her nicht optimal an den Unterbau angepaßt wirkt. Keine Ahnung, wieso der Ur-Fronter wieder ans Invader-Mikrofon zurückgekehrt ist, nachdem er mehrere Jahre lang abgegeben hatte – aber wie er sich auf den letzten Ton vor dem Refrain von „Úton Leszek“ hochquält, das ist eher unangenehm anzuhören, vor allem wenn man seine Leistung in Relation zu der der Gitarristen setzt. Die bieten griffige Riffs und phantasievolles, wenngleich bisweilen harmonisch auch leicht ungewöhnlich anmutendes Solospiel, freilich auch nicht in dem Maße Ankerpunkte bietend, dass man sich bei der Erschließung hier strukturell irgendwo festhalten könnte. Invader sind garantiert für ein unterhaltsames Konzerterlebnis gut, sofern der Sänger wenigstens die Albumlinien halbwegs hinbekommt – auf Konserve machen sie irgendwie deutlich weniger Hörspaß, jedenfalls beim aktiven Hören nicht, obwohl sie strenggenommen nichts falsch machen: Power ist da, Melodie ist auch da, nur will letzterer Faktor nicht so richtig zünden. Als Paradebeispiel darf „Áldás Vagg Átok“ dienen, unterlegt mit einem leicht schrägen Riff und dominanter hoher Baßarbeit, damit sogar leidlich originell, aber im Gesamtbild irgendwie weder Fisch noch Fleisch erzeugend, wenngleich vor allem die doppelstimmige Bridge zum Hauptsolo einen kleinen Geniestreich offenbart, dem ein gleichfalls starkes Solo folgt. Aber selbst dessen am Ende durchgespielte Hauptmelodie weigert sich hartnäckig, sich irgendwie im Hirn festsetzen zu wollen. Der Rezensent hat also noch keinen Dreh gefunden, wie er sich dieser eigentlich perfekt in sein Beuteschema passenden Scheibe nähern könnte, und steht ihr mehr oder weniger hilflos gegenüber, was im traditionellen Metalsektor eher Seltenheitswert besitzt. Kurioserweise sind die beiden letzten Songs neben dem Intro die besten: das speedige „Holnaptól“ und die Akustikballade „Itt Vagyok“, die beweist, dass Nachladal durchaus mehr kann, als er in den anderen Songs zeigt, wenngleich er vom Tonfall her auch hier eher merkwürdig klingt. Vielleicht findet der eine oder andere Leser besser Zugang zu der Scheibe – schlecht ist sie wie beschrieben nicht. Aber der Rezensent kapituliert nach drei Durchläufen entnervt. Die ihm vorliegende Version der CD kommt übrigens als Doppelsilberling daher, auf Scheibe 2 findet sich der von Hammer Records (dem Mutterlabel von Nail Records, Platzhirsch in Ungarns Metalwelt) zusammengestellte 19-Song-Sampler „Let The Hammer Fall Vol. 73“ mit einem bunten metallischen Potpourri von den Deathstars über Kreator und Grave Digger bis zu Mind Odyssey (!), wobei mit Depresszió oder Moby Dick auch ungarische Bands vertreten sind.



Roland Ludwig



Trackliste
1Intro1:23
2 Nickname4:13
3 Azt Kapod, Ami Jár4:46
4 Nincs Az A Pénz4:38
5 Nincs Kiszállás...4:00
6 Két Parton Álva4:30
7 Átverés4:10
8 Várj4:51
9 Úton Leszek...4:10
10 Egyszer Élsz!4:39
11 Áldás Vagy Átok5:09
12 Holnaptól...4:23
13 Itt Vagyok4:29
Besetzung

István Nachladal (Voc)
Tamás Munkácsi (Git)
Zoltán Lahovicz (Git)
István Krcsmarik (B)
Dénes Németh (Dr)



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